Insbesondere in drei Disziplinen ergeben sich für Unternehmen aller Branchen bei der Digitalisierung erhebliche Herausforderungen: beim Aufbau und der Integration digitaler Kanäle zu ihren Kunden und Partnern, bei agilen und datengetriebenen Vorgehensweisen für die Entwicklung digitaler Angebote und bei der klaren Verankerung der Führungsverantwortung für die digitale Transformation.
So lautet das Fazit der Studie zum Thema Digitale Exzellenz, die von Sopra Steria Consulting und der Universität Hamburg durchgeführt wurde. Die Analyse erklärt auch Maßnahmen, mit denen sich die Digitalisierung vorantreiben lässt. Relevant sei es vor allem, von digital exzellenten Unternehmen zu lernen und eigene Digitalisierungsinitiativen zu entwickeln und umzusetzen.
Insgesamt identifiziert die Studie zehn Disziplinen der Digitalen Exzellenz, die zusammen die Breite der notwendigen Transformation abbilden. Die Studie zeigt auch, dass die Unternehmen in den meisten Disziplinen noch viel vor sich haben; erst wenige sehen sich gut aufgestellt. Zudem werde deutlich, dass keines der in Tiefeninterviews befragten Unternehmen ein klares Set an Kriterien habe, nach denen es den eigenen Transformationsfortschritt bewerten könne.
Die Herausforderungen im Detail:
1. Digitale Kanäle zu Kunden und Partnern
In der Regel orientiert sich die Unternehmens-IT mit ihren Projekten nach innen. Doch Unternehmen müssen sich im Zeitalter der Digitalisierung auch mit ihrer IT nach außen ausrichten. Kunden und Partner müssen intensiver in die eigenen Prozesse eingebunden werden.
Hierzu seien verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen: Einerseits ist für das Massengeschäft eine Standardisierung von Prozessen und Systemen unentbehrlich. Andererseits erwarten Kunden und Partner mehr Service, beispielsweise die Möglichkeit zur Anpassung von Produkten und Dienstleistungen sowie mehr Interaktionsmöglichkeiten.
Unternehmen agieren zunehmend in sich verändernden Wertschöpfungsnetzwerken. Vor allem die Zusammenarbeit mit neuen Partnern und die Fähigkeit, deren digitale Integration operativ abwickeln zu können, nimmt stark an Bedeutung zu. Die Außenorientierung spiegelt in der Studie erhebliche Unterschiede der Unternehmen, die sich eine gute Digitale Exzellenz attestieren gegenüber denen, die sich selbst schlecht einschätzen.
2. Datengetriebene Agilität
Die propagierte Außenorientierung sei jedoch nur erfolgreich, wenn sie eng mit der Fähigkeit einhergeht, mit hoher Agilität Angebote für die digitale Welt zu entwickeln. Die Studie zeigt, dass Unternehmen, die sich bei der Digitalen Exzellenz besser einschätzen, schneller und systematischer aus Daten für die Weiterentwicklung ihrer digitalen Angebote und Kanäle lernen als schlechter aufgestellte. Bei dieser datengetriebenen Agilität verbinden sich zwei Schlüsseldisziplinen zu einem Motor für Digitale Exzellenz.
– Zum einen müssen Unternehmen Daten so aus verschiedensten Quellen sammeln, systematisch auswerten und zur Entscheidungsfindung wieder in die Prozesse einfließen lassen, so dass dadurch ein unmittelbarer Mehrwert für Kunden entsteht. Ein solches datengetriebenes Vorgehen ist Kern der Entwicklung neuer digitaler Angebote.
– Zum anderen steht mit zunehmender Digitalisierung die Agilität des gesamten Unternehmens auf dem Prüfstand. Denn neue Anforderungen und Ideen müssen schnell realisiert werden, damit die Erwartungshaltung von Kunden und Partnern erfüllt wird.
Die Kür bestehe darin, beide Disziplinen optimal miteinander zu verzahnen, um Produkte und Dienstleistungen agil und datengetrieben weiterzuentwickeln. Beispielsweise kann mit Methoden wie dem A/B-Testing der Erfolg unterschiedlicher Umsetzungsvarianten sofort gemessen und verändert werden.
– Das habe jedoch unternehmenskulturelle Implikationen. Die Unternehmensführung muss sich darauf einlassen, sich von Daten „führen zu lassen“, was wiederum das herkömmliche Verständnis von Entscheidungsprozessen verändert.
– Gleichzeitig muss die IT die Voraussetzungen dafür schaffen, neue Software-Versionen nicht wie bislang üblich ein oder zwei Mal pro Jahr auszuliefern, sondern täglich oder mehrmals täglich. Von dieser Vorgehensweise sind traditionelle Unternehmen noch sehr weit entfernt; die Agilität nicht-exzellenter Unternehmen ist relativ gering.
3. Digitalisierung ist Chefsache
Da die Digitalisierung die Unternehmen in jeder Beziehung herausfordert, ist die digitale Führung wichtig. Sie unterstützt die Digitalisierung durch eine klare Verantwortung und sorgt durch geplante Organisations- und Kulturtransformation für das Fundament der Digitalen Exzellenz.
Dafür benötigen die mit der digitalen Transformation beauftragten Führungskräfte eine umsetzbare Vision. Denn nur die Verankerung auf Managementebene kann notwendige Entscheidungen in der erforderlichen Größenordnung herbeiführen und die damit verbundenen Änderungen durchsetzen.
„Die Unternehmensführung – und das geht nur Top-Down – muss den Wandel anstoßen und begleiten sowie diese Kultur der Schnelligkeit und Agilität vorleben“, so Urs M. Krämer, CEO von Sopra Steria Consulting.
Wege zur Digitalen Exzellenz
Im Verlauf der Studie haben sich drei Wege herauskristallisiert, mit denen Unternehmen versuchen, Digitale Exzellenz zu erreichen:
Der Königsweg ist die umfassende Transformation des gesamten Unternehmens. Dabei wird im Management die Notwendigkeit der digitalen Transformation erkannt, Analyse und Veränderungen richten sich auf alle Abteilungen und Hierarchieebenen.
Weniger erfolgversprechend sind die Gründung eines digitalen Tochterunternehmens oder die fragmentierte Digitalisierung. Rund 25 Prozent der in der Studie befragten Unternehmen gehen den Weg oder spielen zumindest mit dem Gedanken, digitale Tochterunternehmen mit neuen Denkansätzen und Vorgehensweisen zu gründen. Damit werde eine IT und ein Geschäft mit zwei Geschwindigkeiten geschaffen, was große Herausforderungen in der Führung mit sich bringt. Diese Strategien können höchstens als Vorstufe zur ganzheitlichen Transformation dienen, sind aber keine ideale Strategie auf Dauer.
„Die notwendigen Weichenstellungen von heute entscheiden darüber, ob Unternehmen in fünf bis zehn Jahren noch erfolgreich sind“, so Prof. Tilo Böhmann von der Universität Hamburg.