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Digitalisierung macht Arbeit nicht automatisch besser

Aus Sicht des DGB bietet die Digitalisierung für Beschäftigte sowohl Chancen als auch Risiken. Doch Digitalisierungsprozesse werden derzeit in vielen Unternehmen so durchgeführt, dass sie mit erhöhter Arbeitshetze verbunden sind. Das zeige eine Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit.

Digitalisierung könne genutzt werden, um Arbeit zum Vorteil der Menschen und ihrer Gesundheit zu gestalten. Dass der Trend aber gerade in die andere Richtung gehe, zeige die Sonderauswertung „Digitalisierung und Arbeitsintensivierung“ des DGB-Index Gute Arbeit, die Annelie Buntenbach (DGB), Dr. Hans-Jürgen Urban (IG Metall) und Lothar Schröder (ver.di)  in Berlin vorgestellt haben.

46 Prozent der Befragten gaben darin an, dass ihre Arbeitsbelastung aufgrund der Digitalisierung zugenommen hat. 54 Prozent berichten, ihre Arbeitsmenge sei größer geworden. Auch der Zeitdruck nimmt mit steigendem Digitalisierungsgrad zu: Während 51 Prozent derjenigen, die nicht digital arbeiten, davon berichten, sind es 60 Prozent derjenigen, die mit digitalen Mitteln arbeiten.

Von ständigen Unterbrechungen und Störungen berichten 69 Prozent der Befragten (im Vergleich zu 36 %, die nicht digital arbeiten). Daraus ergibt sich für den DGB sowie die Gewerkschaften Ver.di und IG Metall akuter politischer Handlungsbedarf.

Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied, erklärte:„Die Ergebnisse zeigen, dass Digitalisierung Arbeit nicht automatisch besser macht. Psychische Erkrankungen bewegen sich seit Jahren auf einem erschreckend hohen Niveau. Für uns steht außer Frage, dass schlecht organisierte Arbeit ein entscheidender Stressfaktor ist und die Gesundheit der Beschäftigten beeinträchtigt. Trotz gemeinsamer Erklärungen mit den Arbeitgebern sind wir bei der Prävention noch nicht vorangekommen.“

Grenzen zwischen beruflich und privat verschwimmen

Lothar Schröder, ver.di-Bundesvorstandsmitglied, ergänzte: „Wer Einfluss auf die Digitalisierung nehmen kann, ist durch sie weniger belastet. Weil die Digitalisierung neue Formen der Arbeit fördert, brauchen Betriebsräte Mitbestimmung bei der Arbeitsmenge und Arbeitgeber müssen verpflichtet werden, Belastungsanzeigen von Arbeitnehmern ernst zu nehmen.“

Verpflichtende Gefährdungsbeurteilungen seien dringend notwendig in einer Arbeitswelt, in der häufig die Grenzlinien zwischen privat und beruflich an Eindeutigkeit verlieren. Weil die Digitalisierung in rascher Geschwindigkeit und Häufigkeit herkömmliche Prozesse verändere, sei ein ständiges Monitoring der Arbeitsbedingungen notwendig. „Wir brauchen in allen Betrieben ein soziales Benchmarking, damit die Steuerung über immer feiner ziselierte Finanzkennziffern nicht das Menschliche erdrückt.“

Die Digitalisierung könne einen Beitrag leisten zur Humanisierung der Arbeit, „tatsächlich hält sie aber vielfach nur als Rationalisierung von oben Einzug in die Betriebe“, so Dr. Hans-Jürgen Urban, IG Metall-Vorstandsmitglied. Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gewinnen für ihn an Bedeutung. „Das goldene Dreieck mit dem Achtstundentag, der 40-Stundenwoche und mindestens 11 Stunden Ruhezeit ist gerade für die digitale Arbeit notwendig, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor unzumutbarer Arbeitsverdichtung und Hetze bei der Arbeit zu schützen.“ Die Forderung der IG Metall nach einer Anti-Stress-Verordnung gewinne durch die Digitalisierung weiter an Dringlichkeit.

Ständige Erreichbarkeit macht großen Teil der Mehrbelastung aus

Die Ergebnisse der Index-Sonderauswertung zeigen Probleme in vielen Bereichen:

  • Wo in starkem Maße mit digitalen Mitteln gearbeitet wird, ist der Anteil der von Störungen und Unterbrechungen betroffenen Beschäftigten doppelt so hoch wie bei nicht digitaler Arbeit.
  • Hochgradig digitalisierte Arbeit ist für die Beschäftigten derzeit mit einer überdurchschnittlich starken Steigerung der Arbeitsintensität verbunden.
  • Die Mehrbelastung von digital Arbeitenden hängt zu einem beträchtlichen Teil mit der Anforderung zusammen, ständig für den Arbeitgeber erreichbar zu sein.

DGB-Index weist auf mögliche Lösungswege hin

Doch die Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit will auch zeigen, wie sich zunehmende Arbeitshetze vermeiden lässt: Digital Arbeitende, die Einfluss auf ihre Arbeitsmenge nehmen können, sehen sich deutlich weniger belastet und gehetzt. Damit zeige der Index „auch den Hebel, mit dem die Digitalisierung für eine bessere Arbeitsqualität genutzt werden kann“, so Buntenbach. „Der Ausbau individueller und kollektiver Mitbestimmungs- und Beteiligungsmöglichkeiten bleibt der Schlüssel für eine menschengerechte Gestaltung der Arbeitswelt – auch und gerade in Zeiten der Digitalisierung.“

Methodik: Der jährliche Report „DGB-Index Gute Arbeit“ erscheint seit 2007. Für die aktuelle Sonderauswertung wurden 2016 knapp 10.000 Beschäftigte aller Branchen und Berufsgruppen danach gefragt, wie sie die Auswirkungen der Digitalisierung auf ihre Arbeitsbedingungen einschätzen.

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