Der Verband der Internetwirtschaft e.V. kritisiert den von der Bundesagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur) vorgelegten Entwurf zum „Katalog von technischen Vorkehrungen und sonstigen Maßnahmen“. Der Entwurf stelle unrealistisch hohe Sicherheitsanforderungen an die die Maßnahmen zum Datenschutz und zur Datensicherheit. Die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung werde damit für Unternehmen voraussichtlich deutlich teurer und aufwändiger als bisher erwartet. Für kleinere und mittlere Betriebe wären die vorgesehenen Regeln existenzgefährdend.
„Es handelt sich um einen Wunschkatalog der Politik“, sagt Klaus Landefeld, eco-Vorstand Infrastruktur & Netze. „Daten sollen in Gänze vorhanden, jederzeit abrufbar und dabei hochgesichert sein.“ Eine entsprechende Umsetzung sei denkbar und erfüllbar, aber heute in den Systemen der Betreiber keinesfalls technischer Stand der Dinge. Derartige Systeme müssten vollkommen neu designed und aufgesetzt werden, denn aktuell gibt es kein System, das diese Anforderungen erfüllt.
„Wenn man bedenkt, dass absolut dieselben Daten wahrscheinlich eine ganze Zeit in den normalen Systemen der Carrier parallel vorhanden sein werden, ohne den im Entwurf skizzierten Sicherheitsvorkehrungen unterworfen zu sein – ohne dass es bisher zu überlieferten Zwischenfällen gekommen wäre – wird die ganze Absurdität des Vorhabens deutlich. Und wenn man den zu erwartenden Nutzen der Daten im Verhältnis zu diesem immensen Aufwand betrachtet, scheinen die Anforderungen absolut ungerechtfertigt“, mahnt Landefeld.
Zudem haben sich die Hersteller bereits dahingehend geäußert, dass sie die neuen Systeme, die von den Unternehmen für die Implementierung für die Sicherheitsanforderungen benötigt würden, zunächst nicht entwickeln werden. „Natürlich haben die Systemhersteller ihre Erfahrungen bei der ersten Version der Vorratsdatenspeicherung gesammelt und wollen jetzt nicht erneut auf den Entwicklungskosten sitzen bleiben“, sagt Landefeld.
Finanzieller Ausgleich fehlt
Für die Einrichtung entsprechender Speicherinfrastruktur – bei Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung – werden die betroffenen Unternehmen voraussichtlich Kosten von geschätzt über 600 Millionen Euro aufbringen müssen.
„Die fortwährenden Sicherheitsüberprüfungen, Generierung und Löschung der Schlüssel, die Protokollierung aller Arbeitsschritte und vieles andere mehr machen einen vielfach höheren personellen und administrativen Arbeitsaufwand notwendig als anfangs zu vermuten war“, erklärt Landefeld.
Im Gegenzug zu diesen extrem hohen Anforderungen fehlt ein finanzieller Ausgleich für die laufenden Betriebskosten im Gesetz aber vollkommen.
Auswirkungen für den Mittelstand sind verheerend
Die Erfüllung des aktuellen Entwurfs wäre insbesondere für die kleinen- und mittleren Unternehmen voraussichtlich nicht leistbar. „Die Einführung der Vorratsdatenspeicherung könnte sich rasant zum Mittelstandskiller entwickeln, denn sie birgt ein hohes Insolvenzrisiko für das die Bundesnetzagentur bislang noch keinen praktischen Lösungsansatz geliefert hat.“
Dabei ließen sich die existenzbedrohenden Auswirkungen für kleinere und mittlere Unternehmen deutlich abschwächen. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum es in dem Anforderungskatalog kein abgestuftes Konzept gibt, das Leistungsfähigkeit des einzelnen Unternehmens mitberücksichtigt.“ Eine Option könnte es auch sein Anbieter, die weniger als 10.000 Kunden haben, grundsätzlich als Härtefälle einzustufen. „So wäre wenigstens gewährleistet, dass der Staat die Kosten – zumindest für Implementierung- der Betriebe generell übernehmen muss“, sagt Landefeld.
Hintergrund: Im Jahr 2010 wurde die damalige Vorratsdatenspeicherung vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Im vergangenen Jahr verabschiedete die deutsche Regierungskoalition eine Neuauflage des umstrittenen Vorhabens. Um den Vorgaben des Verfassungsgerichts gerecht zu werden, verlangt das Gesetz einen besonders hohen Standard der Datensicherheit.
eco unterstützt derzeit den Internetprovider SpaceNet AG, der am 25. April 2016 Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung erhoben hat. Ziel dieser Klage ist insbesondere durch die Vorlage grundlegender Rechtsfragen eine Grundsatzentscheidung herbeizuführen, die in letzter Konsequenz nur der Europäische Gerichtshof (EuGH) treffen kann. Der EuGH hatte bereits 2014 die anlasslose Speicherung aller Kommunikationsdaten ohne Differenzierungen, Einschränkungen oder Ausnahmeregelungen als einen klaren Verstoß gegen europäische Grundrechte bewertet.
Die eco Stellungnahme zum Anforderungskatalog der Bundesnetzagentur können Sie hier nachlesen. Das eco Hintergrundpapier zur Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung finden Sie hier.