Neue Ergebnisse einer Arbeitsmarktstudie bestätigen das Bild eines tiefgreifenden, aber beherrschbaren Wandels der Arbeitswelt: Danach befürchtet nur jeder achte Arbeitnehmer in Deutschland, dass der eigene Arbeitsplatz durch Automatisierung bedroht sein könnte.
In der Studie „Arbeiten in Deutschland“ des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) und XING gaben 12,6 Prozent von 1.272 Beschäftigten zwischen 25 und 54 Jahren an, ihre aktuelle Tätigkeit könnte in den nächsten fünf Jahren durch den Einsatz moderner Technologien wegfallen. Unter den zusätzlich befragten 4.219 XING-Mitgliedern hielten sogar nur 2,3 Prozent ein solches Szenario für wahrscheinlich.
Befund ist nicht ganz so dramatisch
Die aktuelle Diskussion um ein „Ende der Arbeit“ aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung werde insbesondere durch eine Studie der Universität Oxford (Frey und Osborne, 2013) befeuert, nach der in den USA jeder zweite Job durch Automatisierung bedroht sei. Auf Basis der gleichen Berechnungsmethode könnten in Deutschland rund 42 Prozent der bestehenden Arbeitsplätze durch den Einsatz von Robotern und Computern wegfallen. Berücksichtige man jedoch, dass die Tätigkeitsprofile innerhalb einzelner Berufsgruppen stark variieren können und nicht gleichermaßen automatisierbar sind, sinke der Anteil potenziell gefährdeter Jobs auf 12 Prozent.
Dieser weniger dramatische Befund deckt sich offenbar mit der Einschätzung der Arbeitnehmer selbst. In der IZA/XING-Studie schätzen Männer das Automatisierungsrisiko allerdings deutlich höher ein (16 %) als Frauen (9,1 %). Die Forscher führen diese Diskrepanz darauf zurück, dass Männer häufiger in körperlich anstrengenden Jobs tätig sind, in denen das Potenzial für den Einsatz von Maschinen noch am höchsten ist. Weibliche und männliche XING-Mitglieder, bei denen es sich überwiegend um „moderne Wissensarbeiter“ handeln dürfte, schätzten das Automatisierungsrisiko gleichermaßen gering ein.
Unterschiede beim individuellen Problemlösungsverhalten
Auffällige Unterschiede zeigten sich mit Blick auf das individuelle Problemlösungsverhalten. Nur 5,8 Ptozent der Befragten, die nach eigenem Bekunden bei unvorhergesehenen Störungen der Arbeitsroutine selbst nach Lösungen suchen, sehen sich einem Automatisierungsrisiko ausgesetzt. Eher bedroht fühlen sich Arbeitnehmer, die im Störungsfall üblicherweise Vorgesetzte bzw. Kollegen verständigen. Hier gaben 15,5 bzw. 29,7 Prozent der Befragten an, ihr Job könnte der Automatisierung zum Opfer fallen.
Die Menschen haben bislang jeden Wandel bewältigt
Prof. Dr. Hilmar Schneider, Leiter des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), sieht durch die Studienergebnisse bestätigt, dass die Beschäftigten dem Wandel der Arbeitswelt mit Zuversicht begegnen sollten, statt sich von Schreckensszenarien verunsichern zu lassen: „Die Menschheit hat bis heute jeden technologischen Wandel – vom Webstuhl bis zum Internet – bewältigt, obwohl die Auswirkungen vorher kaum vorhersehbar waren. Wichtig ist, dass wir wandlungsfähig bleiben und die Chancen nutzen, statt uns vor den Risiken zu fürchten.“
Der Blick auf die Automatisierung werde oft durch eine asymmetrische Wahrnehmung verzerrt. Die Tätigkeiten, die durch neue Technologien überflüssig werden, seien recht einfach zu erkennen. „Die menschliche Fantasie versagt aber regelmäßig, wenn es darum geht, sich neue Tätigkeitsfelder und Bedürfnisse vorzustellen“, so Schneider. Bislang hätten sich untergehende und entstehende Jobs noch immer die Waage gehalten.
Der IZA-Chef sieht aber auch das Bildungs- und Ausbildungssystem in der Pflicht, sich noch stärker auf die Vermittlung von Zukunftskompetenzen zu konzentrieren. Neben rein fachlichen Qualifikationen sind dabei immer mehr auch sogenannte „Soft Skills“ wie beispielsweise Kreativität, soziale Intelligenz, Verantwortungsbewusstsein und unternehmerisches Denken von Bedeutung.