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Freie Ärzteschaft: Online-Anbindung der elektronischen Gesundheitskarte floppt

Bildquelle: Pixabay

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat sich die Digitalisierung des Gesundheitswesens so vorgestellt: Seit 1. Juli 2017 müssen sich alle Arzt- und Zahnarztpraxen, Kliniken und später auch Apotheken online an ein riesiges Datennetz der Krankenkassen anschließen. Zugangsschlüssel ist die elektronische Gesundheitskarte (eGK). Für die Freie Ärzteschaft (FÄ) liegen die Interessen dahinter auf der Hand: „Politik, Krankenkassen und Gesundheitsindustrie wollen die Krankheitsdaten aller Bürger zentral speichern, um das Gesundheitswesen zu steuern und Rendite zu erwirtschaften“, sagte FÄ-Vizevorsitzende Dr. Silke Lüder am Montag in Hamburg. „Angesichts bedrohlicher Hackerangriffe in jüngster Zeit ist das verantwortungslos.“

Als Erstes sollen die Arztpraxen und Klinikambulanzen mit der Aktualisierung der Stammdaten der Versicherten, wie etwa Wohnort und Versichertenstatus, Verwaltungsaufgaben der Krankenkassen übernehmen. „Damit wird uns Zeit für die Patienten genommen“, erläutert Lüder. „Außerdem ist dieser sogenannte Online-Rollout ein Flop: Die technischen Geräte – ein sogenannter Konnektor und ein onlinefähiges Chipkartenlesegerät – sind für den Realbetrieb in den Praxen noch gar nicht vorhanden. Insidern zufolge dürften diese Geräte frühestens im November 2017 verfügbar sein. Und das zu gepfefferten Preisen: Aufgrund der Monopolstellung des Anbieters soll ein Konnektor etwa 2600 Euro kosten.“

Verzögerungen im Praxisablauf

Ein Preis, den letztlich auch die Versicherten zahlen würden. Die Kosten für die gesetzlich Versicherten werden mit weiteren etwa 700 Millionen Euro für das eGK-Projekt veranschlagt. „Außerdem“, so Lüder, „wird es durch den Online-Datenabgleich mit ziemlicher Sicherheit in den Arztpraxen zu deutlichen Verzögerungen im Praxisablauf und längeren Wartezeiten bei der Anmeldung kommen.“ Die Anbindung an das Datennetz, gehostet bei der Bertelsmann-Tochter Arvato, sei auch nicht freiwillig. Praxen, die das bis zum 1. August 2018 nicht erledigt haben, müssen mit Geldstrafen rechnen.

Ärztliche Schweigepflicht weiter verteidigen

Aus Sicht der Ärzte ist eine Totalvernetzung im Gesundheitswesen gefährlich, weil Cyberangriffe die Sicherheit der Patienten gefährden würden. Das hat jüngst der Deutsche Ärztetag unmissverständlich klar gemacht. Lüder kritisiert scharf die Regierung: „Einer Bundesregierung, die derzeit lauter neue Gesetze zu Bundestrojanern und zur Ausforschung der Onlinekommunikation der Bürger erlässt, kann man eine Verantwortung für Datenschutz und bürgerliche Freiheitsrechte absprechen“. Auch die ärztliche Schweigepflicht sei für die Große Koalition kein schützenswertes Gut mehr, wie das neue Bundeskriminalamtgesetz zeige.

„Ärzte und Patienten brauchen keine zentralen Datenberge. Wir werden die ärztliche Schweigepflicht weiter verteidigen“, betont die FÄ-Vizevorsitzende. Arztpraxen könnten jetzt erst einmal abwarten, bevor sie Verträge für Geräte abschließen, die noch nicht existieren. Danach könne man die gesetzlich festgeschriebene Möglichkeit wahrnehmen, eine sogenannte Stand-alone-Lösung zu installieren, damit die Patientendaten in der Praxis geschützt blieben. Unverschämt findet Lüder die Ankündigung, dass Ärzte, die ihre Schweigepflicht ernstnehmen und diese Lösung realisieren, finanziell bestraft werden sollen.

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