Die Digitalisierung rüttelt spürbar an den bisherigen Regelwerken des sozialen Miteinanders. Immer mehr Non-Profit-Organisationen, Vereine und Initiativen in Deutschland machen es sich deshalb zur Aufgabe, den digitalen Wandel zum Wohl der Gesellschaft zu gestalten. Der Report „Digitalisierung braucht Zivilgesellschaft“ zeigt exemplarisch an Non-Profit-Organisationen aus dem In- und Ausland auf, wie diese das Thema Digitalisierung angehen, und identifiziert zentrale Handlungsfelder für das Engagement der Zivilgesellschaft.
„Bisher bestimmen wirtschaftliche Fragen die Diskussion über den digitalen Wandel“, sagt Ottilie Bälz, Leiterin des Bereichs Gesellschaft der Robert Bosch Stiftung, die den Report zusammen der Bertelsmann Stiftung, Phineo und der Stiftung Neue Verantwortung erarbeitete. „Bei der Digitalisierung geht es aber nicht nur um Effizienz und Produktivität. Sie verändert auch die Art, wie wir miteinander diskutieren, politische Entscheidungen treffen und als Gesellschaft zusammenleben. Deshalb brauchen wir in der Digitalisierungsdebatte dringend mehr starke Stimmen der Zivilgesellschaft“, so Bälz weiter.
Wo das Engagement der Zivilgesellschaft besonders gefragt ist
Noch stehen die meisten Stiftungen, Vereine und Non-Profit-Organisationen vor der Herausforderung, digitale Lösungen in ihrer Arbeit umfassend zu nutzen. Gleichzeitig richten immer mehr gemeinnützige Akteure ihre Arbeit inhaltlich neu auf die digitalisierte Welt aus. Sie machen ältere Menschen fit für die digitale Welt, sensibilisieren Schulklassen für den Datenschutz oder ermöglichen Bedürftigen den Zugang zu Hardware. Im Report werden fünf Felder ausgemacht, in denen das Engagement der Zivilgesellschaft besonders gefragt ist:
- Zugang zu Netz und Technik schaffen
- Digitale Kompetenzen vermitteln
- Datenbasierte Innovationen für die Gesellschaft ermöglichen
- Schutz der Persönlichkeit im Digitalen Raum gewährleisten
- Digitale Zukunft durch Vision und Position voranbringen
Vom Novizen bis zum digitalen Experten
Der Report zeige: Die Zivilgesellschaft werde zwar digitaler, stehe in der Summe aber immer noch am Anfang. Aktuell präsentiere sich der soziale Sektor digital zweigeteilt:
- Auf der einen Seite stehe die große Gruppe an Akteuren, für die Digitalisierung ein neues Thema darstellt. Diese Gruppe kämpfe mit den Unwägbarkeiten, Digitalisierung in bestehende Organisationslogiken zu implementieren. Ein komplexes Unterfangen, da digitale Abläufe tradierte Arbeitsmethoden und Hierarchien in Frage stellen.
- Auf der anderen Seite stehe die zahlenmäßig kleinere Gruppe an Akteuren, die Digitalisierung qua Gründung in ihrer Organisations-DNA mit sich tragen. Diese Akteure engagieren sich überhaupt nur, weil sie spezielle digitale Lösungen entwickeln wollen. Aber: diese Akteure sind innerhalb des Sektors häufig weniger gut vernetzt.
Es läge nahe, beide Seiten miteinander ins Gespräch zu bringen, um gegenseitige Synergien herzustellen.
Darüber hinaus zeigen Fallstudien über das Rote Kreuz, Reporter ohne Grenzen oder die ZEIT-Stiftung, wie klassische zivilgesellschaftliche Organisationen den digitalen Wandel bereits erfolgreich für sich nutzen. Zudem untersucht der Report, wie große zivilgesellschaftliche Dachverbände und Arbeitsgemeinschaften die eigene Digitalisierung sowie den digitalen Wandel an sich adressieren.
Mehr Austausch und Fokus auf Organisationsentwicklung
Wichtigste Schlussfolgerung des Reports: Der Dritte Sektor muss und sollte nicht alles digitalisieren, aber er braucht eine Strategie für das digitale Zeitalter. Da Digitalisierung neben der technischen Entwicklung auch soziale und kulturelle Fragen betreffe, sei dazu auch und vor allem Organisationsentwicklung nötig. Dafür brauche der Sektor stärkere Unterstützung durch Förderer wie die öffentliche Hand, Stiftungen und Unternehmen.
Die Initiatoren des Reports raten außerdem zu mehr Kooperation und Wissensaustausch: So könnten traditionelle zivilgesellschaftliche Organisationen von der Erfahrung der jungen digitalen Akteure in diesem Bereich profitieren. Etablierte Akteure wiederum könnten den digitalen Experten zur Seite stehen, denen oft die Vorteile starker Netzwerke und größerer Strukturen fehlen.