Die zunehmende globale Vernetzung wird in den kommenden zehn Jahren zu einem wesentlichen Wachstumsmotor. Allein die Umsetzung der vielversprechendsten Anwendungsfälle in den Bereichen Gesundheit, Produktion, Handel und Mobilität (Personen- und Güterbeförderung) könnte die globale Wirtschaftsleistung bis 2030 um bis zu 2 Billionen US-Dollar steigern – überwiegend in Ländern, die bereits gut vernetzt sind. Voraussetzung ist, dass bestehende Hürden wie beispielsweise regulatorische Intransparenz oder zu lange Investitionszyklen beseitigt werden.
Zu diesem Ergebnis kommt das McKinsey Global Institute (MGI) in der Studie Connected world: An evolution in connectivity beyond the 5G revolution. Hierfür untersuchte der volkswirtschaftliche Think Tank der Unternehmensberatung McKinsey Hunderte von Anwendungsfällen aus den vier Schwerpunktsektoren. Diese Branchen machen etwa ein Drittel des globalen BIP aus. Neben 5G in unterschiedlichen Frequenzbereichen berücksichtigten die Autoren andere bestehende Konnektivitätstechnologien wie Glasfaser oder Wi-Fi 6.
Großteil der Wertschöpfung kann bereits ohne 5G realisiert werden
Die Untersuchung zeigt, dass 70 bis 80 Prozent der Wertschöpfung auch ohne 5G – das heißt auf Basis bestehender Technologien – erreicht werden könne. Durch verbesserte Geschwindigkeit, Effizienz, Latenzzeit und Netzabdeckung könnten viele bestehende Anwendungsfälle optimiert werden. „Unternehmen müssen nicht auf 5G-Netzen warten, um die Produktivität zu steigern „, sagt Eric Kutcher, Seniorpartner bei McKinsey und Autor der Studie.
Beispiele für neue Wertschöpfungsquellen sind:
- Mobilität: Die Vernetzung ermögliche neue Services wie präventive Wartung, verbesserte Navigations- und Mitfahrdienste sowie personalisierte Infotainment-Angebote. Die Kommunikation zwischen Fahrzeugen sowie zwischen Fahrzeugen und städtischer Infrastruktur kann Unfälle verhindern, Fahrzeuge (teil-)autonom fahren lassen und den Verkehrsfluss verbessern. Die Effekte der vernetzten Mobilität auf das globale BIP liege bis 2030 bei 170 Mrd. bis 280 Mrd. Dollar.
- Gesundheit: Netzwerke mit niedriger Latenz und hoher Dichte an angeschlossenen Geräten und Sensoren überwachen Patienten zu Hause in Echtzeit. KI-gestützte Tools zur Entscheidungsunterstützung und Automatisierung entlasten das Pflegepersonal. Bis 2030 könnten im Gesundheitssektor zusätzliche Wertschöpfungspotenziale in Höhe von 250 Mrd. bis 420 Mrd. Dollar realisiert werden.
- Produktion: Intelligente Fabriken arbeiten höchsteffizient und optimieren Prozesse in Echtzeit – werksübergreifend und nicht nur beschränkt auf einzelne Montagelinien. Funktionen wie fahrerlose Transportsysteme und computergestützte Qualitätskontrolle erfordern 5G. Die monetären Effekte auf das globale BIP prognostizieren die Autoren bis 2030 auf 400 Mrd. bis 650 Mrd. Dollar.
- Handel: Einzelhändler könnten Sensoren oder Computer-Vision – eine Form der selbstständigen Bilderkennung – einsetzen, um den Bestand zu verwalten, die Lagerabläufe zu verbessern und die Lieferkette besser zu organisieren. Personalisierte Empfehlungen und Werbeaktionen in Echtzeit können den Umsatz steigern. Der Einzelhandel könnte so das globale BIP bis 2030 um 420 Mrd. bis 700 Mrd. Dollar steigern.
Hindernisse bremsen die Wertschöpfung
Ein weiteres Studienergebnis: Viele Wertschöpfungsquellen seien noch ungenutzt, vor allem aufgrund einer fehlenden Koordination über Sektorgrenzen hinweg. Viele Anwendungsfälle werfen auch Fragen nach Datenschutz, Sicherheit und Interoperabilität auf. Zudem sorgen regulatorische Hindernisse, geringe Kapitalverfügbarkeit und lange Investitionszyklen dafür, dass die Modernisierung der Infrastruktur auf die lange Bank geschoben wird.
Die Verbesserung von Konnektivität ist mit Kosten verbunden. Um etwa 80 Prozent der Weltbevölkerung mit fortschrittlicher Technik (Glasfaser, 5G mit geringeren bis mittleren Frequenzbändern, Wi-Fi 6 etc.) zu versorgen, seien Investitionen von etwa 400 Mrd. bis 500 Mrd. Dollar nötig. Allerdings fehle es Anbietern vielerorts an Anreizen, Spitzentechnologien wie Hochfrequenz-5G oder Low-Earth-Orbit -Satelliten (LEO) tatsächlich verfügbar zu machen. Nach Einschätzung der MGI-Experten wird nur ein Viertel der Weltbevölkerung bis 2030 eine volle Abdeckung im Hochfrequenzbereich erhalten.
„Was die Regierungen zu Regulierung, Frequenzen, Infrastrukturzugang, Finanzierung von Forschung und Entwicklung und sogar Subventionen entscheiden, wird erhebliche Auswirkungen darauf haben, wo, wann und wie die Welt miteinander verbunden sein wird“, sagt Matthias Winter, Seniorpartner bei McKinsey und Leiter des Technologie-, Medien- und Telekommunikationsbereichs in Deutschland.