Die Abgrenzung des eigenen Unternehmens gegenüber dem Wettbewerb hat jahrelang die Praxis nahezu aller Handelsunternehmen geprägt. Unternehmen verstanden sich dabei als „Einzelkämpfer“ im Wettbewerb um den Kunden. In einer Welt, die durch „Hyper-Wettbewerb“ und eine hohe Dynamik geprägt ist, hat dieser Ansatz jedoch kaum noch Bestand. Unternehmen werden sich alleine nur noch schwer behaupten können, da sie relevante Ressourcen wie Kompetenzen und Fähigkeiten sowie Wissen und Informationen eigenständig kaum mehr aufbauen oder halten können.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unternehmensberatung BearingPoint und des IIHD Instituts. Wie die Untersuchung zeigt, wird der Wettbewerb zunehmend stärker zwischen Unternehmensnetzwerken ausgetragen, um den zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden. In Ecosystemen schließen sich alle Akteure einer Wertschöpfungskette bis hin zum Kunden zusammen. In der Folge entsteht ein dynamisches System, das es den Teilnehmern ermöglicht, miteinander zu interagieren, ihr Portfolio zu ergänzen und so vielseitiger, flexibler, schneller und schlagkräftiger zu werden.
„Die geteilte Ressourcenbasis des Ecosystems ist dabei der entscheidende Erfolgsfaktor. Das sieht man gut an einigen der weltweit erfolgreichsten Unternehmen. Der Besitz von Ressourcen ist demnach in einem von Plattformen dominierten Wertschöpfungssystem künftig nur noch zweitrangig – das Ecosystem stellt alle notwendigen Ressourcen bereit“, so Prof. Dr. HSG Jörg Funder, Geschäftsführender Direktor des IIHD Instituts.
„Damit Unternehmen die Vorteile eines solchen Systems jedoch auch nutzen können, müssen sie ihre Strategie im Kern auf nachhaltige Kooperationen auslegen. Nur so kann ein offenes Netzwerk entstehen, dem sich weitere Teilnehmer mit neuen Leistungen anschließen können“, fügt Kay Manke, Partner im Bereich Handel und Konsumgüterindustrie bei BearingPoint, hinzu.
Plattformhandel als Zukunftsmodell
Eine besondere Ausprägung solcher Ecosysteme sind Plattformen: Nutzern wird von einem Unternehmen eine zentrale Ressource zur Verfügung gestellt, mithilfe derer sie ihre eigenen Aktivitäten optimieren können. Beispiel Modehandel: Das plattformbasierte Geschäftsmodell ermöglicht es einem Modehändler, eine größere Auswahl anzubieten, den Konsumenten inspirierende Inhalte zu zeigen, Liefermethoden kontinuierlich zu optimieren sowie einen Zugang zu Fashion-Expertise anzubieten, um so seine Kunden zu begeistern und langfristig zu binden. Modehändler können ihre Plattform dabei gleichermaßen für Produzenten, Stylisten, Influencer und Logistikdienstleister öffnen, um mit jedem weiteren Teilnehmer Vorteile zu generieren.
„Plattformkonzepte schlagen einzelne Unternehmen daher in drei zentralen Dimensionen: Erstens, sie verzichten auf ineffiziente Elemente innerhalb der Wertschöpfungskette zum Kunden. Zweitens, sie schalten durch das Loslösen von physischem Besitz und Nutzung von Ressourcen neue Quellen der Wertschöpfung frei. Und drittens, sie beziehen den Kunden in die Wertschöpfung mit ein und fördern so ein aktives Mitgestalten durch den Kunden“, erklärt Funder.
Umwandlung bestehender Wertschöpfungslogiken
Ecosysteme und Plattformen verschieben damit die Grenzen des Wettbewerbs. Handelsunternehmen stehen plötzlich in Konkurrenz zu Medienunternehmen, wie das Beispiel Spotify zeigt. Kooperation und „Coopetition“, also Kooperationswettbewerb, bestimmen fortan den Markt.
„Unternehmen müssen heute lernen, bestehende Wertschöpfungslogiken nicht mehr mit aller Macht zu verteidigen, sondern vielmehr kontinuierlich weiterzuentwickeln, sich neu zu definieren und ihr bestehendes Geschäftsmodell so proaktiv obsolet zu machen“, so Manke.
In einer Welt von Ecosystemen und Plattformen seien für Unternehmen dabei vier richtungsweisende Schritte erfolgsentscheidend:
- Kundenbedürfnisse verstehen
- Sich innerhalb des Ecosystems unverzichtbar machen
- Relevante Kompetenzen entwickeln
- Das Ecosystem zum Erfolg führen
Dabei seien Unternehmen gleichermaßen Designer und Strategen des Ecosystems, dem sie angehören.
Zentrale Vorteile von Plattformen
Quelle: IIHD Research 2017; Parker, Van Alstyne & Choudary 2016