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Digitale Verwaltung: Rechtliche Vorgaben bremsen Einsatz von KI

Die öffentliche Verwaltung in Deutschland tut sich in der Breite schwer mit neuen Technologien wie Künstlicher Intelligenz. Aus Sicht von 60 Prozent der Entscheider bremsen die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen eine stärkere Nutzung. Nur drei von 100 Behördenmanagern halten zudem die eigene Organisation ausreichend vorbereitet. Dazu gibt es Zweifel an der technischen Reife.

Künstliche Intelligenz und Automatisierungstechnologien sind kein Neuland für die öffentliche Verwaltung in Deutschland. Die Technologie hilft der Steuerfahndung und errechnet den optimalen Zuschnitt für die Schulbezirke einer Gemeinde. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) nutzt KI-Anwendungen zur Qualitätssicherung in Code-Zeilen, und bei Grenzkontrollen hilft die Technologie künftig beim schnellen Abgleich biometrischer Daten.

Behördenmanager in Deutschland würden gerne stärker auf die neuen Technologien zurückgreifen. 81 Prozent der für den Branchenkompass Public Sector 2020 von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut befragten Entscheider können sich vorstellen, künftig mithilfe von Algorithmen Fehler und Anomalien in Anträgen automatisiert zu erkennen und damit Doppelarbeiten und Betrugsversuche zu verhindern.

Vielfältiges KI-Einsatzspektrum

Zwei Drittel der Behörden wollen Text- und Sprachdokumente verstärkt durch KI-Lösungen auswerten und weiterverarbeiten sowie Informations- und Auskunftsdienste verbessern. Denkbar ist, dass Machine-Learning-Lösungen die Bearbeitung elektronischer Rechnungen (E-Rechnungen) unterstützen. Derzeit sind trotz E-Rechnung einige manuelle Arbeitsschritte nötig, die sich mithilfe neuer Technologien automatisieren lassen.

Die öffentliche Verwaltung sieht sich in der konkreten Umsetzung allerdings gebremst durch gesetzliche Vorgaben. Jeder zweite Behördenentscheider (53 %) nennt die hohen Standards beim Datenschutz und in der Datensicherheit als Hindernis. Entsprechende Vorgaben verhindern beispielsweise, dass Daten in der behördlichen Praxis zusammengeführt und miteinander verknüpft werden. Für den effektiven KI-Einsatz wäre dies jedoch erforderlich.

Die herrschenden Standards sollen eigentlich für Klarheit sorgen und Orientierung bieten. „Die hohen aktuellen Datenschutzregelungen, aber auch der angestrebte ‚Code of Conduct‘ zur datenschutzkonformen Nutzung von Gesundheitsdaten sind eine Chance, weil sie für alle gelten. Für Bundes- und Landesbehörden, Ministerien sowie für Städte und Gemeinden geht es darum, sich innerhalb dieses Rahmens frei zu bewegen“, sagt Ronald de Jonge, Leiter Management Consulting im Geschäftsbereich Public Sector von Sopra Steria.

Innovationsmanagement ist ausbaufähig

Dazu gehört, Innovationen stärker aus Eigenantrieb voranzubringen. 94 Prozent der Behörden suchen den Dialog mit anderen Verwaltungen, um Innovationen voranzutreiben. 92 Prozent werden aktiv, wenn der Gesetzgeber neue Vorgaben macht. Deutlich weniger Behörden gehen neue Wege: 13 Prozent suchen beispielsweise die Zusammenarbeit mit Start-ups, 27 Prozent fördern kreatives und nutzerorientiertes Denken durch die Einführung neuer Methoden.

„Viele Verwaltungen müssen hier kulturell noch den Schalter umlegen, um das Potenzial von KI-Lösungen, aber auch anderer Technologien wie Blockchain und Cloud Computing auszuschöpfen“, so de Jonge.

Hoffnung auf KI- und Datenpolitik

Viele ManagerInnen in den Behörden werden auf das Programm zur Ratspräsidentschaft der Bundesregierung setzen. Die formulierten Ziele zur Nutzung Künstlicher Intelligenz, die Idee für europäische Datenräume und rechtliche Voraussetzungen für sichere Ablagemöglichkeiten von Daten auf dem Smartphone könnten neue Impulse bringen.

„Es ist darüber hinaus wichtig, dass sich die Verwaltungen dieses Themas selbst annehmen“, sagt de Jonge. Dazu gehört, dass Behörden beispielsweise organisatorisch getrennte Datensilos, uneinheitliche Datenstrukturen oder -formate, wo sie können, aufbrechen. „Zudem eignen sich verstärkte Investitionen in Anonymisierungsverfahren, um Bedenken in der Bevölkerung zu berücksichtigen, die gerade in Deutschland oft groß sind, wenn der Staat Daten in großen Mengen systematisch nutzt.“

Methodik: Von Februar bis März 2020 befragte das Marktforschungsinstitut Forschungswerk im Auftrag von F.A.Z.-Institut und Sopra Steria 100 Entscheider aus 100 deutschen Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen zum Status und zu den Herausforderungen der Digitalisierung im öffentlichen Sektor. Die Befragten sind für Digitalisierung oder E-Government in ihrer Behörde zuständig.

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