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Pilotprojekt: Rhön-Klinikum AG testet IBM Watson

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Von links nach rechts: Prof. Dr. Jürgen Schäfer, Dr. Muhidien Soufi and Dr. Volker Ruppert. Quelle: Flickr/cc/IBM Research

Der deutsche Krankenhausbetreiber Rhön-Klinikum  AG (RKA) testet ab Ende 2016 an seinem „Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen“ (ZusE) des Universitätsklinikums Marburg ein auf der IBM-Watson-Technologie basierendes, kognitives Assistenzsystem. Das System soll die Ärzte und Spezialisten bei der Diagnosefindung unterstützen und so die Behandlungszeit von einigen hundert Patienten pro Jahr verkürzen.

Die  Rhön-Klinikum AG und IBM testen in einem 12-monatigen Pilotprojekt ein kognitives Assistenzsystem, das die Spezialisten des ZusE bei der Analyse von Patientendaten dabei unterstützen soll, schnellere und präzisere Therapieentscheidungen zu treffen. Kognitive Computersysteme verstehen natürliche Sprache, können logische Schlüsse ziehen und lernen aus der Interaktion mit Daten und Benutzern. Sie unterstützen dabei, die digitale Datenflut besser und effizienter zu nutzen und neue Erkenntnisse aus grossen, polystrukturierten und mehrdeutigen Informationsmengen zu ziehen.

Patientenakten wiegen oft über 5 kg

Seit seiner Eröffnung 2013 haben mehr als 6.000 Patienten das „Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen“ kontaktiert, um sich von Prof. Dr. Jürgen Schäfer, einem führenden Experten für seltene Krankheiten und Leiter des ZusE, behandeln zu lassen.

Die meisten seiner Patienten haben bereits eine jahrelange medizinische Odyssee hinter sich, die sich auch in einer Unmenge an strukturierten und unstrukturierten Daten wie Labortests, klinischen Berichten, Arzneimittelverschreibungen, radiologischen Untersuchungen und pathologischen Berichten widerspiegelt. „Patienten, deren Krankenakten mehr als fünf Kilogramm wiegen, sind bei uns keine Seltenheit. Unser Zentrum ist daher nicht nur durch die schiere Anzahl an Patienten, sondern auch durch die Flut an Daten überwältigt. Dies ist eine besondere Herausforderung, da unsere Arbeit oft der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleicht. Wir dürfen keine einzige Information übersehen, denn gerade sie könnte am Ende für die genaue Diagnosestellung entscheidend sein“, sagt Prof. Dr. Jürgen Schäfer.

Medizinisches Wissen soll sich alle 73 Tage verdoppeln

Zurzeit verlaufe die Diagnosestellung folgendermaßen: Wenn das ZusE-Expertenteam einen Patienten erstmals behandle, führe es eine umfassende Anamnese durch, in der die Experten mit dem Patienten sprechen und die Krankenakte sorgfältig studieren. In die Diagnose fließen außerdem die Erfahrung und das Wissen des Teams  sowie Informationen aus Fachartikeln, von Webseiten und Expertensystemen ein. Dieser Prozess könne pro Patient mehrere Tage in Anspruch nehmen. „Wir erwarten, dass das IBM Watson-System uns in mehrfacher Weise unterstützt. Wir hoffen, dass es uns hilft, unsere tägliche Arbeit nicht nur schneller, sondern auch besser zu erfüllen, in dem es eine Reihe von Prozessen vereinfacht“, erklärt Prof. Dr. Schäfer.

„Das medizinische Wissen wächst exponentiell und wird sich gemäß Schätzungen bis 2020 alle 73 Tage verdoppeln. Aus diesem Grund verspricht der Einsatz kognitiver Technologien wie das IBM-Watson-System unsere evidenzbasierte und individuell optimierte Behandlung eines jeden Patienten zu unterstützen“, sagt Prof. Dr. Bernd Griewing, Medizinvorstand, Rhön-Klinikum  AG. „Wir entwickeln ein Assistenzsystem, das die Bereitstellung und Evaluierung der bestehenden Krankenakte vor und auch während der Konsultation erleichtert. Dies wird unsere Ärzte bei der Diagnosestellung sowie der Auswahl geeigneter Behandlungsoptionen unterstützen.“

Pilotprojekt am „Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen“

Spezialisten aus Medizin und Technik sowie Experten beider Unternehmen entwickeln und testen gemeinsam das kognitive Assistenzsystem. Im Rahmen des Pilotbetriebes werden die Patienten einen digitalen Fragenbogen ausfüllen, den das medizinische Fachpersonal in Marburg erarbeitet hat. Die Antworten werden anonymisiert an das Watson-System in der IBM Bluemix Cloud weitergeleitet, wo die für die Ärzte relevanten Informationen extrahiert werden. Der kognitive Assistent nutzt einen speziell entwickelten Algorithmus zur Verarbeitung natürlicher Sprache, um die auf Deutsch verfassten Fragebogenantworten mit dem englischsprachigen Wissensbestand im IBM Watson Explorer zu verarbeiten.

„Mit Hilfe von Cognitive Computing erstellen wir eine Liste von Hypothesen, die dann den Ärzten vorgelegt wird. Die Liste enthält auch die Quellen, auf Grund derer die Hypothesen erstellt wurden, um so eine auf einer umfassenden Datenbasis fußende Diagnose zu ermöglichen“, erklärt Dr. Matthias Reumann, Projektleiter bei IBM Research – Zürich.

Die RKA steuert notwendige Experteninformationen, das medizinische Fachwissen sowie die lokalen Rechenressourcen zum Projekt bei und ist verantwortlich für die Einhaltung der Datenschutzrichtlinien. Neben IBM Research sind an dem Projekt ausserdem Entwickler von IBM Global Business Services (GBS) sowie Designer des IBM Interactive Experience Teams beteiligt.

Die Vision: Ein optimiertes Patientenmanagement

Die in der Pilotphase am Uniklinikum gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse werden anschließend ausgewertet und dann auch anderen Krankenhäusern der Gruppe zur Verfügung stehen. Zudem soll das Assistenzsystem nicht nur Ärzte bei der Diagnosefindung unterstützen, sondern auch bereits in der vorklinischen Phase eine datengestützte, versorgungsgerechte Patientennavigation entweder in den ambulanten oder den stationären Bereich sicherstellen. Zeit- und kostspielige Fehlzuweisungen könnten dadurch vermieden werden.

„Ein optimiertes Patientenmanagement ist von grundlegender Bedeutung sowohl für die flächendeckende medizinische Behandlung von morgen wie auch für die Entwicklung unseres Unternehmens. Hierbei werden digitale Lösungen immer wichtiger. Deshalb ist die Zusammenarbeit mit IBM ein wichtiger Teil unserer Innovationsstrategie. Darüber hinaus liegt ein weiter Fokus auf der Identifizierung und Zusammenarbeit mit Start-Ups im Bereich des IT-unterstützten Gesundheitswesens, um unsere einzigartige Position am Markt zu stärken. Sowohl medizinische wie auch technische Anstrengungen und Verbesserungen nützen unseren Patienten und bedeuten Wertschöpfung für unser Unternehmen,“ erklärt Jens-Peter Neumann, Finanzvorstand der Rhön-Klinikum AG

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