Home / News / Digitale Patientenversorgung: Beispiele aus der Praxis

Digitale Patientenversorgung: Beispiele aus der Praxis

Im Gesundheitswesen beginnt die digitale Transformation: Health-Start-ups entstehen, Wearables und Apps tracken die Vitalfunktionen. Dazu Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbandes: „Es scheint so, dass Big Data mit dem Smartphone die Zukunft der Medizin in die Hand des Users legen möchte. Ärzte werden künftig mehr als bisher weltweites Wissen bündeln, interpretieren und den schnellen Zugang zum medizinischen Fortschritt sicherstellen. Auch Betriebskrankenkassen müssen ihre Rolle bei Versorgung und Service ihrer Versicherten mit E-Health-Unterstützung finden. Eine Digitalisierungsstrategie gehört bereits selbstverständlich zu den Managementaufgaben.“ Wie digitale Projekte in der Versorgungspraxis konkret funktionieren, zeigte die jüngste Veranstaltung aus der Reihe BKK INNOVATIV.

Kann künftige Patientenversorgung ohne digitale Unterstützung funktionieren? Das klappt auf Dauer nicht – davon sind sowohl Dr. Oliver Gapp von der mhplus Krankenkasse als auch Prof. Dr. David Matusiewicz überzeugt. Dr.Gapp plant mit den Spezialisten in der Kasse und Kooperationspartnern die Zukunft bereits jetzt: Im Rahmen von Selektivverträgen werden digitale Anwendungen bei Prävention, Diagnostik und Therapie getestet und den Versicherten angeboten. Dabei geht es beispielsweise um
– die Teletherapie beim Stottern
– die häusliche digitale Überwachung bei Patienten mit Herzinsuffizienz
– nachstationäre online-Kontakte mit behandelnden Psychotherapeuten zur Vermeidung von Drehtüreffekten bei seelischen Leiden oder
– online Gesundheitscoaches.

Digitale Transformation: Dynamisch und brutal wie Eishockey

Weiterhin wird der Kundenservice zunehmend digitalisiert, indem Formulare oder Nachweise online ausgetauscht werden oder per Videoschaltung und WhatsApp mit den Versicherten kommuniziert wird.

Prof. Dr. Matusiewicz, Institut für Gesundheit und Soziales von der FOM Hochschule in Essen, sieht darin eine Chance, derzeitige Versorgungsprobleme anzugehen. Seiner Auffassung nach befindet sich digitale Transformation im Gesundheitswesen zwischen tradiertem Stillstand und disruptiven Sprüngen, so auch der Titel seines aktuellen Buchprojektes. Matusiewicz ist sich sicher, dass die digitale Transformation – dynamisch und brutal wie Eishockey – die Branche verändern wird.

Best Practice: Elektronische Visite bei Pflegeheimen

Das Ärztenetzwerk Bünde besteht aus 55 niedergelassenen Haus- und Fachärzten, einem Krankenhaus, Physio- und Psychotherapeuten, Ernährungs- und Suchtberatern. Es versorgt rund 34.000 Versicherte aus 18 kooperierenden Betriebskrankenkassen in der Region Ostwestfalen. Das Ärzteprojekt MuM (Medizin und Mehr) hat außerdem ein integriertes Versorgungsmodell OPTI-MuM, genutzt von rund 13.000 Patienten aus meist ländlicher Umgebung. Gemeinsam mit den ostwestfälischen BKK wurden 26 „lernende“ Module entwickelt; so Zusatzversorgungen bei Herzmuskelschwäche, psychotherapeutische Angebote, Vorsorgeprogramme zu Darm- und Hautkrebs und ambulante Operationen.

Mit der elektronischen Visite wollte MuM die ärztliche Versorgung für die betreuungsintensiven Patienten in Pflegeheimen optimieren. Vor allem sollten zeitintensive, aber überflüssige Arztbesuche – so bei Bagatellfällen – vermieden werden.

Annette Hempen, Geschäftsführerin von MuM erläutert, wie die Bewohner der Pflegeeinrichtungen, gemeinsam mit einer Pflegefachkraft direkt mit ihren behandelnden Ärzten sprechen. Eine flexible kleine Kamera zeigt Details und unterstützt den Arzt vor den Bildschirm, so um chronische Wunden zu begutachten. Diese sind zu rund drei Vierteln die häufigsten Gründe für elektronische Visiten, gefolgt von Fragen zur Medikation. Erfolgsbilanz: In 74 Prozent der Fälle konnten damit die gesundheitlichen Probleme abschließend geklärt werden. Einbestellungen in die Praxen oder Überweisungen zu Fachärzten fielen in weniger als einem Viertel der Fälle an. Wichtig ist den Akteuren, dass die Patienten den Ärzten bekannt sind.

Digitale Innovationen brauchen Freiraum zum Entfalten

In Regionen, Städten, Ballungsräumen sind die Voraussetzungen für Versorgung unterschiedlich; verschiedene Erkrankungsbilder verlangen unterschiedliche Behandlungskonzepte; Behandler und Ansprechpartner für Patienten – je nach Phase der Erkrankung – wechseln. Politik könne und dürfe daher künftig für die Vielfalt an Versorgungsmodellen die Rahmenbedingungen setzen. Die Akteure innovativer Versorgungsprojekte mit digitaler Unterstützung sind sich einig: Um innovative Ansätze und Modelle in den Regionen genug Freiraum zu geben, sollten Gesetzgeber und Aufsicht im operativen Bereich stärker auf die Akteure in den Regionen vertrauen. Diese setzen vor Ort moderne und dem Patienten zugewandte Versorgung konkret um.

Share

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*