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Automobilvertrieb 2025: Digitalisierung entscheidet, wer das Rennen um die Autokäufer macht

Für den Automobilvertrieb brechen neue Zeiten an: Fahrzeughersteller beraten Käufer individueller und stärker internetgestützt. In Kombination mit einem gestrafften Händlernetz können sie Digitalangreifern im Kampf um die Kundschaft effektiv begegnen. Die Oliver Wyman-Analyse „Automobilvertrieb 2025“ zeigt, wie wichtig ein Umdenken ist: Mit kundenbezogenen Strukturen und mehr Datenverständnis könnten die Automarken ein Drittel ihrer Vertriebskosten einsparen. Derzeit verschenkt die Branche jährlich Hunderte Millionen Euro durch unnötige Rabattschlachten und Intrabrand-Wettbewerb.

Der Autokauf im Jahr 2018 gleicht einem Streifzug über einen bunten Basar. Die Hersteller liefern sich Rabattschlachten. Selbst innerhalb der einzelnen Marken tobt der Preiskampf. Wer von Autohaus zu Autohaus geht und pokert, bekommt den besten Preis. „Am Ende macht zu oft der Händler mit der größten Verzweiflung den Deal“, sagt August Joas, Partner bei der Strategieberatung Oliver Wyman. Er zieht die Parallele zur Unterhaltungselektronik: „Versuchen Sie das mal beim iPhone. Sie werden es nicht billiger bekommen.“ Dem Automobilexperten zufolge fehlen im Autosektor beim Verkauf oft die Preis- und Kostendisziplin, deshalb würden die Hersteller im Jahr Hunderte Millionen Euro verlieren.

Die gute Nachricht: Die Digitalisierung biete Automobilherstellern jetzt die Chance, sich in Richtung Kundschaft neu zu sortieren und im Schulterschluss mit dem Autohandel eine höhere Effizienz zu erlangen. „Heute sind im Verkaufspreis eines Autos 30 Prozent Vertriebskosten enthalten. Ein Drittel davon lässt sich einsparen“, sagt Joas.

Etliche Autohersteller setzen ihre Verträge mit ihren Händlern bereits neu auf – und stärken digitale Verkaufskanäle. „Eine bessere Customer Journey ist überfällig, denn Digital-Spezialisten wie Amazon oder Google sind bereit, mit ihrer starken Endkundenbindung in den Automarkt einzudringen – und sei es mit Abomodellen oder Tagesmieten“, so Joas. „Das analoge, prozessintensive Vertriebssystem in drei Stufen – Hersteller, Landesgesellschaft, Händler – ist nicht mehr zeitgemäß.“

Neue verteilte Rollen

Sparpotenzial im Handel und besserer Kundenservice seien kein Widerspruch, ist Joas überzeugt. In der Analyse „Automobilvertrieb 2025“ werden die wichtigsten Stellschrauben für den nötigen Umbau benannt. Ein Konzentrationsprozess im Händlernetz sei unausweichlich – er fördere wettbewerbsfähigere Betriebe sowie Mengenvorteile und trage auch beim IT-Einsatz zu einer Professionalisierung bei. „Die erforderliche Konsolidierung wird durch die Digitalisierung nochmals beschleunigt“, sagt Joas. Zeitgleich sollten Hersteller ihre eigenen digitalen Vertriebskanäle verbessern und klug mit den analogen Möglichkeiten eines Autohauses verzahnen – etwa bei Probefahrten und der Fahrzeugübergabe. „Es kommt zu einer veränderten Rollenverteilung zwischen Marken und Händlern, weil bestimmte Schritte im Verkaufsprozess digitalisiert und automatisiert werden“, sagt Joas.

Sparen lasse sich an zwei Stellen: Erstens verbleibe durch digitalen Direktvertrieb weniger Wertschöpfung beim Händler, damit sinken dessen Kosten. Zweitens lassen sich mit besserer Kundenkenntnis viele Absatzfördermaßnahmen optimieren oder ersatzlos streichen. „Da werden heute Hunderte Millionen mit der Gießkanne verteilt“, kritisiert Joas. „Aktionen wie Null-Prozent-Finanzierungen, Abverkaufspakete und verbilligte Sondermodelle schlagen beim Hersteller teuer auf – und keiner weiß wirklich, was es bringt.“

Bessere Kundenkenntnis

Im Online-Vertrieb lasse sich ineffiziente Verkaufsförderung reduzieren. „Mit Datendurchblick kann ich auswerten, wie der Kunde tickt, welches Budget und welche Loyalität er mitbringt und wieviel Anreize ich ihm also tatsächlich geben muss, damit das Fahrzeug vom Hof geht“, sagt Joas. Zwingend erforderlich sei dafür ein Miteinander zwischen Händlern und Herstellern, auch was die Kundendaten angeht: „Es kann nicht mehr sein, dass es zwei Datentöpfe gibt und Händler und Hersteller ihr Wissen über den Endkunden misstrauisch gegeneinander abschirmen.“

Die Marktmacht verschiebe sich rasch – und beflügele Angreifer: Der Analyse zufolge werden heute noch 70 Prozent der Autokäufe über traditionelle Händler abgewickelt. 2025 werden es nur noch 50 Prozent sein – sei es in stationären Autohäusern oder in deren Onlineshops. Die Verschiebung finde zugunsten der Plattformen statt – neu auf den Plan treten klassische Digitalkonzerne wie Amazon oder Intermediäre wie der Autoverleiher Sixt.

„Das ist sehr ernstzunehmende Konkurrenz, denn auch Digitalisten können etwa mit Test-Drive-Centern schnell auf die analoge Ebene wechseln“, sagt Joas. Er erwartet, dass der Anteil von heute zehn Prozent auf 40 Prozent in 2025 steigt. Die übrigen zehn Prozent liegen weiter im klassischen Direktgeschäft der Autobauer. „Der Hersteller kann zwei wichtige Themen korrigieren: undifferenzierte Rabatte sowie die schädliche Intrabrand-Konkurrenz, bei der sich Autohäuser derselben Marke unterbieten“, sagt Joas.

Schlacht der Plattformen

Die Verschiebung hin zum digitalen Vertrieb gehe einher mit der Kernfrage: Wer hält bei der Mobilität der Zukunft die Fäden in der Hand? Der Autobauer als Anbieter begehrenswerter Hardware oder der Software-Konzern, dem die smarte Vernetzung diverser Verkehrsträger gelingt? „Die eigentliche Schlacht wird zwischen den Plattformen stattfinden. Ob die Automobilhersteller oder die Digitalisten den Kunden gewinnen, steht noch aus. Entscheidend ist, wer die Schnittstelle zum Kunden besser besetzt“, sagt Joas.

Joas sieht die Autohersteller in einer aussichtsreichen Position. Dennoch gelte es jetzt, den Einstieg für Amazon, Alibaba & Co. zu erschweren. Denn seien kleine Transaktionen wie Carsharing oder Kurzzeit-Miete erst einmal in der Hand der Digitalisten, könnte auch bald der Kauf folgen. „Wenn sich das Kundenerlebnis cleverer Mobilität auf das Smartphone verlagert, besteht die Sorge, dass die Automobilmarke auf die Rolle des bloßen Lieferanten der ‚Hardware‘ zurückgedrängt wird.“

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