Die Innovationsfähigkeit großer Unternehmen wird immer stärker von der Zusammenarbeit mit Start-ups beeinflusst, so eine neue Studie des Dienstleistungsunternehmens Accenture in Zusammenarbeit mit der G20 Young Entrepreneurs Alliance. Laut einer Umfrage unter rund 1.000 Führungskräften von Großunternehmen aus den führenden Industriestaaten sind mehr als drei Viertel (78 Prozent) davon überzeugt, dass die Kollaboration mit Start-ups entscheidend für Innovation und Wachstum ihres Unternehmens ist. In Deutschland glauben 68 Prozent der Führungskräfte, dass sie in ihren Innovationsbemühungen auf die Zusammenarbeit mit Start-ups angewiesen sind.
Die Kooperation mit Start-ups sei zudem ein Treiber für die digitale Transformation in den Unternehmen: So sind 82 Prozent der Befragten in den Großunternehmen weltweit der Meinung, dass von der Zusammenarbeit mit Start-ups wichtige Impulse für die eigene Digitalisierung ausgehen.
In Deutschland sind drei Viertel (75 Prozent) aller Führungskräfte in großen Firmen überzeugt, dass eine solche Kooperation auch positive Auswirkungen auf den digitalen Umbau des eigenen Unternehmens hat. Die gemeinsame Innovation mit Start-ups, die oft mit Open-Innovation-Modellen umgesetzt wird, lohne sich auch aus unternehmerischer Sicht für die großen Firmen. So sind deren Führungskräfte laut Umfrage optimistisch, dass in fünf Jahren knapp ein Fünftel des gesamten Umsatzes (18 Prozent) ihres Unternehmens direkt aus der Zusammenarbeit mit Start-ups resultieren wird.
Damit die Vorteile dieses Ansatzes voll zum Tragen kommen, müssten Start-ups wie auch Großunternehmen allerdings noch einige Hürden bei der Zusammenarbeit nehmen. Nach Berechnungen von Accenture verschenkt die Wirtschaft durch fehlende oder ineffiziente Kooperation mit Start-ups bisher allein in Deutschland ein Wachstumspotenzial in Höhe von 99 Milliarden Euro bis 2020, also etwa 3,4 Prozent des aktuellen Bruttoinlandsproduktes. Weltweit sind es sogar knapp 1,4 Billionen Euro beziehungsweise 2,2 Prozent der gesamten globalen Wirtschaftsleistung.
Zusammenarbeit für Start-ups bisher enttäuschend
Um dieses Potenzial abzurufen, müssen sich die großen Firmen weiter für ‚Open Innovation‘ öffnen und lernen, auf gleicher Augenhöhe mit Start-ups zusammenzuarbeiten. In dieser Hinsicht ist die Ernüchterung bei den ebenfalls im Rahmen der Studie befragten 1.000 Start-up-Gründern weltweit groß. So glaubt knapp ein Viertel (24 Prozent) von ihnen, dass große Firmen bei der Kooperation mit Start-ups nur ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgen und das Wachstum des kleineren Partners nicht ausreichend berücksichtigen.
Weiterhin sagten drei Viertel der Gründer, die zuvor bei einem Großunternehmen angestellt waren, dass unternehmerisches Denken dort zu kurz komme und sie deshalb gekündigt hätten. Die Wahrnehmung der Führungskräfte bei den etablierten Playern ist hingegen eine ganz andere: Drei Viertel von ihnen glauben, dass der Unternehmergeist auch in den Großunternehmen verbreitet sei.
Zudem fühlen sich Start-ups bei gemeinsamen Projekten oft nicht ernst genommen und zweifeln am Erfolg der Kollaboration. So beklagt knapp jeder dritte Entrepreneur in Deutschland (30 Prozent) ein fehlendes Engagement der Großunternehmen in der gemeinsamen Zusammenarbeit.
Eine ganz andere Wahrnehmung herrscht hingegen bei den Führungskräften in großen deutschen Firmen: Nur zehn Prozent der Befragten glauben, dass sie der Kooperation mit den Gründern nicht die nötige Aufmerksamkeit schenken. Zudem bewerten die Entscheider in Großunternehmen die Ergebnisse der Zusammenarbeit wesentlich positiver als die Start-ups. So sind 71 Prozent der Befragten bei den etablierten Firmen in Deutschland überzeugt, dass die Kooperation erfolgreich verläuft. Unter den hiesigen Gründern zieht jedoch nur etwa jeder Zweite (53 Prozent) ein positives Fazit.
„Viele Firmen in Deutschland haben das große innovative Potential von Start-ups zwar erkannt, doch bei der Zusammenarbeit hakt es noch an vielen Stellen”, sagt Dr. Clemens Oertel, Geschäftsführer bei Accenture Strategy und verantwortlich für digitale Strategien. „Oft scheitert eine effektive Kooperation am fehlenden Verständnis für die Interessen der Start-ups, denn die Großunternehmen haben viel zu oft nur ihren eigenen Vorteil im Blick”, so Oertel weiter. „Daher brauchen wir ein Umdenken auf Seiten der Unternehmen hin zu einer echten Partnerschaft auf Augenhöhe. Dazu gehört die Bereitschaft, nicht nur in Start-ups zu investieren, sondern im Sinne der Open Innovation partnerschaftlich mit ihnen zusammenzuarbeiten und Ideen, Assets sowie geistiges Eigentum zu teilen und gemeinsame Geschäftsmodelle zu entwickeln. Gleichzeitig müssen die Unternehmen dafür sorgen, dass Risiken und Gewinne für beide Seiten in einem fairen Verhältnis zueinander stehen und nicht allein der Größere den Ton angibt.”
Kulturwandel in Konzernen und mehr politische Unterstützung gefragt
Die Autoren der Studie formulieren auch Handlungsempfehlungen, wie die gemeinsamen Innovationsanstrengungen von Großunternehmen und Start-ups weiter gestärkt werden können. So raten die Experten den Unternehmen unter anderem dazu, ihre Mitarbeiter von den Erfahrungen der Gründer lernen zu lassen und sie bei der Gründung eigener Start-ups zu unterstützen. Allerdings seien auch die Regierungen gefragt, den nötigen Rahmen für Open Innovation und eine effiziente Zusammenarbeit von Start-ups und Großunternehmen zu schaffen. So sind laut Studie über drei Viertel der deutschen Gründer (77 Prozent) und knapp die Hälfte der Führungskräfte bei den etablierten Firmen (46 Prozent) unzufrieden mit der Unterstützung der Bundesregierung beim Aufbau von Open-Innovation-Netzwerken beziehungsweise der Wirksamkeit politischer Initiativen wie etwa der Digitalen Agenda.
Mit Blick auf die Regierungsverantwortlichen sehen die Studienautoren drei wesentliche Handlungsfelder.
- Zum einen bedarf es einer größeren Vielfalt an Finanzierungsinstrumenten für junge Unternehmen, die den jeweiligen Wachstumsphasen der Start-ups besser entsprechen.
- Zum anderen sollten die Regierungen gezielt Innovationscluster, in denen verschiedene Partner gemeinsam an Neuerungen arbeiten, stärken, anstatt nur einzelne Einrichtungen zu fördern.
- Weiterhin müssen Barrieren für die digitale Wirtschaft abgebaut werden. Hier sollten die Anstrengungen vor allem auf den sicheren Austausch von Daten über Ländergrenzen hinweg sowie Erleichterungen für den Zuzug von hochqualifiziertem Personal gerichtet werden.