Seit dem 14. September ist die neue Payment Services Directive (PSD2) der EU in Kraft. Neben mehr Verbraucherschutz und Zahlungssicherheit für die Kundschaft bedeutet sie für Banken vor allem mehr Wettbewerb: Sie sind nun verpflichtet, Drittanbietern Zugriff auf Konten und Daten ihrer Kunden zu ermöglichen. Die große Mehrheit der europäischen Geldinstitute (81 %) sieht diese Regulierung als Chance. Allerdings agieren sie noch zögerlich, die neuen Möglichkeiten auch zu ergreifen: So ist derzeit nur rund ein Drittel (35 %) der Häuser bereit, selbst in die Rolle eines Drittanbieters zu schlüpfen.
Die Ergebnisse stammen aus der Studie „Adapt or die? Why PSD2 has so far failed to unlock the potential of Open Banking“ von Roland Berger. Für die Publikation wurden Interviews mit über 40 führenden Banken, Drittanbietern und großen Technologieunternehmen in zwölf europischen Märkten geführt.
„Bei der Umsetzung von PSD2 klaffen Ambition und Wirklichkeit bisher noch weit auseinander. Die etablierten Finanzdienstleister beschränken sich vor allem darauf, die gesetzlichen Mindestanforderungen zu erfüllen“, sagt Sebastian Maus, Partner bei Roland Berger. „Dabei erlaubt PSD2 Banken, ihre ohnehin schon großen Mengen an Kundeninformationen mit zusätzlichen externen Daten anzureichern. Daraus können ganz neue Geschäftsfelder entstehen, welche die Zukunft in ein Open-Banking-Szenario ebnen.“
Neue Konkurrenz durch große Technologiekonzern
Fast dreiviertel der Banken (72 %) planen, mit PSD2 das Serviceportfolio zu verbessern und so auch neue Kundschaft anzusprechen. Dabei sind sich die Häuser mehrheitlich des Vertrauens ihrer Klienten sicher (54 %). Allerdings sehen sie auch die Herausforderung durch neue Konkurrenten, die in den Markt drängen und ihre Geschäftsmodelle bedrohen: allen voran große Technologiekonzerne wie Google, Amazon, Facebook und Apple (71 %).
FinTechs hingegen sind aus Sicht der etablierten Dienstleister eher Partner als Konkurrenten. „Große Technologieunternehmen können wie jeder andere Drittanbieter auf die Daten der Banken zugreifen – müssen ihren riesigen Informationsschatz selbst aber nicht preisgeben. Aus dieser Ausgangssituation heraus sind die Firmen absolut in der Lage, etablierte Häuser im Finanzsektor anzugreifen. Nicht zuletzt die Nachrichten der vergangenen Monate sprechen dafür, dass die Sorge der Banken berechtigt ist“, sagt Maus.
PSD2 als Startschuss für Open Banking
PSD2 markiert nach Ansicht der Experten von Roland Berger den Einstieg in ein Open-Banking-Szenario, in dem etablierte Finanzdienstleister anderen Firmen Zugang zu Daten gewähren und mit ihnen kooperieren. Immerhin 80 Prozent der Studienteilnehmer erachten Open Banking als eine Top-Priorität des Managements in ihren Häusern.
„PSD2 war die Pflicht, aber Open Banking ist weit mehr als die Kür – sondern aus unserer Sicht der einzig sinnvolle Weg in die Zukunft“, sagt Maus. Je nach Geschäftsmodell der Bank werderd Open Banking sehr unterschiedliche Auswirkungen haben. So können gerade kleinere Institute mit einem hohen Grad an Spezialisierung zu den Gewinnern gehören, da sie ihre Produkte in einer Open-Banking-Welt einem großen Publikum zur Verfügung stellen können. „Nicht alle Banken können sich direkt an der Kundenschnittstelle aufstellen. Umso wichtiger ist das Erarbeiten einer klaren strategischen Positionierung,“ sagt Maus. „Beim Einstieg in Open Banking mangelt es den Banken nicht unbedingt an Willen. Das Zögern ist auch dem äußerst schwierigen Marktumfeld geschuldet: Niedrige Zinsen, strengere Regulierung, veraltete IT-Infrastrukturen sind nur einige der Herausforderungen. Dennoch können es sich die Häuser nicht leisten, die Chancen, die PSD2 eröffnet zu ignorieren. Wenn sie diese Schritte nicht gehen, wird die Lücke durch neue finanzstarke Konkurrenz ausgefüllt.“