Im weltweiten Ländervergleich stehen die Niederlande ganz oben, wenn es um die Anwendung neuer Mobilitätskonzepte geht. Zentrale Stichworte dabei sind „Shared Mobility“, autonomes Fahren, Digitalisierung und Elektromobilität sowie vor allem die regulatorischen Rahmenbedingungen und die Infrastrukturen, die solche Innovationen ermöglichen. Hier sind die Niederlande vorbildlich aufgestellt. Der Automobilstandort Deutschland hingegen rangiert mit Platz 5 nur noch im Mittelfeld, die USA landen auf Rang 10. Das zeigt der zweite „Automotive Disruption Radar“, mit dem Roland Berger regelmäßig den Übergang der Automobilindustrie zum Mobilitätsdienstleister der Zukunft untersucht.
Im Vergleich zur ersten Untersuchung zeigen sich vor allem Veränderungen beim Kundeninteresse, bei der Technologie und bei den regulatorischen Vorgaben. In allen drei Kategorien sind mit China, Singapur und Südkorea asiatische Staaten führend. So hat etwa Singapur die bürokratischen Hürden für autonomes Fahren gesenkt und Experimente mit selbstfahrenden Touristenbussen und fahrerlosen Lastwagen gestartet. Verlaufen die Versuche positiv, könnte dem Stadtstaat der Durchbruch bei innovativen Verkehrskonzepten gelingen.
„Die Zukunft liegt im autonomen Fahren – in erster Linie in Asien“, sagt Marcus Berret, Partner und Leiter des globalen Competence Center Automotive von Roland Berger. „Während Staaten wie Singapur in der Gesetzgebung richtig Gas geben, sind traditionelle Automärkte wie Deutschland durch den Dieselskandal momentan eher mit Schadensbegrenzung beschäftigt.“ Dabei zeigt der „Automotive Disruption Radar“, dass die Autofahrer sehr aufgeschlossen sind: 45 Prozent der Befragten weltweit interessieren sich für autonomes Fahren.
Elektroautos sind immer noch zu teuer
Auch bei der Elektromobilität zeigen sich die Autofahrer offen für Neues: Weltweit können sich 35 Prozent der Befragten vorstellen, als nächstes ein E-Auto zu kaufen. Und wieder ist Asien führend – hier würde die Hälfte der Befragten ein Elektromodell erwerben, in einzelnen Ländern sogar bis zu zwei Dritteln. In Westeuropa sind es nur 30 und in den USA gerade mal 15 Prozent der Umfrageteilnehmer.
„Diese unterschiedlichen Präferenzen schlagen sich auch in den Verkaufszahlen nieder“, analysiert Roland Berger-Partner Wolfgang Bernhart die Lage. „Die Zahl der verkauften Plug-in-Hybrid- und Elektroautos war im ersten Halbjahr 2017 in Asien fast doppelt so hoch wie in Westeuropa und zweieinhalbmal so hoch wie in den USA.“
An einem Punkt sind sich die Verbraucher allerdings grenzüberschreitend einig: E-Autos sind nach wie vor zu teuer. Als zweitwichtigstes Argument gegen den Kauf eines Elektrofahrzeugs gilt die schlechte Ladeinfrastruktur. Als einziges westeuropäisches Land sind bei diesem Thema erneut die Niederlande führend.
„Auch wenn die Verkaufszahlen für E- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge zuletzt wegen reduzierter Subventionen zurückgegangen sind, kann das Land eine hervorragende Ladeinfrastruktur vorweisen – und hat damit die Basis für zukünftig wieder steigende Verkäufe gelegt“, erläutert Bernhart.
Regulatorische Rahmenbedingungen beflügeln autonomes Fahren
Führend im Bereich E-Mobilität sowie Car-Sharing zeigt sich auch China. Deshalb belegt das Land den zweiten Platz im Ranking – und hat noch gutes Entwicklungspotenzial. Dazu kommt: „China hat gute Chancen, nach der Elektromobilität auch beim autonomen Fahren ein führender Markt zu werden“, prognostiziert Bernhart. Ein wesentlicher Treiber für die Entwicklung des autonomen Fahrens sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern: „China ist hier mit der geplanten Genehmigung von autonomen Automodellen und neuen Teststrecken auf dem Vormarsch“, erklärt der Experte.
Deutschland hinkt hier noch hinterher: Zwar hat die Ethikkommission des Bundesverkehrsministeriums nun die ersten Leitlinien für selbstfahrende Autos vorgestellt und für erste „teilautonome“ Fahrzeuge wird es, ähnlich wie in anderen Ländern, Einzelgenehmigungen geben. Doch wie eine Typzulassung erfolgen kann, ist immer noch offen. „Wenn Deutschland und weitere europäische Länder den Anschluss nicht verlieren wollen, muss der Gesetzgeber schnell neue Verkehrskonzepte und innovative Mobilitätslösungen unterstützen“, sagt Berret. „Nur so kann sich der Markt entsprechend weiterentwickeln.“