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Neue Technologien: Autobauer sind auf Einkaufstour – allen voran BMW

Automobilbauer (OEM) setzen verstärkt auf Beteiligungen und Partnerschaften, um den Zugriff auf Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren und umweltfreundliche Antriebe zu sichern. Über die vergangenen Jahre haben sich die deutschen Hersteller BMW und Daimler unter den Top-3-Investoren weltweit platziert – neben dem US-Hersteller GM.

Ein internationales Ranking der Strategieberatung Oliver Wyman zeigt einen sprunghaften Anstieg der Corporate Venture Capital (CVC)-Aktivitäten im ersten Halbjahr 2017. Doch die Analyse zeigt auch Handlungsbedarf auf, denn viele Autobauer investieren wenig fokussiert – und laufen so Gefahr, dass ihr finanzieller Einsatz an zu vielen Stellen verpufft. Der Druck auf die Autohersteller wächst außerdem, weil kapitalstarke Unternehmen aus mehreren technologiegetriebenen Branchen wie IT und Telekommunikation in den Mobilitätssektor drängen.

Einsatz bei Zukunftstechnologien muss erhöht werden

Klassische Automobilbauer drücken aufs Tempo, um nicht bei neuen Technologien abgehängt zu werden. Bis Anfang September diesen Jahres sind die führenden Hersteller (OEM) bei 52 überwiegend jungen Tech-Firmen eingestiegen, die sich im Mobilitätssektor positionieren. Die Analyse von Oliver Wyman untersucht die Beteiligungsstrategien von zwölf Marken – darunter BMW, Daimler, Volkswagen und Audi aus Deutschland.

2016 lag die Zahl der Risikokapitalinvestitionen erst bei 41. Schon das bedeutete einen Zuwachs von fast 150 Prozent gegenüber 2015. Mit zusammen gut 70 Prozent bilden Mobilitätsdienstleistungen (32 %), Green Vehicles (22 %) – dazu zählen beispielsweise Fahrzeuge mit Elektro- oder Brennstoffzellenantrieb – sowie vernetzte und autonome Fahrzeuge (16 %) den Schwerpunkt. „Die Hersteller haben erkannt, dass sie ihren Einsatz auf diesen Zukunftsfeldern erhöhen müssen und sie handeln zunehmend“, sagt Andreas Nienhaus, Principal bei Oliver Wyman.

Viele wissen noch nicht, wo die Reise hingeht

Allerdings fehlt den Beteiligungsstrategien vieler Autobauer eine klare Ausrichtung: „Man sieht aktuell, dass viele Hersteller noch unsicher sind, wo die Reise hingeht. Budgets werden häufig nach dem Gießkannenprinzip verteilt“, sagt Matthias Bentenrieder, Partner bei Oliver Wyman. „OEMs müssen stärker die für sie wichtigen Technologien ermitteln und gezielter tätig werden.“ Das gelte vor allem, weil die Zielunternehmen reifer und damit teurer werden. „In der aktuellen Breite werden sich die Investitionen nicht dauerhaft aufrechterhalten lassen.“ Erste Hersteller haben das erkannt: Daimler beispielsweise investiert massiv in den Bereich Mobility Services, während GM den Einstieg bei Techniklieferanten für nachhaltige Fahrzeuge in den Mittelpunkt gerückt hat. „Günstig kann es zudem sein, sehr junge Firmen in eigenen Inkubatoren zu unterstützen“, sagt Bentenrieder.

Deutsche Premiumhersteller mit der höchsten Aktivität

Im langfristigen Ranking liegen zwei deutsche Unternehmen weit vorne: Mit 37 Beteiligungen führt BMW die Rangliste knapp an – vor Daimler mit 36 und GM mit 35 Investitionen. Volvo (27), Ford (24) und Toyota (18) finden sich im Mittelfeld. Volkswagen (12), Honda (9) und Audi (8) liegen nur knapp vor den französischen Herstellern Renault und PSA, die mit je sieben bzw. sechs Beteiligungen in diesem Zeitraum das Schlusslicht bilden.

„Das Bild könnte sich aber rasch ändern“, sagt Automobilexperte Nienhaus. „Einige Hersteller holen gerade stark auf.“ So haben Toyota und PSA eigene Beteiligungsfonds aufgesetzt – nach dem Vorbild des Pioniers BMW, der bereits 2011 seinen Fonds „i Ventures“ ins Leben gerufen hat. Mit einem bereitgestellten Kapital von 500 Millionen Euro liegen die Münchener hier weit vorne. „Zunehmend sind die OEMs bemüht, technische Lücken zu schließen“, erläutert Nienhaus. Volkswagen etwa eröffnete in diesem Jahr den eigenen Inkubator „IDEATION:HUB“ – nach dem Vorbild von Daimler und BMW, die schon länger eigene Einheiten für die Förderung von Start-ups unterhalten.

Bentenrieder sieht die Nachzügler nicht unbedingt in einer schwächeren Position: „OEMs, die frühzeitig begonnen haben, in verschiedene Bereiche zu investieren, besitzen aufgrund der hohen Breite des Beteiligungsportfolios zwar einen Vorteil. Wer aber abwartet, kann den Markt beobachten und sich dann fokussiert auf einzelne Partnerschaften festlegen.“ So habe Toyota jüngst einen Fonds mit 100 Millionen US-Dollar ausgestattet, der ausschließlich im Bereich der künstlichen Intelligenz investiert. „Künstliche Intelligenz ist eine übergeordnete Schlüsseltechnologie. Sie hilft einerseits im Fahrzeug etwa bei der Auswertung von Straßenschildern, genauso aber auch bei der Steuerung des Angebots von Mobilitätsdienstleistungen“, sagt Bentenrieder.

Neue Herausforderer für die OEMs

Nicht nur zwischen den klassischen OEMs verschärft sich die Konkurrenz. „Neue Player wie Uber und DiDi Chuxing drängen in den Markt und fordern die etablierten Hersteller heraus“, sagt Nienhaus. „Auch sie beteiligen sich verstärkt an Start-ups und haben inzwischen je 21 Investitionen abgeschlossen“. Zudem positionieren sich Unternehmen wie die japanische Softbank Group. Der Telekommunikations- und Medienkonzern hat jüngst 5,5 Milliarden US-Dollar in den chinesischen Fahrdienstvermittler DiDi Chuxing investiert und bereitet Medienberichten zufolge zudem eine Investition in Höhe von zehn Milliarden US-Dollar in den DiDi-Konkurrent Uber vor. Neben weiteren Beteiligungen bei Mobilitätsdiensten wie OLA und Grab strebt Softbank auch mit mehreren Investitionen in den Bereich autonomes Fahren.

„Da die OEMs ein natürliches Interesse an diesen Technologien haben, müssen sie Unternehmen wie Softbank als ernstzunehmende Konkurrenten betrachten“, sagt Nienhaus. „Zumal sie häufig über eine enorme Finanzkraft verfügen.“ Viele neue Konkurrenten seien in der Lage, mit großen Investitionen ganze Industriezweige umzuwälzen: „Um die neuen Wettbewerber aus der Technologie-Szene auf Distanz zu halten, müssen OEMs zunächst zweigleisig fahren. Neben den Investitionen in Start-ups ist es nötig, weiter auf Inkubatoren zu setzen“, so Nienhaus.

Methodik: Für die Analyse wurden die CVC-Investitionen der Automobilbauer BMW, Daimler, VW, Audi, PSA Group, Jaguar, Volvo, GM, Ford bis Anfang September 2017 nach Anzahl und Investitionsfokus ausgewertet. Für die weiteren genannten Unternehmen fand eine Auswertung nach Anzahl der Investitionen statt. Dabei wurden lediglich öffentlich kommunizierte Deals berücksichtigt.

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