Deutschland ist erstmals unter den Top 10 der innovativsten Volkswirtschaften, doch mit schlechten Werten bei zukunftsweisenden Indikatoren. „Der erstmalige Top 10 Platz Deutschlands ist trügerisch, denn hohe Effizienz in den Innovationsstrukturen und -prozessen, wie wir sie in Deutschland finden, wird zukünftig nicht mehr reichen, um im internationalen Wettbewerb ganz oben mitspielen zu können“, sagt Dr. Kai Engel, Partner bei A.T. Kearney und Innovationsexperte zu den Ergebnissen des globalen Innovationsindexes 2016. „Wir punkten zwar bei Forschung und Entwicklung, Kommunikationsinfrastruktur und Patentanmeldungen. Doch dort, wo in Zukunft die Musik spielen wird, gehören wir zu den Schlusslichtern: dem Aufbau von Innovationspartnerschaften und der Gründung neuer Unternehmen.“
China steigt im GII 2016 in die Riege der 25 innovativsten Volkswirtschaften der Welt auf. Angeführt wird das Ranking von der Schweiz, Schweden, Großbritannien, USA, Finnland und Singapur. Erstmals ist auch Deutschland unter den ersten zehn. Österreich dagegen ist um weitere zwei Plätze auf Rang 20 abgestiegen.
Mit dem Aufstieg Chinas in die Top 25 gesellt sich zum ersten Mal ein Land mit mittlerem Einkommen zu den Industrieländern, die bisher den Index angeführt haben. Darin spiegeln sich sowohl die verbesserte Innovationskraft des Landes als auch methodologische Erweiterungen des Index.
Fünfzehn der 25 Spitzenreiter im GII befinden sich in Europa, darunter auch die ersten drei. Europa profitiert von vergleichsweise starken Institutionen und gut entwickelter Infrastruktur. Deutschland konnte sich um zwei Plätze (von 12 auf 10) weiter verbessern, unter anderem, weil der aktuelle GII den Faktor Forschung und Entwicklung stärker als bisher berücksichtigt.
Besonders gute Noten erhielt Deutschland für Forschung und Entwicklung, Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologie und die Anzahl der Patentanmeldungen, überraschend schlechte dagegen für Innovationspartnerschaften (Platz 47), Diversity (53) und der Einfachheit von Unternehmensgründungen (81). Bei dem Indikator Effizienz, der Innovations-Input (z.B. Ausgaben für Forschung und Infrastruktur) ins Verhältnis zum Output (z.B. Patentanmeldungen) setzt, rangiert Deutschland mit Platz 9 weit vorne.
Effizienz ist kein entscheidendes Innovationskriterium mehr
Doch wie Dr. Martin Ruppert, Geschäftsführer von IMP³rove, erläutert, sei Effizienz in Zukunft kein entscheidendes Innovationskriterium mehr. Er beruft sich unter anderem auf eine Umfrage, die A.T. Kearney und IMP³rove für den Global Innovation Index mit mehr als 100 internationalen Führungskräften durchgeführt haben: „6 von 10 Führungskräften sehen innerhalb der nächsten fünf Jahre ein Fünftel ihres Umsatzes durch disruptive Innovation bedroht“. Um dieser Bedrohung Stand zu halten brauche es Innovationspartnerschaften zwischen unterschiedlichsten Akteuren, globale und divers zusammen gestellte Innovationsnetzwerke und Spontanität und Schnelligkeit bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, so Ruppert.
Von den besten Innovatoren könne man dabei lernen, wie sie die digitalen Möglichkeiten nutzten: „Die führenden Innovatoren haben an Tag eins eine Fragestellung, die sie nicht alleine lösen können und fahnden ab Tag zwei nach den besten Experten, um das Thema doch zu knacken – inzwischen teils automatisiert und unter Nutzung von Webcrawlern.“
„Der Bericht des GII und unsere Forschungen zeigen, dass sich die Natur von Innovationsmanagement weltweit ändert: Die Anzahl von Innovationen, die über globale Netzwerke entstehen, steigt deutlich – egal ob die Unternehmen eher national oder international agieren. Schwellenländer werden zu erfolgreichen Innovatoren und China holt mit atemberaubender Geschwindigkeit auf“, ergänzt Engel,
70 Prozent der Führungskräfte erwarten der Umfrage zufolge, dass ihre Innovationsaktivitäten bis 2020 globaler werden. Auch die Akteure verändern sich. So rechnen bis 2020 mit Auswirkungen auf ihr Geschäft:
- 78 Prozent durch die Einbindung von Kunden,
- 67 Prozent durch Partnerschaften mit Start-ups und
- 45 Prozent durch Kooperationen mit Forschungs- und akademischen Einrichtungen.
Dadurch wird auch der Innovationsprozess komplexer: Verschiedene Kulturen, Hintergründe und Ziele müssen in Einklang gebracht werden – ein hoher Anspruch für jedes Unternehmen. Und so schätzen 57 Prozent der Firmen ihre internen Ressourcen und Fähigkeiten, einen internationalen Innovationsprozess zu steuern, als sehr schwach, schwach oder nur mittelmäßig ein.
Deutsche Unternehmen müssen mutiger werden
Ruppert ergänzt: „Die wachsende Transparenz gegenüber möglichen internationalen Innovationspartnern stellt viele Unternehmen vor die Qual der Wahl. Unternehmen können inzwischen auf globalen Datenbanken die Innovationskraft möglicher Partner messen und international vergleichen, um fundiertere Entscheidungen zu treffen.“
„Deutschlands Langsamkeit bei Innovationen wird uns mittel- bis langfristig die Innovationsführerschaft kosten“, meint Engel. Andere Länder holten auf, der Abstand zu den Vorreitern verringere sich. Engel: „Der internationale Kampf um Innovationen, der für den Wettbewerbserfolg eines jeden Unternehmens entscheidend geworden ist, gestaltet sich wie bei David und Goliath: Deutschlands Unternehmen drohen ihn zu verlieren, wenn sie nicht schneller, kollaborativer und mutiger werden.“
Über den GII: Der Global Innovation Index (GII) wird seit 2007 gemeinsam von der Cornell University, dem INSEAD und der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO – einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen) herausgegeben. Er gilt als wichtiges Instrument, um die Innovationsfähigkeit von Ländern zu messen und beruht auf 82 Indikatoren für 128 Länder, die weit über herkömmliche Innovationsmessungen, wie etwa den Stand von Forschung und Entwicklung, hinausgehen. Seit 2015 bringen als Knowledge Partner A.T. Kearney und IMP³rove – der European Innovation Management Academy – ihre Erfahrungen in den GII ein.