Die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle, Investitionen in innovative Technologien und Finanzierungsfragen gehören zu den Top-Themen der Energieversorger in Deutschland. Das ist das Ergebnis der Stadtwerke-Studie 2017 im Auftrag der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) und des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Daran beteiligt waren 111 deutsche Versorgungsunternehmen aller Größenordnungen.
47 Prozent der befragten Unternehmen betrachten die Digitalisierung als eine Chance. 27 Prozent halten die neuen technologischen Möglichkeiten für eine Bedrohung. Mit der Digitalisierung der Netze entstehen neue Geschäftsmodelle, davon sind auch die Verteilnetzbetreiber überzeugt. Große Chancen sehen die Befragten für die Nutzung und Bereitstellung von Daten, für das intelligente Messwesen und für innovative Speicherlösungen.
Intelligentes Messwesen wichtigstes Zukunftsfeld
51 Prozent planen die Einführung von intelligenten Messsystemen in den nächsten ein bis zwei Jahren. Die Nutzung und Bereitstellung von Daten erscheint 32 Prozent als lukratives zukünftiges Geschäftsfeld. 23 Prozent planen den Aufbau und Betrieb einer Elektroladeinfrastruktur. Dezentrale Speicherlösungen gehören für 21 Prozent zu den Zukunftsmodellen.
„Die deutschen Stadtwerke und Versorgungsunternehmen haben eine große Kompetenz im Aufbau und Betrieb von Infrastrukturen. Daher gehören der Aufbau und der Betrieb einer Ladeinfrastruktur oder andere Lösungen für die Smart City zu ihren Tätigkeitsfeldern für die Zukunft. Durch ihre enorme Erfahrung haben sie hier sicherlich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Anbietern“, sagt EY-Partner Metin Fidan. Die hohen Investitionskosten könnten vor allem durch Kooperationen aufgefangen werden.
„Die Befragung zeigt, dass immer mehr Stadtwerke aktive Player sind, wenn es um die Chancen der Digitalisierung geht. Sie warten nicht mehr ab, sondern entwickeln neue Produkte und Dienstleistungen, kooperieren mit anderen Stadtwerken und arbeiten mit Start-ups zusammen. Der extrem schnelle, durch Energiewende und Digitalisierung getriebene Wandel verändert auch die Rolle der Energienetze. Sie müssen dieses immer komplexere und dezentralere System zu jeder Zeit sicher und verlässlich organisieren. Die Verteilnetzbetreiber sind hier zentrale Akteure: Ihre enorm wichtige Rolle, die sie zusammen mit den Übertragungsnetzbetreibern haben, muss endlich in den Fokus der energiepolitischen Debatte rücken“, sagte Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
Digitalisierung ist Chefsache
Wie hoch die Energieunternehmen die Bedeutung der Digitalisierung mittlerweile einschätzen, zeigt sich in der Aufhängung des Themas bei 72 Prozent der Unternehmen auf Geschäftsführungsebene. „Dies zeigt, dass die Unternehmen die Relevanz hoch einschätzen. In der Geschäftsführung ist das Thema richtig angesiedelt, da es sich um ein langfristiges und umfassendes Projekt handelt. So müssen zahlreiche Bereiche berücksichtigt werden wie das intelligente Messwesen, der Verteilnetzbetrieb oder die Sicherheit“, ergänzt Helmut Edelmann, Director Utilities bei EY.
Einen hohen Stellenwert räumen die Unternehmen der IT-Sicherheit ein: 61 Prozent der befragten Unternehmen haben bereits einen IT-Sicherheitsbeauftragten installiert. 15 Prozent haben ein Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS) eingeführt, 46 Prozent sind dabei, eines umzusetzen. Genauso wichtig wie die Sicherheit der physischen Infrastrukturen sei der Umgang mit den für kritische Infrastrukturen wichtigen Informationen. Diese müssten adäquat geschützt werden. Dies erfordere zusätzliche organisatorische und prozessuale Veränderungen. Dieser ganzheitliche Schutz von Informationen muss Bestandteil jedes Digitalisierungsprojektes sein.
Digitalisierung steht oben auf der Agenda der Versorger
Themen rund um die Digitalisierung stehen auch ganz oben auf der Agenda der befragten Unternehmen. 71 Prozent wollen sich mit der Digitalisierung auseinandersetzen. Letztlich stehen aber auch die drei an oberster Stelle genannten Themen eng mit der Digitalisierung im Zusammenhang: 83 Prozent werden sich stark oder sehr stark mit der Optimierung interner Prozesse auseinandersetzen, was heutzutage fast gleichbedeutend mit einer Automatisierung von Prozessen auf digitaler Grundlage ist. Jeweils 77 Prozent wollen IT-gestützte Prozesse umsetzen beziehungsweise den Fokus auf Smart Metering oder Smart Grids legen.
Signifikant zugenommen im Vergleich zu 2016 hat die Bedeutung von Finanzierungsfragen: von 33 auf 47 Prozent. „Das ist zum einen eine Folge strengerer Kreditvorgaben durch die Banken wegen der gestiegenen regulatorischen Anforderungen. Es zeigt aber auch den enormen Investitionsbedarf, den es in der Branche gibt“, so Edelmann.
Auch die Kommunen sind beim Thema Finanzierung gefragt: „Die Stadtwerke müssen in der Lage sein, in neue Geschäftsfelder und Technologien zu investieren. Kommunen sind aus BDEW-Sicht deshalb gut beraten, wenn sie als Aufsichtsräte Investitionen nicht nur mit Blick auf Ausschüttungen betrachten, In den Mittelpunkt gehört die Frage, ob das Stadtwerk für die Zukunft gewappnet ist. Eine sollte Ausschüttung deshalb auch etwas kleiner ausfallen dürfen, damit den Unternehmen die notwendigen Investitionsmittel zur Verfügung stehen“, so Kapferer.
Aktuelle Gesetzgebung behindert Investitionen
Die Energienetze stehen mit der Energiewende vor einer grundlegenden Transformation. Sie machen die Energiewende überhaupt erst möglich. Tragende Säulen sind dabei intelligenten Netze (Smart Grids) und intelligente Messzähler (Smart Meter). Allerdings beeinflusst die aktuelle Gesetzgebung Investitionen in diese Bereiche eher negativ. Die Novellierung der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) 2016, die als zentralen Bestandteil die Einführung des Kapitalkostenabgleichs vorsah, der maßgeblichen Einfluss auf die zukünftigen Investitionsentscheidungen hat, zieht nach Meinung von einem Drittel negative Effekte nach sich. Lediglich 11 Prozent sehen dadurch positive Effekte.
„Das heutige Regulierungssystem belohnt nach wie vor kapitalintensive Investitionen. Intelligente Investitionen, die laufende Kosten etwa für die IT-Infrastruktur verursachen, dafür aber Folgekosten verhindern, werden im Vergleich dazu schlechter gestellt“, kommentiert Fidan abschließend.