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Deutschlands Patienten fordern mehr digitale Gesundheitsangebote

In Kürze können Ärzte in Deutschland erstmals Gesundheits-Apps für das Smartphone verschreiben. Anfang 2021 folgt die Einführung der elektronischen Patientenakte, 2022 wird das E-Rezept zur Pflicht. „Nach 20 Jahren gesundheitspolitischer Lethargie kommt jetzt Schwung in digitale Gesundheitsangebote“, kommentiert Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Nach Ansicht vieler Bundesbürger geschieht dies aber nicht schnell genug.

Rund zwei Drittel (65 %) der Menschen in Deutschland sagen, es sei mehr Tempo beim Ausbau digitaler Gesundheitsangebote nötig. 60 Prozent sind der Ansicht, Deutschland liege im Vergleich zu anderen Ländern bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems zurück.

Gleichwohl hat sich gerade in den vergangenen Wochen während der Corona-Pandemie viel getan: So hat aktuell jeder Achte (13 %) bereits eine Video-Sprechstunde mit einem Arzt oder Therapeuten wahrgenommen. Damit hat sich der Wert im Vergleich zum Vorjahr (5 %) fast verdreifacht und ist vor allem innerhalb des Corona-Quartals stark angestiegen: Im Frühjahr 2020 hatten erst 8 Prozent Erfahrungen mit der Video-Sprechstunde gemacht.

Das sind die Ergebnisse zweier repräsentativer Befragungen im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Die erste wurde von Ende April bis Anfang Mai 2020 unter 1.193 Personen in Deutschland ab 16 Jahren durchgeführt, die zweite Anfang Juli 2020 unter 1.005 Personen in Deutschland ab 16 Jahren. Demnach kann sich auch von jenen, die bislang noch keine Video-Sprechstunde wahrgenommen haben, fast jeder Zweite (45 Prozent) vorstellen, künftig auch online zum Arzt zu gehen.

Digitale Angebote: Andere Länder sind fortschrittlicher

„Videosprechstunden werden während der Corona-Pandemie sehr viel häufiger genutzt und die Nachfrage auf Seiten der Patienten ist so hoch wie noch nie. Patienten und medizinisches Personal werden vor Ansteckung geschützt, Fahrtwege und Wartezeiten entfallen“, sagt Rohleder. „Die Gesundheitsversorgung wurde durch die Video-Sprechstunden in den vergangenen Wochen stark verbessert. Der rasche Zuwachs zeigt, wie groß Offenheit und Bedarf in Deutschland sind. Dabei sind andere Länder beim Ausbau digitaler Gesundheitsangebote sehr viel fortschrittlicher. Wir müssen in Deutschland dringend nachziehen. Ob alternde Gesellschaft oder Ärztemangel: Ohne Digitalisierung wird unser Gesundheitssystem die kommenden Herausforderungen nicht bewältigen können.“

Die Ergebnisse der Studien im Überblick

  • Video-Sprechstunden:

    Jeder Achte (13 %) hat bereits eine Video-Sprechstunde bei einem Arzt oder Therapeuten wahrgenommen. Das trifft auf Frauen (16 %) fast doppelt so häufig zu wie auf Männer (9 %).  Und wer einmal in der Videosprechstunde war, will wieder hin: So sagen 12 Prozent, auch künftig wieder eine Video-Sprechstunde nutzen zu wollen, nur 1 Prozent will davon absehen. Wenn eine Video-Sprechstunde in Anspruch genommen wird, dann fast ausschließlich beim eigenen, bereits bekannten Arzt (97 %). Der Rest bucht einen Besuch bei einem bislang unbekannten Arzt über eine Online-Plattform. Der Online-Arztbesuch wurde von den Teilnehmern dabei grundsätzlich positiv erlebt: 87 Prozent beurteilen ihre Erfahrung gut oder sehr gut. Für viele war das Corona-Virus Ausschlag gebend, um eine Video-Sprechstunde zu nutzen: So sorgen sich 85 Prozent vor einer Infektion mit Covid-19 in der Arztpraxis. 41 Prozent haben Angst, sich im Wartezimmer mit einer anderen Krankheit anzustecken. Mehr als jeder Zweite (54 %) gibt als Grund an, möglichst schnell einen ärztlichen Rat erhalten zu wollen, weitere Gründe sind die Vermeidung von Wartezeit (38 %), Bequemlichkeit (35 %) und bei jedem Vierten (26 %): Neugier. Rohleder: „Während der Corona-Krise hat sich gezeigt, wie leicht sich bürokratische Vorgaben abbauen lassen: Ärzte und Therapeuten müssen derzeit keinen komplizierten Antrag für Video-Sprechstunden stellen, es genügt eine einfache Information an die zuständige Stelle. Das hat sich in der Praxis bewährt und wir dürfen jetzt nicht zum Vorkrisenmodus zurückkehren. Wir appellieren an den Bundesgesundheitsminister, die Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung auch gegen Widerstände weiter voranzutreiben und dafür zu sorgen, dass digitale Angebote in aller Breite verfügbar werden.“ Auch bei jenen, die bislang nur persönlich in der Praxis vorstellig wurden, herrscht eine große Offenheit für digitale Angebote: Fast jeder Zweite (45 %) kann sich vorstellen, künftig eine Video-Sprechstunde wahrzunehmen. 38 Prozent schließen dies jedoch für sich aus. In dieser Gruppe bevorzugt die Mehrheit ein persönliches Gespräch (84 %) oder hat Sorge vor einer Fehldiagnose (75 %), wenn man sich nur online trifft. Jeder fünfte unter denjenigen, die eine Video-Sprechstunde ablehnen (21 %), verfügt nicht über die notwendigen technischen Voraussetzungen bei sich.

  • Apps auf Rezept:

    Ob Diabetes-Tagesbuch, Rückenübungen für zuhause oder Augentraining – die Offenheit für Gesundheits-Apps, die der Arzt verschreibt, ist groß. Von Sommer 2020 an werden die ersten Apps dieser Art in Deutschland verfügbar sein und von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Fast 6 von 10 Befragten (59 %) können sich gut vorstellen, eine solche App zu nutzen. Selbst von den über 65-Jährigen sagt dies fast jeder Zweite (48 %). 4 von 10 Patienten (40 %) wollen ihren Arzt sogar aktiv nach einer App auf Rezept fragen und fast jeder Dritte (30 %) ist der Meinung, dass es künftig Fälle gibt, in denen Apps konventionelle Therapien ersetzen.
    Smartphone-Nutzer sind ohnehin bereits sehr versiert, wenn es um Gesundheits-, Fitness- oder Ernährungs-Apps geht: Drei Viertel (75 %) haben mindestens eine frei verfügbare App installiert, darunter vor allem Apps mit Sportübungen für zuhause (38 %), Apps, die Fitnessdaten wie Schritte oder die Herzfrequenz aufzeichnen (32 %) oder Apps mit Informationen zu Fitness-, Gesundheits- oder Ernährungsthemen (23 %). Die meisten Nutzer profitieren von diesen Apps, indem sie besser über ihren eigenen Gesundheitszustand Bescheid wissen (63 %), sich mehr bewegen (54 %) oder sich gesünder ernähren (47 %). 39 Prozent richten sogar ihr Leben nach ihren per App übermittelten Vitaldaten aus. Dabei wird die Nutzung nicht immer nur positiv erlebt: Fast jeder Fünfte (18 %) gibt an, sich von seinen Health-Apps unter Druck gesetzt zu fühlen. „Viele Menschen ziehen einen großen Nutzen aus Apps, mit denen sie ihr Bewegungspensum oder ihre Ernährungsgewohnheiten verfolgen können. Für einige kann das auch zur Belastung werden“, so Rohleder.

  • Elektronische Patientenakte:

    Die elektronische Patientenakte (ePa) kommt zum 1. Januar 2021 und wird aller Voraussicht nach auf großes Interesse stoßen: 73 Prozent würden die ePa nutzen. Besonders wichtig ist denjenigen, die sich eine Nutzung vorstellen können, das Thema Daten: So ist für 64 Prozent essenziell, dass die Datenhoheit beim Versicherten liegt und nur der Patient bestimmt, welcher Arzt welche Daten sehen darf. Fast ebenso viele (63 %) nennen insgesamt Datenschutz und Datensicherheit als wichtigste Themen. Fast jedem Dritten (31 %) ist die Bedienungsfreundlichkeit besonders wichtig, jeder Vierte (24 %) wünscht sich einen mobilen Zugang über das Smartphone. „Die elektronische Patientenakte ist das Kernstück der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Mit ihr erhalten die Versicherten einen schnellen Zugriff auf ihre medizinischen Daten, ihre Diagnosen oder ihren Impfpass. Sie werden dadurch als Patienten souveräner und mündiger“, betont Rohleder. „Problematisch ist, dass die Versicherten künftig kaum Wahlfreiheit bei der elektronischen Patientenakte genießen. Wer eine andere ePa als die seines Versicherers möchte, muss dafür die Krankenkasse wechseln. Die ePa eines privaten Anbieters zu wählen, wird nicht möglich sein. Dies ist ein tiefgreifender und aus unserer Sicht inakzeptabler Einschnitt in die Wahlfreiheit der Patienten.“

  • E-Rezept:

    Ebenfalls 2021 wird das elektronische Rezept in Deutschland eingeführt, das dann via Smartphone-App in der Apotheke nach Wahl eingelöst werden kann. Zwei Drittel (66 %) können sich die Nutzung vorstellen. Bei den 16- bis 29-Jährigen sind es 70 Prozent, 64 Prozent bei den 30- bis 49-Jährigen, 69 Prozent bei den 50- bis 64-Jährigen und 62 Prozent bei den über 65-Jährigen.

  • Künstliche Intelligenz:

    Röntgen- und CT-Bilder auswerten, Tumore identifizieren, Krebstherapien individuell anpassen: Künstliche Intelligenz verfügt in der Medizin über ein enormes Potenzial. Diese Erkenntnis teilt auch eine steigende Anzahl von Patienten: 44 Prozent sagen, sie würden sich künftig regelmäßig eine Zweitmeinung von einer Künstlichen Intelligenz einholen – 2019 waren es noch 31 Prozent. 45 Prozent meinen sogar, Ärzte sollten grundsätzlich ihre Diagnose von einer KI prüfen lassen (2019: 39 %). Insgesamt sehen viele Menschen die KI vor allem als effektive Unterstützung: 64 Prozent meinen, dass Ärzte mehr Zeit für ihre Patienten haben, wenn KI ihnen einfache Tätigkeiten abnimmt. 58 Prozent sagen, Computerprogramme mit künstlicher Intelligenz analysieren Röntgenbilder schneller als Ärzte und sollten ihnen diese Aufgabe dauerhaft abnehmen. „KI kann den Arzt von Routineaufgaben entlasten – und mithilfe von Big Data verbesserte Diagnosen liefern. KI hat einen großen Einfluss darauf, wie medizinische Behandlung in Zukunft aussehen wird. Dabei geht es nicht nur um die Diagnose, sondern auch um Forschung und Entwicklung, um Behandlung und Heilung, wovon Millionen Patienten profitieren werden“, betont Rohleder.

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