Home / News / Digitalisierung in der Agrarwirtschaft: Innovationen und Trends auf der Agritechnica 2017

Digitalisierung in der Agrarwirtschaft: Innovationen und Trends auf der Agritechnica 2017

Foto: Agritechnica/Swen Pförtner/swenpfoertner.com

Analog zur Industrie 4.0 gewinnen auch die Digitalisierung und Vernetzung der Wertschöpfungskette in der Landwirtschaft zunehmende Bedeutung. Cloud Computing und Big Data sind feste Begriffe geworden. Auf der Agritechnica in Hannover präsentieren noch bis zum 18. November 2017 unter dem Leitmotiv „Green Future – Smart Technology“ vielfältige Lösungen rund um den modernen Pflanzenbau.

„Das Bessere ist des guten Feind, viele Landmaschinenhersteller handeln nach diesem Leitsatz und beweisen erneut ihre Innovationskraft mit über 320 Neuheitenanmeldungen im Medaillenwettbewerb zur Agritechnica 2017″, sagt Prof. Dr. Till Meinel vom Institut für Bau- und Landmaschinentechnik an der TH Köln und Vorsitzender der Agritechnica-Neuheitenkommission.

Neues entstehe auch in dieses Branche nicht zufällig: Ein kreatives Umfeld in den Firmen sei für die Entwickler ebenso notwendig wie das Wissen um die aktuellen Bedürfnisse der Kunden, der Landwirte. Landtechniker müssen Möglichkeiten und Freiräume bekommen, um ihre kreativen Ideen mit viel Erfahrung aus der landwirtschaftlichen Praxis und im ständigen Austausch mit Landwirten und Wissenschaftlern entwickeln zu können.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist wichtig

Prof. Dr. Till Meinel. Foto: Felix Holland

Immer wichtiger werde die echte interdisziplinäre Zusammenarbeit in den Entwicklungsteams, zum Beispiel von Maschinenbauern, Physikern, Hard- und Softwarespezialisten. Grundlage dieser „echten“ Zusammenarbeit sei, dass sich alle am Projekt Beteiligten gegenseitig respektieren, dass sie trotz ihrer persönlichen Spezialisierung im jeweiligen Fachgebiet die Überlegungen der anderen Teammitglieder verstehen und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. „An dieser Stelle wird die Innovationskultur in den einzelnen Unternehmen sichtbar, die Förderung durch das Management und eine Innovationsstrategie. Denn die Schaffung neuer Lösungen erfordert in den allermeisten Fällen jahrelange Arbeit und erhebliche Investitionen ohne kalkulierbare Rendite“, sagt Meinel.

Landmaschine nutzt Schwarmtechnologie

Einige der vorgestellten Neuheiten weisen für Meinel in die Zukunft und ermöglichen Anwendungen, „die sich viele Landwirte heute noch gar nicht vorstellen können“. Dies gelte beispielsweise für die Robotereinheiten und die cloud-basierte Systemsteuerung „Xaver“von AGCO-Fendt.  Die erste kommerziell verfügbare Landmaschine auf Basis von Schwarmtechnologie wurde im Forschungsprojekt MARS (Mobile Agricultural Robot Swarms) zusammen mit der Hochschule Ulm und der EU Forschungsförderung entwickelt. Xaver umfasst kleine, etwa 40 kg leichte autonome Maschinen, die durch einen Maschinenführer auf dem Acker „ausgesetzt“ werden und die Mais-Aussaat erledigen. Der Maschinenführer transportiert sie mit einem Sammeltransport auf das Feld und ist anschließend nur noch für Befüllung und Überwachung zuständig.

„Die Mitglieder der DLG-Neuheitenkommission diskutierten über diese Innovation sehr ausführlich und kontrovers: Schwer wogen die Fragezeichen der Praktiker gegen die Begeisterung der Ingenieure. Wir dürfen gespannt sein, wie sich dieses System am Markt behaupten wird“, so Meinel.

Sensorbalken schützt Wildtiere

Sensosafe. Foto: Pöttinger

Sieben Jahre Detailarbeit stecken in Sensosafe, dem direkt am Mähwerk installierten Sensorbalken zum Schutz versteckter Wildtiere, vorgestellt von Pöttinger. Optische Infrarotsensoren mit integrierter LED-Beleuchtung erkennen die Tiere während des Mähens und senden ein Signal an die Mähwerkshydraulik, die das Mähwerk automatisch aushebt und auf diese Weise die Tiere rettet. Das System unterscheidet selbst bei vollem Tageslicht und hoher Sonneneinstrahlung Wildtiere von anderen Hindernissen, wie z. B. Maulwurfshügeln. Wenn dieses System wie vom Hersteller angegeben in der Praxis funktioniere, wäre dies ein Meilenstein im aktiven Tierschutz, da alle bisher verwendeten Techniken nicht immer zufriedenstellend arbeiten. Dieses Projekt zeige sehr deutlich, wie ernst die Landmaschinenhersteller ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft nehmen.

Ein weiteres Beispiel für den verantwortungsvollen Umgang mit gesellschaftlichen Anforderungen an die Nutzer von Landmaschinen kommt von Claas: Das „Telematics Large Vehicle Alert System“, das zusammen mit BMW entwickelt wurde,  informiert die Fahrer vernetzter Automobile proaktiv über Position und Status von landwirtschaftlichen Maschinen auf ihrer Route. Die spannende Frage lautet: Wie reagieren die Automobilhersteller auf dieses Angebot?

Das Large Vehicle Alert System warnt Fahrer vernetzter Automobile vor landwirtschaftlichen Fahrzeugen. Foto: Claas

Prozessoptimierung rund um die Wertschöpfungskette

Die große Breite der Neuentwicklungen werde beim Blick auf die Liste der Medaillengewinner deutlich. Dabei setzen sich die wichtigsten Trends der Landtechnikentwicklung der vergangenen Jahre auch 2017 weiter fort: Allen voran die Weiterentwicklung elektronischer Systeme zur Optimierung der Maschineneinstellung, Verbesserung der Präzision, Prozessautomatisierung, Erhöhung der Sicherheit und Entlastung der Bediener. Mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wird Cemos Auto–Threshing von Claas, ein vollautomatisches Optimierungssystem für Tangential-Mähdrescher.

Breiten Raum nehme die effiziente Erfassung, Speicherung und Auswertung von Daten entlang der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette ein. Der richtige Umgang mit diesen Themen sei für die meisten Landwirte neu und mit vielen Unbekannten verbunden.

Besonders sensibel für europäische Landwirte sei die Kundenbindung an einen großen Hersteller durch die Nutzung seines proprietären Datenmanagementsystems. Eine Alternative für kleine und mittelständische Betriebe biete das mit einer Silbermedaille ausgezeichnete „agrirouter“-System, eine Gemeinschaftsentwicklung mehrerer Hersteller unter Leitung der DKE-data GmbH.

Die Datendrehscheibe agrirouter. Quelle: DKE Data GmbH

Die Entwicklung spezifischer Sensoren für Landmaschinen sei nach wie vor ein Trend und ergänze den Katalog der Neuheiten. Erstmals stellt ein Konsortium um die Firma Pöttinger ein System vor, das das Bearbeitungsergebnis während der Bodenbearbeitung misst und die Bearbeitungsintensität aktiv regelt. Meinel bezeichnet dies als mutigen Schritt, „gehört doch die Bodenbearbeitung zu den komplexesten Bereichen der landwirtschaftlichen Verfahrenstechnik“.

Share

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*