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Digitalisierung live auf der CeBIT: Wie ein Start-up die Automobilindustrie aufmischen will

© Krentz/e.GO Mobile AG

Muss ein wirtschaftlich effizientes Elektroauto gebaut werden wie ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor? Sind Vorlaufzeiten von fünf Jahren und Anlaufkosten im dreistelligen Millionenbereich wirklich notwendig? Und wie lassen sich trotz kleinerer Stückzahlen attraktive Preise realisieren? Antworten auf diese Fragen gibt es auf der CeBIT: Mit Ideen für digitale Wertschöpfungsketten will ein Aachener Start-up die Fahrzeugbranche auf den Kopf stellen. Im Interview erklärt der Chef-Gründer außerdem, was traditionelle Mittelständler von seinem Unternehmen lernen können.

Womit sich die etablierten Automobilhersteller bislang schwer tun, will das deutsche Elektroauto-Start-up e.GO vom Sommer an in Serie bauen: ein alltagstaugliches E-Mobil für rund 16 000 Euro – die aktuelle Kaufprämie für Elektrofahrzeuge nicht eingerechnet.

Alle Prozesse digitalisiert

Digitalisierung macht es möglich. Von der ersten Modellskizze an hat das Jungunternehmen vom Campus der RWTH Aachen sämtliche Prozesse digitalisiert. Die ständige Überprüfung des Designs in einer Virtual-Reality-Installation beschleunigte erheblich die Entwicklungsprozesse. Ein erster Prototyp wurde zu 30 Prozent aus 3D-gedruckten Komponenten gefertigt. Die kunststoffbeplankte Struktur verringert die Herstellkosten des Fahrzeuges gegenüber herkömmlichen selbsttragenden Karosserien. Auch das Großserien-Antriebssystem von Bosch und eine konsequente Modulbauweise tragen zum niedrigen Verkaufspreis des attraktiven E-Mobils bei, das als 2+2-Sitzer eine Reichweite von rund 120 Kilometern erzielen soll.

Um kostengünstig produzieren zu können, setzt e.GO auf eine unkonventionelle Produkt- und damit Produktionsarchitektur. Die Organisation des Start-ups folgt der Vorgabe eines digital nativen, agilen Unternehmens, das eng mit Partnern kooperiert. Einen wichtigen Beitrag leistet das European 4.0 Transformation Center, das eine Plattform für den Digitalisierungsaustausch bildet.

Das Forscherteam um Professor Günther Schuh, CEO von e.GO Mobile, zeigt nun auf der CeBIT, wie vernetzte Technologien der Industrie 4.0 die Entwicklung beschleunigen und eine kostengünstige Fertigung ermöglichen. Auf dem zentralen Stand der „Digitalisierung live“ veranschaulichen das European 4.0 Transformation Center des RWTH Aachen Campus mit seinen Technologiepartnern PTC, PSI, exceet, justSelling sowie e.GO die digitale Wertschöpfungskette am Beispiel des Elektroautos. Exponate und digitale Anwendungsfälle zu den Themen Innovieren, Produzieren und Konnektieren werden dabei vor Ort gezeigt: das e.GO Life Rolling Chassis als Beispiel für den Einsatz von Augmented Reality, ein Roboter-Exponat als Beispiel für Digitalisierung in der Produktion, virtuelle Fabrikplanung, Fahrzeugdatenübertragung und digitaler Schatten.

Der e.GO Life richtet sich als Elektrostadtfahrzeug an den Zweit- und Drittwagenmarkt. Es ist bereits das zweite Elektroauto, das auf dem RWTH Aachen Campus entwickelt wurde. 2010 startete die StreetScooter GmbH, die mittlerweile ein vollelektrisches, leichtes Nutzfahrzeug für die Postzustellung in Serie produziert.

„Wir setzen auf agile Produktentwicklung“

Im Interview erklärt Prof. Günther Schuh, was traditionelle Mittelständler von innovativen Start-ups lernen können, um erfolgreich zu sein.

Prof. Günther Schuh

Frage: Oftmals wundert man sich, wie schnell Startups vorankommen. Traditionelle Unternehmen wirken in ihren Prozessen und Strukturen dagegen behäbig. Welche Innovationstechniken aus der Startup-Szene sollten traditionelle Mittelständler einsetzen?

Schuh: Am Anfang sollte die Überlegung stehen, wie disruptiv man vorgehen soll und will, und ob das in vollen Ausmaß in der eigenen Organisation geschehen kann; oft gelingt dies nur in eigenständigen getrennten Einheiten, die eine grüne Wiese vor sich haben, so wie bei e.GO. Bei uns kommt es auch darauf an, die disruptiven Konzepte konkret zu erproben und dabei zügig und mit einfachen Mitteln vorzugehen – das erfordert Mut zum an der jeweiligen Stufe Wesentlichen. Wir arbeiten unsere Produktvalidierungsthemen parallel mit Teilprototypen ab, um schneller zu lernen und dies sofort in die nächsten Schritte zu übernehmen. Deswegen setzen wir auf agile Produktentwicklung, analog zur aus der Softwareentwicklung bekannten SCRUM-Methodik.

Frage: Digitalisierung – so hört man immer wieder- ist weniger eine Frage der IT, sondern mehr eine der Einstellung. Was sind die drei größten Hürden, wenn es um digitale Innovation in traditionellen Unternehmen geht?

Es ist eine Frage des Machens. Wir haben mit dem Start von e.GO auf modernste IT-Werkzeuge gesetzt, die auch das digitale Fundament für unsere Industrie 4.0-Serienfabrik bilden werden. Wir sind nach kurzer Zeit und mit sehr überschaubaren Mitteln sehr weit gekommen, weil wir vorhandene Standards nutzen und nicht verbiegen. Entscheidend ist die Datenqualität, die wir operativ mit unseren Mitarbeitern stetig nachhalten. IT-Großprojekte vom alten Schlag sind für uns nicht relevant, weil wir die Produkte, die Organisation, die Mitarbeiter, sowie die Abläufe und Systeme gleichzeitig weiterentwickeln. Dabei helfen uns auch die neuen, schlankeren Möglichkeiten, um mit Apps rasch neue inhaltliche Verbindungen und Darstellungsformen zu erstellen.

Frage: Welche Rolle spielt denn die IT in den Unternehmen noch. Wie kann der IT-Chef die Innovationsfähigkeit einer Organisation positiv beeinflussen?

Jeder Mitarbeiter braucht „digitale“ Skills, um die bestehenden Technologien gut zu füttern und auch gut zu nutzen. Traditionelle Abteilungssilos mit einzeloptimierten Systeminseln müssen wir nicht berücksichtigen. Die e.GO-IT konzentriert sich auf die gesamtheitliche Perspektive, die geschicktesten Ausgangspunkte und Stellhebel für die Skalierung digitaler Prozesse in unserer wachsenden Organisation, die effiziente Einbindung unserer Partner, und vor allem darauf, das gemeinsame digitale Leistungsniveau stetig anzuheben. Natürlich nutzen wir dazu auch ein Architektur-Zielfoto, das unseren Anspruch an transformationale Agilität und Konnektivität verkörpert. Silos und Sequenzen sind nicht unsere Muster.

Professor Günther Schuh, CEO der e.GO Mobile AG und Mitglied des Direktoriums des Forschungsinstituts für Rationalisierung (FIR) e.V., hält auf der Digital ERP Stage (20. März 2017, 14.45 bis 15.30 Uhr) den Vortrag „Cut the loop! – Wie agile Produktentwicklung im Kontext der Elektromobilität disruptiv eingesetzt wird“.

Im Video sehen Sie die Entstehungsgeschichte und Highlights des Autos

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