Es gibt viel zu tun in deutschen Geldhäusern: Geschäftsprozesse müssen angepasst und automatisiert, neue IT-Lösungen implementiert, regulatorische Anforderungen umgesetzt und Online-Services ausgebaut werden. Doch 68 Prozent der klassischen Privatbanken mit individualisierten Prozessen und häufigem direkten Kundenkontakt haben Probleme bei der Umsetzung derartiger Projekte, weil ihr Kernbanksystem nicht leistungsfähig genug ist. Mehr als jede fünfte von ihnen hält das Herzstück ihrer IT ausdrücklich für nicht mehr zukunftsfähig. Das zeigt der IT-Stauatlas 2016 der Unternehmensberatung PPI, für den Führungskräfte von Privatbanken befragt wurden.
Laut der Studie werden die klassischen Privatbanken besonders stark von veralteten IT-Systemen behindert. Sie spüren dies mehr als Kreditinstitute mit stärker standardisierten Verfahren (wie Direkt- und Transaktionsbanken) oder spezialisierte Häuser (wie Auslandsbanken). Unter den stark standardisierten Banken werden 64 Prozent von der mangelnden Leistungsfähigkeit ihres Kernbanksystems bei der Projektumsetzung ausgebremst, unter den spezialisierten sind es hingegen „nur“ 40 Prozent.
Die unzureichende Leistungsfähigkeit der Kernbanksysteme schicke vor allem Projekte zur Anpassung von Geschäftsprozessen und zur Implementierung neuer IT-Lösungen in einen Stau. Mit 24 Prozent könne fast jede vierte befragte Bank Anpassungen von Geschäftsprozessen aus diesem Grund nicht wie gewünscht verwirklichen, 19 Prozent würden von ihrem Kernbanksystem bei der Implementierung neuer IT-Lösungen ausgebremst.
Letzteres sei vor allem für die klassischen Privatbanken mit häufigem, individuellem Kundenkontakt ein Problem: 32 Prozent von ihnen stecken wegen ihres veraltetem Kernbanksystems bei der Implementierung neuer IT-Lösungen im Projekt-Stau. „In vielen Fällen ist dies ein hausgemachtes Problem“, sagt Christian Appel, Partner bei PPI, „denn bei 41 Prozent der befragten Banken sind die Kernbanksysteme schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr grundsätzlich architektonisch überarbeitet worden. Der lange Lebenszyklus der Kernbank-IT übt zunehmend eine projektbremsende Wirkung aus.“
Kernbank-Systeme der Privatbanken: Investitionen für Modernisierung rollen an
Inzwischen haben laut PPI die Verantwortlichen das Problem erkannt: Mit 56 Prozent haben sich mehr als die Hälfte der befragten Banken für die nächsten zwei Jahre substantielle Investitionen in ihr Kernbanksystem vorgenommen. Bei den klassischen Privatbanken sind es sogar 64 Prozent.
„Den Privatbanken wird die digitale Transformation nur gelingen, wenn ihre Kernbanksysteme echtzeitfähig, integriert, kundenorientiert und auf der Höhe der Zeit sind“, mahnt Appel. „Ob dafür Eigenentwicklungen, Standard-Software oder ein BPO-Modell die beste Lösung sind, hängt dabei stark von den Bedürfnissen der jeweiligen Bank ab. Schließlich bildet die Kernbank-IT die funktionale DNA einer Bank ab. Das verbaute Wissen und die abgebildeten Prozesse sind Alleinstellungsmerkmale gegenüber Wettbewerbern. Auch unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten werden verschiedene Banken zu unterschiedlichen Antworten gelangen. Wichtig ist aber, dass bei der Entscheidung für einen Weg, die Zukunftsfähigkeit des jeweiligen Partners respektive Systems berücksichtigt wird.“
Über die Studie: Der IT-Stauatlas 2016 untersucht, mit welchen Projekten sich deutsche Privatbanken (ohne Sparkassen und Genossenschaftsbanken) aktuell beschäftigen und inwieweit Kernbanksysteme die Banken in ihrer Geschäftsentwicklung bremsen. Im Rahmen einer CATI-Befragung (Computer Assisted Telephone Interview) wurden im Januar 2016 54 Führungskräfte in privaten Banken aus den Bereichen Organisation, IT, Business Development, Risk Management und Wertpapierservice befragt. Mit der Einbeziehung von 54 Instituten, die insgesamt eine Bilanzsumme von ca. 800 Mrd. Euro erwirtschaften, wurde rund ein Viertel der insgesamt knapp 200 deutschen Privatbanken in der Studie berücksichtigt.