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Digital Workplace: Das Ende alter Zöpfe

„Eine normale Schreibmaschine braucht 44 Typenhebel. Der IBM 72 genügt ein einziger Schreibkopf.“ Mit dieser Aussage machte IBM im Jahr 1965 für sein bahnbrechendes Schreibkopfsystem Werbung und ebnete in zahlreichen Unternehmen den Weg für ein effizienteres Arbeiten. Auch dieses „revolutionäre System“ war schnell überholt. Jetzt hält der „Digital Workplace“ Einzug in Unternehmen. Er ist mobil, auf Kollaboration ausgelegt und soll die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sichern. 

Für ‚IT-meets-Press‘ war der digitale Arbeitsplatz der passende Aufhänger, um in einer Expertenrunde die Hintergründe dieses Trends zu beleuchten, seine Relevanz zu bewerten und die Auswirkungen für die Unternehmen zu erörtern. Darüber diskutierten Anfang Februar vor versammelter Fach- und Wirtschaftspresse im Münchner Haus der Bayerischen Wirtschaft Annette Rust (Avanade), Marc Hoffer (Avepoint), Matthias Sommermann (Datev), Tolga Erdogan (Dimension Data), Axel Oppermann (Avispador) und als Anwender Stefan Fichtl (SFS Steuerberatungsgesellschaft) – moderiert von den beiden IT-Journalisten Christoph Witte und Wolfgang Miedl

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Digitaler Arbeitsplatz: Eine Revolution in Sachen Zusammenarbeit

Oppermann

Axel Oppermann, Analyst bei Avispador

Der Büroarbeitsplatz durchlief über die letzten Jahrzehnte einen rasanten Wandel. Nun bläst die Industrie unter dem Schlagwort Digital Workplace zu einer neuen Innovationsinitiative, die einschneidende Veränderungen verspricht, wie Analyst Axel Oppermann erklärte: „Die Integration von mobilem Internet und Cloud revolutioniert die Art, wie Mitarbeiter zusammenarbeiten. Das wirkt sich nun auf alle Berufsgruppen aus und bildet den Schlüsselbaustein für das zukünftige Arbeitsmodell. Damit steht und fällt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen in allen Branchen.“

Auslaufmodell Intranet und Unified Communications

Der Digital Workplace steht für ein ganzheitliches Arbeitsplatzmodell, das die klassischen Software- und Hardwarekategorien überwindet. Vorbei sind die Zeiten von Intranet sowie Unified Communication and Collaboration (UCC), darin waren sich die Experten einig. Zum einen wollen die Anwender nicht mehr mit Informationen aus Portalen überhäuft werden und erwarten flexibleren, ortsunabhängigen Zugriff. Zum anderen gelten Chat, Voice, Video und Telefonanlagen-Integration inzwischen als Commodity.

Rust

Annette Rust, Digital Strategy Lead bei Avanade

Für Annette Rust, Digital Strategy Lead bei Avanade, definiert sich der Digital Workplace durch das Zusammenführen von Informationen und Zusammenarbeit in einem intelligenten Kontext und der Rolle des Mitarbeiters. Anwender sollen dabei abhängig von ihrem Profil an jedem Ort die relevanten Funktionen und Daten erhalten. Wie das in der Praxis aussehen kann, schilderte sie anhand der Arbeitsumgebung bei einem Rückversicherer: „Früher benötigte der Underwriter für die Risikobewertung einer japanischen Fabrik lediglich sein Underwriting-Tool. Heute benötigt er dafür Input aus diversen Datenquellen wie Klima, Vergleichszahlen anderer Unternehmen sowie eine integrierte Kommunikation mit dem Client-Manager – alles in einer einheitlichen Umgebung.“

Die Zukunft: IoT und VR werden integriert

Erdogan

Tolga Erdogan, Director Solutions & Consulting bei Dimension Data

Dass das nicht der Endpunkt der Entwicklung ist, unterstrich anschließend Tolga Erdogan, Director Solutions & Consulting bei Dimension Data. Er prognostizierte als nächste Schritte das Zusammenwachsen von klassischen Arbeitsplatz-Umgebungen mit dem Internet der Dinge, Virtual Reality und Augmented Reality: „Die VR-Brille Oculus ist für mich die Vision des komplett digitalisierten Arbeitsplatzes. Um solche Themen wird Enthusiasmus entstehen, während das Interesse für Collaboration-Tools zurückgehen wird.

Sommermann

Matthias Sommermann, Leiter Cloud-Lösungen bei der Datev

Etwas pragmatischer sieht Matthias Sommermann, Leiter Cloud-Lösungen bei der Datev, die Entwicklung: „In unserem Kundenumfeld sind konkrete Lösungen für die Automatisierung zeitraubender Arbeitsprozesse rund um Zahlungsverkehr, Geschäftssteuerung und Belegwesen gefragt. Außerdem geht es um medienbruchfreie Möglichkeiten der digitalen Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und ihren Steuerberatern.“

Wie eine solche Automatisierung im Datev-Kundenumfeld aussehen kann, schilderte Stefan Fichtl, Gründer der SFS Steuerberatungsgesellschaft: „Dank intelligenter Verknüpfung diverser Datenquellen stehen uns heute diverse Frühwarnfunktionen zur Verfügung, die mir auf einem Bildschirm per Ampelsignal den Status mehrerer Hundert Mandanten darstellen. Und bei einem Mandanten aus der Gastronomie können wir heute beispielsweise die Umsatzzahlen ihn Bezug zu den Wetterdaten setzen, um die Plausibilität seiner Geschäftszahlen zu kontrollieren.“

Alles muss raus – oder alles integrieren?

Doch wie sollten Unternehmen Workplace-Konzepte umsetzen? Auf der „grünen Wiese“ starten oder neue Arbeitsplatzlösungen in bestehende Infrastrukturen eingliedern? Für Marc Hoffer, Leiter Enterprise Sales bei Avepoint, gibt es große Hürden, die einen Neuanfang erschweren: „In vielen Kundenumgebungen finden wir tief in die Prozesse verankerte Bestandssysteme wie Lotus Notes. So etwas migriert man nicht mal schnell, dafür braucht es eine schlüssige Integrationsstrategie.“ Oppermann hingegen plädierte für einen Start auf der grünen Wiese: „Manchmal muss man alte Zöpfe einfach abschneiden. Denn oft wird an überkommenen Dingen aus nostalgischen Gründen festgehalten.“

Workplace-Einführung mit oder gegen die Schatten-IT ?

Die Cloud gilt allen Experten als ideale Basis für die Einführung des Digital Workplace. „Workplace-Plattformen in der Cloud erleichtern das Auslagern neuer Services und entlasten die Unternehmen von Aufwänden für Infrastruktur und Betrieb“, sagte Rust. Für die IT-Organisationen bedeutet das, dass sie sich umorientieren müssen. Wenn die Budgets für IT-Dienste in die Geschäftsbereiche fließen, ist es an der Zeit, die eigene Rolle und die Aufgabenfelder neu zu definieren. Andernfalls wandern die Nutzer einfach in die Schatten-IT ab, warnte Erdogan: „Wenn die IT nicht schnell genug ist und zeitgemäße Dienste aufsetzt, wechseln die Anwender auf allgegenwärtige Dienste wie Dropbox. Da hilft auch kein Blockieren übers Netzwerk, weil dann einfach über Mobilgeräte ausgewichen wird.“

Das sei bedenklich, weil dieses Szenario die Cloud-Akzeptanz mindern könnte, erklärte Sommermann. Der Cloud-Experte der Datev erklärte: „Wir brauchen solide Geschäftsmodelle für Cloud-Lösungen, dann lassen sich auch solche Sicherheitsfragen umfassend lösen.“

Hoffer

Marc Hoffer, Leiter Enterprise Sales bei Avepoint

Hoffer ergänzte, dass vor allem die Akzeptanz der Anwender über den Erfolg neuer Workplace-Konzepte entscheidet und auch dem Drang zur Schatten-IT entgegenwirkt. Das heißt vor allem, die Mitarbeiter dort abzuholen, wo sie sind: „Wenn die User heute Dokumente per Attachment verschicken, dann sollte man das nicht verbieten, sondern diese etablierte Arbeitsgewohnheit unterstützen. Beispielsweise per intelligenter Software-Automatik im Hintergrund, die ein Attachement durch einen Dokumentenlink ersetzen, so dass die Daten im geschützten Unternehmenskontext bleiben.“

Fazit: Büroarbeit von morgen sieht anders aus

Das Thema Digital Workplace hat das Zeug, uns in den nächsten Jahren intensiv zu beschäftigen. Denn der Bogen spannt sich von der Dokumentenverwaltung in der Cloud über Anwender-zentrische Konzepte bis zur Auslagerung des Arbeitsplatzes in virtuelle Welten. Zudem werden fundamental veränderte Methoden der Softwareentwicklung sich auch massiv auf die Unternehmens-IT auswirken, erklärte der Analyst Oppermann: „Hersteller entwickeln Software heute viel schneller als noch vor fünf Jahren, so dass es nicht mehr ausreicht, Projekte in den üblichen Dreijahreszyklen zu planen.“ Diese zunehmende Automatisierung werde sich auch auf die Büroarbeit auswirken, weil selbstlernende Algorithmen zukünftig auch typische Dienstleistungsaufgaben wie die Auftragsabwicklung oder die Behandlung von Servicefällen vollständig automatisieren könnten.

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