Gut drei Monate nach dem Votum der Briten für einen Austritt aus der EU überwiegt die Skepsis bei Managern großer Unternehmen, wie eine aktuelle Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG unter 100 Firmenchefs ergeben hat. Demnach ziehen bereits drei Viertel der Firmenlenker die Verlegung des Hauptsitzes oder zumindest des Geschäftsbetriebs aus Großbritannien in Betracht.
Glaubt man den Angaben der befragten CEOs, so haben 72 Prozent beim Brexit-Referendum am 23. Juni für einen Verbleib den Vereinigten Königreichs in der EU gestimmt – und das, obwohl 69 Prozent die Wachstumsaussichten der britischen Wirtschaft positiv sehen und sich 73 Prozent sogar optimistisch in Hinblick auf Expansionen zeigen. Und dennoch: 76 Prozent der Befragten erwägen mittel- bis langfristig irgendeine Form des Standortwechsels.
Eventualplanungen vorbereitet
„Die CEOs reagieren auf die vorherrschende Unsicherheit mit Eventualplanungen. Mehr als die Hälfte glaubt, dass Großbritanniens Fähigkeit, Geschäfte zu tätigen, mit dem Eintreten des Brexit beeinträchtigt wird. Darum ist es für viele CEOs wichtig, verschiedene Szenarien zu planen, um sich gegen künftige Störungen des Geschäfts abzusichern“, kommentiert Simon Collins von KPMG das Ergebnis der aktuellen Manager-Befragung. Premierministerin Theresa May dürfte also letztlich daran gemessen werden, Arbeitsplätze in Großbritannien zu halten.
820.000 Jobs durch Brexit direkt gefährdet
Schatzkanzler George Osborne hatte gewarnt, dass bei einem Brexit mit 820.000 gefährdeten Jobs zu rechnen sei. „Eventualplanung ist eben nur das – eine Form der Absicherung -, aber sie darf nicht zum ,Plan A‘ werden“, so Osborne. „Den Hauptsitz ins Ausland zu verlegen, ist radikal und macht Schlagzeilen. Doch die Unternehmen könnten damit anfangen, mit wenig öffentlicher Aufmerksamkeit ihre Betriebsaktivitäten ins Ausland zu verlagern. Wir hören immer wieder, dass Unternehmen Sicherheit brauchen.“ Die befragten Firmen haben einen Jahresumsatz von mindestens 100 Mio. Pfund und wenigstens 500 Angestellten.
Nur Tage nach dem Votum hatte der Telekommunikationsriese Vodafone die Verlegung seines Hauptsitzes aus Großbritannien angekündigt. Es sei wichtig, weiter von der Freizügigkeit von Bürgern, Kapital und Gütern zu profitieren, so das Unternehmen.
Die schottische Investmentgesellschaft Standard Life Investments hatte als Reaktion auf den Brexit und damit verbundener Mittelabflüsse ihre Aktivitäten rund um einen 3,4 Mrd. Euro schweren Immobilienfonds einstellen müssen.