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Mythos und Realität von Blockchain: Die eine Lösung gibt es nicht

Das Thema Blockchain gewinnt weiter an Bedeutung, muss sich nun aber zunehmend kritischen Fragen aussetzen, da der reine Hype am abklingen ist und erste Erfahrungen Grenzen und Probleme aufzeigen. Denn das Thema hat deutlich an Komplexität zugenommen. Das liegt daran, dass es nicht „die eine Blockchain“ gibt, sondern vielfältige Umsetzungen, die sich mehr oder weniger weit von der ursprünglichen Bitcoin-Blockchain entfernt haben. Dazu haben verschiedene Faktoren beigetragen, die im folgenden Analyst View von Crisp Research vertieft werden.

Die Versprechen

Im Kern beschreibt die Blockchain-Technologie ein verteiltes System, das die Speicherung von Transaktionen ermöglicht, die nachträglich nicht mehr geändert werden können. Diese Transaktionen können Währungen und Assets abbilden, so dass die Blockchain zu einer verteilten peer-to-peer-Datenbank für das Speichern von Werten wird. Die herausragende Innovation von Satoshi Nakamoto (dessen Identität bis heute ungeklärt ist), war dabei, dass für die Blockchain dabei ein Konsens über den Inhalt dieser Datenbank generiert wird, der nicht voraussetzt, dass sich die Akteure kennen oder vertrauen müssen – ein bis dahin in der Theorie der verteilten Systeme ungelöstes Problem, das die Entstehung von digitalen Währungen ohne Intermediäre verhinderte.

Auf Basis dieser Technologie wurde zudem die Möglichkeit geschaffen, nicht nur Währungen und Wertgegenstände zu speichern, sondern auch Programme auszuführen – die als Smart Contracts bezeichnet werden.

Dieser Technologie wurde schnell das Potenzial zugeschrieben, für alles eine Lösung zu sein, beispielsweise von Goldman Sachs: “The Blockchain can change … well everything.” Dabei wird insbesondere suggeriert, dass es die Blockchain gibt, die mit hohen Transaktionsgeschwindigkeiten den Zahlungsverkehr revolutionieren wird und die Kommunikation von Milliarden von IoT-Geräten ermöglicht, sowie mit geringen Transaktionskosten Micropayments und Kosteneinsparungen für verschiedenste Einsatzszenarien ermöglicht.

Die Erfahrungen

Die inzwischen gesammelten Erfahrungen haben gezeigt, dass die ursprünglichen Ansätze, wie sie beispielsweise bei Bitcoin für digitale Währungen oder Ethereum für smart contracts umgesetzt wurden, diese Versprechen nicht erfüllen.

Blockchain-Konzepte im engeren Sinne setzen nicht voraus, dass sich die Betreiber des verteilten Systems kennen oder vertrauen müssen. Die dafür von Satoshi Nakamoto gefundene Lösung des damit einhergehenden Konsensproblems durch das Proof-of-Work-Protokoll hat aber schwerwiegende Konsequenzen im Hinblick auf die Performanz und Effizienz der darauf basierenden Blockchain-Lösungen:

  • Geringe Transaktionsgeschwindigkeiten: Bitcoin kann theoretisch nur 7 bis 10 Transaktionen pro Sekunden (tps) verarbeiten und erreicht aktuell im Mittel nur etwa 4 tps. Ethereum erreicht nicht einmal 2 tps pro Sekunde.
  • Hohe Transaktionskosten: Im Mittel liegen die Kosten pro Transaktion bei Bitcoin bei 0,6 Prozent des Transaktionsvolumen bzw. 11,66 Dollar pro Transaktion.
  • Hoher Stromverbrauch: Der Stromverbrauch für Bitcoin wird in den Medien mit dem Stromverbrauch kleiner Länder wie Irland oder Dänemark verglichen. Gemäß eigenen Schätzungen würde der Verbrauch mit der aktuell verfügbaren effizientesten Hardware mit 4,3 TWh pro Jahr bei etwa 18 Prozent des Stromverbrauchs von Irland liegen.

Zudem hat der Angriff auf “The DAO”, einer auf der Ethereum-Blockchain und Smart Contracts basierenden, verteilten, autonomen Organisation deutlich gemacht, dass bei der Umsetzung solcher Konstrukte absolut keine Fehler gemacht werden dürfen.

Die Perspektiven

Der Hype rund um das Thema Blockchain hat in allen Bereichen – von Start-ups über Großunternehmen bis hin zu Regierungen und anderen Organisationen – die Auseinandersetzung mit möglichen Anwendungen angestoßen. Die Erfahrungen, insbesondere mit den etabliertesten Blockchain-Technologien und deren Limitationen und Defizite, haben die Suche nach anderen Lösungen für die Umsetzung spezifischer Anwendungsfälle ausgelöst. Dabei ist zu beachten, dass sich bestehende Blockchain-Lösungen technologisch und organisatorisch nicht wie klassische Softwareprodukte einfach im Zuge eines Updates verbessern lassen.

Ergebnis ist daher eine zunehmende Vielfalt an alternativen Varianten von Blockchain-Lösungen:

  • Geplante Verbesserungen bestehender Blockchains, wie Raiden und Ligthning, die die Erhöhung der Transaktionsgeschwindigkeit versprechen.
  • Wechsel des Konsensverfahrens, weg vom ressourcenintensiven Proof-of-Work, hin zum Proof-of-Stake, wie von Ethereum für das nächste Release mit dem Namen Serenity geplant.
  • Alternative Konzepte, bei denen die Betreiber des Blockchain-Netzwerks bekannt und vertrauenswürdig sind. Diese haben zwar wenig mit der Innovation zu tun, die die Blockchain-Technologie ausmachen, sind aber die Basis für neue Geschäftsmodelle, insbesondere in etablierten Bereichen der Wirtschaft.

Im Hinblick auf die Umsetzung wird die selbst zu betreibende Open-Source-Software von Startups inzwischen von etablierten Cloud-Anbietern wie IBM oder Microsoft als Blockchain-as-a-Service angeboten.

Was bedeutet das für die Entscheider?

Einerseits haben die Erfahrungen zu einem klareren und nüchternen Blick auf die Blockchaintechnologie geführt und neue Umsetzungen des Blockchain-Konzepts adressieren viele der erkannten Defizite und ermöglichen so die Umsetzung von vielfältigen Use-Cases. Andererseits stellt die resultierende Vielfalt an zum Teil völlig unterschiedlichen Blockchain-Technologien, insbesondere die Unternehmen, vor große Herausforderungen, die erst jetzt beginnen, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Diese Unternehmen müssen sich die Frage stellen, welche Use-Cases überhaupt mit welcher Blockchain-Technologie umgesetzt werden können.

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