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Die schlechten Vorsätze fürs neue Jahr: Was Cyberkriminelle 2017 vorhaben

Nachdem 2016 als das Jahr der Online-Erpressung in die Geschichte eingehen wird, wird sich Ransomware im kommenden Jahr in mehrere Richtungen weiterentwickeln. Zu den neuen Varianten zählt „Business Email Compromise“, das es auf geschäftliche E-Mails wichtiger Unternehmensmitarbeiter abgesehen hat und sich bereits als neuer Favorit des digitalen Untergrunds erweist, sowie „Business Process Compromise“, also das Kapern oder Verändern ganzer Geschäftsprozesse. Auch „harmlose“ smarte Geräte, die in massiven DDoS-Angriffen eine Rolle spielen werden, befinden sich unter den Zielen der Cyberkriminellen. Diese werden zusätzlich zum Internet der Dinge (IoT) auch das „Industrielle Internet der Dinge“ (IIoT) ins Visier nehmen. Und schließlich wirft die für Mitte 2018 anstehende EU-Datenschutz-Grundverordnung ihre Schatten voraus.

Der IT-Sicherheitsanbieter Trend Micro gibt eine Übersicht der Themen, die das Jahr 2017 aus seiner Sicht beherrschen werden.

Erpresser-Software: Angriffsmethoden und -ziele werden vielfältiger

Wie vorhergesagt hat sich 2016 zum Jahr der Cyber-Erpressung entwickelt. Das lag an mehreren Faktoren: Die Angriffe vereinen unterschiedliche Verteilungsmethoden und nicht zu knackende Verschlüsselung mit massiven Drohkulissen. „Ransomware-as-a-Service“ – ein Geschäftsmodell, bei dem Betreiber ihre Infrastruktur an Cyberkriminelle vermieten – brachte auch technisch nicht Versierte ins Geschäft.

Und schließlich konnten Hacker nach der Veröffentlichung von Ransomware-Code ihre eigenen Versionen erstellen. Dies alles führte dazu, dass zwischen Januar und September ein 851-prozentiger Anstieg an Ransomware-Familien zu verzeichnen war. Nachdem der Höhepunkt 2016 überschritten wurde, folgt nun eine Periode der Stabilisierung: Für das kommende Jahr rechnen Trend Micros Forscher mit einem 25-prozentigen Zuwachs, also 15 neuen Familien pro Monat.

Bei mobilen Endgeräten soll es dieselbe Entwicklung geben wie bei Desktops, weil die Zahl der mobilen Nutzer hoch genug ist, um als Angriffsziel profitabel zu sein. Daneben sollen. auch Geldautomaten, Point-of-Sale-Systeme oder andere Computing-Terminals betroffen sein. Anders sei die Situation bei smarten Geräten: Derzeit lohne es sich noch nicht, sie in Geiselhaft zu nehmen. Es sei beispielsweise günstiger, eine gehackte smarte Glühbirne zu ersetzen als Lösegeld zu zahlen. Und auch wenn sich die Drohung lohnen könnte, die Kontrolle über die Bremsen eines fahrenden Autos zu übernehmen, dafür sei der Aufwand zu hoch.

Größeren Schaden werden Cyberkriminelle mit Erpresser-Software in Industrieumgebungen und Angriffen gegen das industrielle Internet der Dinge (IIoT) anrichten. Denn mit der Drohung, eine Produktionsstraße außer Betrieb zu setzen oder die Parameter einer Anlage wie die Temperatur zu manipulieren, lasse sich mehr Lösegeld erpressen.

IoT-Geräte und DDoS-Angriffe, IIoT-Systeme und gezielte Angriffe

2016 sorgte auch der „Mirai-DDoS-Angriff“, der mithilfe Tausender ungesicherter Webcams große Websites vom Netz trennte, für Aufsehen. Er war gleichsam der Vorbote von mehr Cyberangriffen auf das Internet der Dinge und dessen zentrale Infrastruktur. Vernetzte Geräte werden dabei – ähnlich den Schläfern in einem Thriller – durch Cyberkriminelle aktiviert werden. Beispielsweise sollen einzelne vernetzte Fahrzeuge für sehr gezielte Angriffe genutzt werden, offene Router für massive DDoS-Attacken. IoT-Botnetze könnten theoretisch DDoS-Angriffe vervielfältigen und größeren Schaden anrichten.

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Zu erwarten sei außerdem, dass Anbieter darauf nicht zeitgerecht reagieren werden. Nochmals das Beispiel Mirai: Hier wurden zwar Webcams vom Anbieter zurückgerufen, aber keine Code-Reviews für nicht betroffene oder noch kontrollierbare Geräte veranlasst.

Sobald das Internet der Dinge in Fertigungs- und anderen Industrieumgebungen sowie der Energiebranche stärker Einzug hält, würden Angreifer die Effizienz ihrer „BlackEnergy“-ähnlichen Angriffe erhöhen. In Verbindung mit dem starken Anstieg der Systemschwachstellen in SCADA-Systemen (SCADA = Supervisory Control and Data Acquisition) werde der Wechsel zum industriellen Internet der Dinge (IIoT) nicht vorhersehbare Gefahren und Risiken für Unternehmen und Verbraucher mit sich bringen. Jede dritte von TippingPoint 2016 entdeckte Schwachstelle betraf SCADA-Systeme.

Business Email Compromise: Umfang des gezielten Betrugs wird steigen

Das Ziel von „Business Email Compromise“ (auch „Chefmasche“ genannt) ist es, ein E-Mail-Konto zu hacken oder einen Mitarbeiter so auszutricksen, dass dieser Geld auf das Konto eines Cyberkriminellen überweist. Im Visier haben die Cyberkriminellen Finanzabteilungen weltweit, wobei mehrere Aspekte die Angriffe so „attraktiv“ machen. Da sei zum einen die unkomplizierte Handhabung: An den Angriffen gebe es nichts Außergewöhnliches – außer vielleicht der Tatsache, dass der jeweils beste Weg ausgekundschaftet werden muss, um eine für das Opfer glaubhafte E-Mail zu erstellen, was sich häufig aber mithilfe einer ausgeklügelten Suchabfrage bewerkstelligen lasse. Sie seien zum anderen kostengünstig, weil es keiner komplizierten Infrastruktur bedarf.

Den durchschnittlichen Verdienst bei einem erfolgreichen BEC-Angriff beziffert Trend Micro mit 140.000 US-Dollar, der geschätzte Gesamtschaden in den vergangenen zwei Jahren belief sich auf drei Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Verdienst bei Ransomware-Angriffen betrage 722 US-Dollar (derzeit 1 Bitcoin) und könne bis auf 30.000 US-Dollar steigen, wenn ein Unternehmensnetzwerk betroffen ist.

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Der schnelle Profit werde die Beliebtheit dieser Erpressungsmethode weiter steigern. Zumal sie sehr schwer zu entdecken sei – weil ja eben kein Schadcode enthalten ist – und weil die Mühlen der grenzübergreifenden Gerichtsbarkeit langsam mahlen: Bis beispielsweise ein Nigerianer, der seit 2014 mehrere Unternehmen betrogen hatte, festgenommen worden sei, habe es über zwei Jahre gedauert.

Business Process Compromise: Vor allem Finanzsektor betroffen

Der Angriff auf das Konto der Bangladesh Bank bei der U.S. Federal Reserve Bank of New York verursachte einen Verlust von über 80 Millionen US-Dollar. Anders als bei „Business Email Compromise“, wo die Gefahr in menschlichem Fehlverhalten liegt, beruhte dieser Raub auf einem tiefgehenden Verständnis der Kriminellen dafür, wie große Finanztransaktionen ablaufen.

Trend Micro nennt diese Angriffskategorie „Business Process Compromise“, kurz BPC. Sie soll vor allem Finanzabteilungen betreffen, aber nicht ausschließlich. Zu den ebenfalls möglichen Szenarien gehöre das Hacken von Auftrags- oder Bezahlsystemen. Cyberkriminelle könnten sich auch in ein Lieferzentrum hacken und wertvolle Güter an andere Adressen umleiten. Einen vergleichbaren Fall gab es bereits: 2013 wurde das Liefercontainer-System des Antwerpener Hafens gehackt. Und warum der Aufwand? Ein Vergleich der „Verdienstmöglichkeiten“ zeigt die Gründe: Ransomware-Angriffe auf Unternehmensnetzwerke 20.000 US-Dollar, BEC 140.000 US-Dollar und BPC 81 Millionen US-Dollar.

Sicherheitslücken: Adobe und Apple überholen Microsoft

2016 werde Adobe zum ersten Mal Microsoft bei der Anzahl aufgedeckter Sicherheitslücken überholt haben. Zu den von der Zero-Day-Initiative veröffentlichten Lücken 2016 betrafen 135 Adobe- und 76 Microsoft-Lösungen. Für Apple war es das Jahr mit den meisten Sicherheitslücken, bis November wurden deren 50 offengelegt – im vergangenen Jahr waren es 25.

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Microsoft-, Adobe- und Apple-Sicherheitslücken, die von der Zero-Day Initiative (ZDI) veröffentlicht wurden. Quelle: Trend Micro

Diese Entwicklungen haben laut Trend Micro damit zu tun, dass Microsofts PC-Verkäufe in den vergangenen Jahren zugunsten von Smartphones und Tablets zurückgegangen sind – dass aber die Verbesserungen Microsofts in puncto Sicherheit die Cyberkriminellen auch dazu getrieben haben, nach Alternativen zu suchen. Dass beispielsweise Apple das „iPhone 4S“ nicht mehr unterstützt, soll zu weiteren Exploits führen. Generell werde die Aufdeckung von Sicherheitslücken unweigerlich zur Entwicklung von Exploits führen, die wiederum in Exploit-Kits integriert werden. Deren Nutzung ging in diesem Jahr zwar zurück, nachdem der Entwickler des „Angler Exploit Kit“ verhaftet wurde, doch wie schon mit „BlackHole“ und „Nuclear“ stehen andere in solchen Fällen bereit.

Cyberpropaganda: Auswirkungen bis hin zur Bundestagswahl 2017

2016 hat nahezu die Hälfte der Erdbevölkerung (46,1 %) Zugang zum Internet, sei es über traditionelle Computer, Smartphones oder Internet-Cafés. Dadurch können immer mehr Menschen schnell und einfach auf Informationen zugreifen, unabhängig von Quelle und Glaubwürdigkeit – und Interessierte die öffentliche Meinung beeinflussen. Die fehlende Überprüfung, ob Informationen glaubwürdig sind, habe zusammen mit übereifrigen Nutzern, die andere vom eigenen Glauben überzeugen wollen, zur weiten Verbreitung gefälschter Inhalte beigetragen. Was es noch schwieriger mache, zwischen Fakt und Fälschung zu unterscheiden.

Welche Macht soziale Medien und Online-Informationsquellen haben, wenn es um politische Entscheidungen geht, hätten 2016 einige Beispiele veranschaulicht: Wie WikiLeaks für Propaganda eingesetzt wird, zeigte sich bei den US-Präsidentschaftswahlen, als belastendes Material eine Woche vor der Wahl durchsickerte. Beim stetigen Monitoring des cyberkriminellen Untergrunds stießen Trend Micros Sicherheitsforscher auf so genannte Script-Kiddies, die mit ihren Einnahmen durch gefälschte wahlbezogene Nachrichten warben. Sie behaupteten, etwa 20 US-Dollar im Monat verdient zu haben, indem sie Internet-Verkehr zu vorgefertigten Inhalten über die Präsidentschaftskandidaten umleiteten. Dedizierte „Cyber-Agenten“ werden sogar dafür bezahlt, Propagandamaterial in sozialen Medien zu posten.

Es bleibe abzuwarten, wie die kommenden Wahlen in Deutschland und Frankreich sowie die EU-feindlichen Strömungen in Großbritannien von elektronischen Medien beeinflusst werden.

EU-Datenschutz-Grundverordnung: Mehr Aufwand, mehr Kosten

Ab dem 25. Mai 2018 kommt die bereits in Kraft gesetzte EU-Datenschutz-Grundverordnung zur unmittelbaren Anwendung, dann werden Unternehmen bei fehlender Compliance Strafen von bis zu vier Prozent ihres Umsatzes zahlen müssen. Nicht allein die EU-Mitgliedsstaaten sind betroffen, sondern Organisationen weltweit, die persönliche Daten von EU-Bürgern sammeln, verarbeiten und speichern. Die damit einhergehenden Änderungen in Richtlinien und Geschäftsprozessen werden zu erheblichen administrativen Zusatzkosten führen.

So wird unter anderem ein „Data Protection Officer“ Pflicht, d.h. eine neue Rechnungsposition (für Einstellung, Schulung und Stelle eines entsprechend geschulten Mitarbeiters) wird in den Unternehmensausgaben auftauchen. Noch sei es ein weiter Weg bis dahin, bis Ende dieses Jahres werden weniger als die Hälfte der Unternehmen einen DPO eingestellt haben.

Zudem müssen Nutzer über ihre neuen Rechte informiert werden – und Unternehmen sicherstellen, dass die Nutzer ihre Rechte auch wahrnehmen können. Die dem individuellen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung entspringende Einsicht, dass EU-Bürger ihre persönlichen Daten selbst besitzen und somit gesammelte Daten bestenfalls nur „ausgeliehen“ sind, werde die gesamten datenbezogenen Arbeitsabläufe beeinflussen.

Anti-Evasion-Lösungen: Neue Taktiken für gezielte Angriffe

Die ersten Kampagnen für gezielte Angriffe wurden vor zehn Jahren dokumentiert. Seitdem gehen Cyberkriminelle viel raffinierter vor, während die Netzwerkinfrastrukturen weitgehend gleich geblieben sind. Diese Lernkurve soll  Methoden hervorbringen, die in erster Linie darauf ausgerichtet sind, die meisten modernen Sicherheitstechnologien der vergangenen Jahre zu umgehen.

Cyberkriminelle werden sich vermehrt um die Erkennung von Sandboxen kümmern, um zu sehen, ob unbekannte Dateien in eine Sandbox geschoben werden. Sie werden Sandboxen sogar angreifen und „überfluten“, so Trend Micro.

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