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Orientierungslosigkeit und Kulturmangel: Unternehmen auf der Suche nach dem digitalen Macher

Bislang beschränken sich die meisten Veränderungen bei der Digitalisierung in deutschen Unternehmen auf technologische Aspekte wie innovative Tools und IT-Lösungen. Weitere Chancen bleiben ungenutzt. Dabei wird die Veränderungsbereitschaft in der eigenen Organisation als größter Bremser wahrgenommen.

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Traditionelle, starre Strukturen und Orientierungslosigkeit prägen das langsame Entwicklungstempo. Besonders träge und mit verschenktem Potential bewerten über 70 Prozent der Repräsentanten aus dem öffentlichen Sektor die digitale Transformation in ihrer Branche. Dies zeigen die Ergebnisse der Studie „Die Illusion von der digitalen Transformation“der Management- und Technologieberatung BearingPoint, bei der 281 Teilnehmer aus deutschen Unternehmen befragt wurden.

Digitale Technologie statt Transformation

Viele Unternehmen sehen die technologische Entwicklung als den wesentlichen Faktor der Digitalisierung. Für 40 Prozent der Befragten sind Tools, Features und Daten die wichtigsten Themen, bei denen Digitalisierungsinitiativen angesetzt werden. Weitere 21 Prozent setzen auf Automatisierung, Virtualisierung und Agilität.

Doch digitale Transformation verlangt weitaus mehr als die Adaption innovativer Technologien: Komplett neue Geschäftsprozesse werden notwendig. Allerdings haben nur 33 Prozent mit der Transformation ihrer Geschäftsmodelle und KPIs begonnen. Die Änderungen kommen in kleinen Schritten, aber das große Wagnis wird noch gescheut. Den höchsten Sprung haben bislang Handels- und Dienstleistungsunternehmen geschafft, da diese bereits großen Wert auf die Digitalisierung ihrer Vertriebskanäle legen. Der Reifegrad in der Branche ist mit eingeschätzten 40 Prozent sehr solide.

„Digitalisierungsvorhaben werden bei deutschen Unternehmen häufig noch als Technologielösungen verstanden. Obwohl mittlerweile nahezu alle Unternehmen Initiativen gestartet haben, sind diese häufig noch in einem frühen Status oder sehr kleinteilig. Ich erwarte, dass die zukunftsstarken Firmen jetzt Beispielen von Unternehmen wie MAN oder DATEV folgen und versuchen, neue Geschäftsideen zu etablieren. Mit RIO bestreitet MAN den Weg in die offene Supply Chain Plattform-Ökonomie. DATEV hingegen wird sein Produkt- und Dienstleistungsangebot gezielt mit Cloud- und datenorientierten Lösungen erweitern sowie Prozesse automatisieren und weiter vernetzen. Diejenigen Unternehmen, die sich vermeintlich sicher in ihrer Marktposition fühlen und einer traditionellen Denkschule folgen, werden am Ende einen teuren Preis bezahlen, sagt Alexander Broj, Partner bei BearingPoint.

Kulturmangel statt Kapitalmangel

Offenbar stehen Unternehmenskultur, -struktur und -organisation der digitalen Transformation in den befragten Unternehmen im Weg – traditionell, hierarchisch, vertikal, funktional statt agil, horizontal und prozessorientiert. Insbesondere Großunternehmen haben hier Nachholbedarf: Knapp 60 Prozent der Großunternehmen werden noch immer traditionell geführt – mehr als doppelt so viele wie im Mittelstand. Überraschenderweise sieht nur jeder Vierte die finanziellen Ressourcen als Hindernis bei der Digitalisierung an. Budget und Ressourcen reichen folglich in der großen Mehrheit der Fälle aus.

Risikovermeidung, fehlende Veränderungsbereitschaft und niedrige Experimentierlust lähmen Unternehmen in ihrer Chancenverwertung, die die Digitalisierung bietet. Jeder zweite Befragte bemängelt die Bereitschaft zur grundsätzlichen Veränderung in Verhalten und Organisation. Mehr als 40 Prozent bewerten ihr Unternehmen als zu träge mit ungenügender Entscheidungsfähigkeit und -geschwindigkeit. Laut 15 Prozent der Teilnehmer herrscht Orientierungslosigkeit in ihrer Organisation. Nicht einmal jedes zwanzigste Unternehmen verfügt über eine klar definierte Umsetzungsverantwortlichkeit im digitalen Bereich.

Visionäre Köpfe identifizieren und fördern

Die internen Herausforderungen der Digitalisierung sind längst erkannt, doch kaum jemand legt richtig los. Die Studienergebnisse unterstreichen das Warten auf den digitalen Erlöser. Jeder Vierte sieht die Aufgabe „Visionäre Köpfe identifizieren und fördern“ als entscheidenden Erfolgsfaktor, den kulturellen Wandel voranzutreiben. Gesucht wird der Mastermind, auch außerhalb des Unternehmens, der mit Vision und Tatkraft der Organisation einen Ruck gibt. Manager sind als Vorbilder gefragt, die die Organisation in die Zukunft führen. Die eigene Innovationskraft wird stark unterschätzt. Nur 16 Prozent der Befragten sehen die Etablierung einer „Can-do“-Attitude als erfolgsentscheidend an.

„Die Digitalisierung ist unbestritten in allen Unternehmen angekommen. Und im Besonderen haben Banken und Versicherungen vor dem Hintergrund des herausfordernden Marktumfelds ihre Aufgaben verstanden und die besondere Bedeutung des unternehmerischen Denkens und Handelns realisiert. So sehen wir bereits einige erfolgreiche Beispiele, die Kundenzentrierung zu verankern und für den Kunden spürbar – wohlgemerkt in homöopathischer Dosis – umzusetzen. Dennoch werden weitere notwendige Aspekte einer erfolgreichen digitalen Transformation noch mit fehlender Entschlossenheit angegangen“, so Carsten Schulz, Partner bei BearingPoint.

Handlungsempfehlungen – aus alten Handlungsmustern ausbrechen
Auf Basis der Studienergebnisse hat BearingPoint fünf Ansätze formuliert, die Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützen:

    • Kunde, Kunde, Kunde: stärkere Ausrichtung an Kundenwünschen
    • Handeln wie ein Start-up: Fehler zulassen und mutig Neues wagen
    • Investieren wie ein Risikokapitalgeber: Verbündete suchen und Innovationen auch extern entwickeln
    • IT-Infrastruktur ausbauen: IT den geschäftlichen Bedürfnissen anpassen
    • Den „Tipping Point“ zum Umdenken erreichen: starre Strukturen aufbrechen und kulturellen Wandel fördern

Über die Studie: Sie wurde von Juli bis August 2016 durchgeführt und umfasste 281 Teilnehmer aus deutschen Unternehmen. Die Online-Befragung wurde durch 16 Tiefeninterviews ergänzt. Mehrheitlich nahmen Führungskräfte teil. Die befragten Unternehmen bildeten einen repräsentativen Mix hinsichtlich ihrer Branchenzugehörigkeit.

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