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Digitale Transformation: Innovationsdruck verlangt Rechtsabteilungen Mut und Weitblick ab

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257 Milliarden Euro Exportüberschuss haben deutsche Unternehmen allein im Jahr 2016 erzielt. Doch der Erfolg hat seinen Preis: Damit Deutschland auch künftig eine führende Rolle auf den Weltmärkten spielt, muss die Wirtschaft immer mehr Geld in die Entwicklungsabteilungen stecken. Bis 2019 steigen die Innovationsausgaben deutscher Unternehmen Schätzungen zufolge auf 175 Milliarden Euro jährlich an. Und die Rechtsabteilungen werden viel früher und intensiver in Innovationsprozesse eingebunden.

Industrie 4.0, Big Data oder Internet der Dinge: Wie bahnbrechend die Digitalisierung voranschreitet, lässt sich auch am Wert von Daten in der EU ablesen. Waren es im Jahr 2016 noch rund 300 Milliarden Euro, so wird er nach einer Studie der EU-Kommission bis 2020 auf 739 Milliarden Euro steigen.

Innovationsmanagement ist das Zukunftsthema

„Angesichts dieser Rahmenbedingungen erwarten mehr als 80 Prozent der Leiter der Rechtsabteilungen, dass der Bedarf an Mitarbeitern mit dem Schwerpunkt Innovationsmanagement in den nächsten fünf Jahren zunehmen wird“, kommentiert  Götz Kaßmann, Präsident des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen e.V. (BUJ) die Ergebnisse der Studie „Legal Management of Innovation“, die zusammen mit der Wirtschaftskanzlei CMS durchgeführt wurde.

Der Analyse zufolge planen bislang allerdings nur 15 Prozent der befragten Unternehmen, den Etat der Rechtsabteilungen zugunsten des Innovationsmanagements zu erhöhen. Die überwiegende Mehrheit hoffe, die Rechtsabteilungen so optimieren zu können, dass kein personeller Mehrbedarf anfällt. Fast 60 Prozent der Unternehmen zieht zudem in Erwägung, verstärkt externe Anwälte oder Kanzleien zu beauftragen.

Unternehmen müssen neue Geschäftsfelder erobern

„Die Befragungen haben außerdem gezeigt, dass die Rechtsabteilungen durch stärkere Spezialisierung und Standardisierung von Prozessen mittels Legal Tech wesentlich zum Innovationserfolg beitragen können“, sagt CMS-Partner und Co-Autor der Studie Dr. Jörg Zätzsch. Proaktives und lösungsorientiertes Engagement und schnelle Reaktionszeiten gelten dabei als Schlüssel zum Erfolg. Ob durch die frühzeitige Entwicklung von Musterverträgen, die erfolgreiche Begleitung von Schnellboot-Projekten oder die Entwicklung bereichsübergreifender Prozesse zur Effizienzsteigerung – an Möglichkeiten, als Rechtsabteilung durch Innovationen positiv wahrgenommen zu werden, fehle es nicht.

Die Unternehmen verlassen sich hierzulande im Innovationsprozess immer noch mehrheitlich auf klassische Strategien. So setzen 93 Prozent nach wie vor auf die Weiterentwicklung bestehender und 91 Prozent auf die Einführung neuer Produkte. 78 Prozent wollen allerdings parallel auch neue Geschäftsfelder erobern und 71 Prozent nehmen sogar die Einführung ganz neuer Geschäftsmodelle in Angriff.

Erfreulich: Fast 30 Prozent zeigen sich auch offen für alternative Ansätze wie die Unterstützung von Start-ups mittels Inkubatoren- und Accelerator-Programmen sowie das Instrument Open Innovation, also beispielsweise die Erarbeitung neuer Lösungen durch das Zusammenspiel zwischen internen Entwicklern und Forschern und externen Nutzern.

Innovationen werden arbeitsteilig gewonnen

Immer mehr Unternehmen gehen beim Wettbewerb um die besten Produktideen auch unkonventionelle Wege. 65 Prozent kooperieren mit anderen Unternehmen. Außerdem beteiligen sie sich an vielversprechenden Start-up-Unternehmen und Joint-Ventures, gründen selbst Wagniskapitalgesellschaften oder kaufen Unternehmen mit dem Ziel, deren Mitarbeiter in die eigenen Einheiten zu integrieren (Acquihiring). Kurzum: Innovationen werden heute arbeitsteilig gewonnen, wobei die Akteure dabei unterschiedliche kurz- und langfristige Ziele verfolgen.

Rechtsabteilungen betreten juristisches Neuland

Spezielle gesetzliche Regelungen zum Dateneigentum in der digitalen Wirtschaft existieren bislang nicht. Umso mehr seien die Unternehmen gefordert, organisatorische und technische Schutzmaßnahmen zu ergreifen und im Umgang sowohl mit den eigenen Mitarbeitern als auch Kooperations- und Geschäftspartnern vertragliche Regelungen zu treffen, um ihr Know-how zu schützen und den Abfluss von Daten zu verhindern. Außerdem müssen die Rechtsabteilungen sicherstellen, dass die einzelnen Produkte trotz verkürzter Innovationszyklen stets mit den Compliance-Richtlinien in Einklang stehen.

So innovationsfreudig sich die Rechtsabteilungen auch positionieren, ein Risiko müssen sie laut BuJ dabei in Kauf nehmen: Weil der Gesetzgeber bei zahlreichen neuen Geschäftsfeldern vom Streaming über Mobile Payment bis hin zu autonomem Fahren hinterherhinke, falle den Rechtsabteilungen die schwierige Aufgabe zu, das Recht von der analogen Welt auf die digitale Welt zu übertragen. Diese Aufgabe verlange den Inhouse-Juristen viel Mut ab. Denn niemand könne heute verbindlich vorhersagen, wann Manager für Innovationen persönlich haften, wenn etwas schief geht.

Regulatorische Fragestellungen nehmen zu

In neue und zunehmend komplexe Rechtsmaterien müssen sich die Unternehmensjuristen auch zeitnah einarbeiten, wenn es darum geht, die Innovationen mit staatlichen Auflagen und Regularien in Einklang zu bringen. 93 Prozent sehen sich laut der aktuellen Innovationsstudie durch Innovationsprozesse mit einer insgesamt höheren rechtlichen Komplexität konfrontiert. 89 Prozent stufen dabei insbesondere die rechtliche Bewertung von bisher unbekannten Themen und Geschäftsmodellen und die damit verbundene Beratung als besondere Herausforderung ein. 76 Prozent rechnen damit, dass sie sich zukünftig stärker mit regulatorischen Fragestellungen beschäftigen müssen. Und 68 Prozent erwarten eine intensivere Befassung mit internationalen Rechtsthemen.

Diese neuen Herausforderungen bedeuten zugleich, dass sich der Arbeitsalltag und die Arbeitsweise der Rechtsabteilungen verändern und neu ausrichten werden. 45 Prozent halten daher die Stärkung der Risikobereitschaft bei der Beantwortung rechtlicher Fragen für wichtig. Ebenso halten knapp 42 Prozent die Fähigkeit, juristische Hintergründe besser zu erklären, und die Entwicklung eines vertieften Verständnisses für neue und bisher unbekannte Geschäftsmodelle bei Unternehmensjuristen für ausbaufähige Erfolgsfaktoren.

Auch in zeitlicher Hinsicht steige der Druck auf die Rechtsabteilungen: Von ihnen wird erwartet, dass sie just in time liefern. „Damit das gelingt, müssen sie im Vorfeld die auf das Unternehmen zukommenden Rechtsfragen so weit wie möglich antizipieren und auf neue Managemententscheidungen gut vorbereitet sein“, so CMS-Partner und Co-Autor der Studie Stefan-Ulrich Müller.

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