In Deutschland sind fast 50 Prozent der Einkaufsverantwortlichen unter 35 Jahre alt. Diese „Digital Natives“ sind es gewohnt, Konsumgüter komfortabel online zu kaufen und übertragen diese Erfahrungen auf das B2B-Geschäft. Ihr Einkaufsprozess findet daher häufig digital statt. Bis sie erstmals Kontakt zum Verkäufer aufnehmen, sind so bereits 57 Prozent des Entscheidungsprozesses abgeschlossen. „Damit wird die Digitalisierung des Vertriebs zum wichtigen Erfolgsfaktor“, sagt Ralph Lässig, Partner von Roland Berger.
„Wer sich nicht an die Bedürfnisse dieser neuen Generation von Einkaufsentscheidern anpasst, setzt langfristig seine Wettbewerbsposition aufs Spiel.“ Die Roland Berger-Experten haben gemeinsam mit Google eine Umfrage unter knapp 3.000 Vertriebsverantwortlichen in B2B-Unternehmen durchgeführt und die Ergebnisse in ihrer Publikation „Die digitale Zukunft des B2B-Vertriebs – Warum Industriegüterunternehmen sich auf veränderte Anforderungen ihrer Kunden einstellen müssen“ zusammengefasst. Demnach sind sich zwar 60 Prozent der Befragten bewusst, dass ein digitaler Vertriebskanal künftig ausschlaggebend für den Geschäftserfolg sein wird. Doch gerade einmal 42 Prozent verfolgen auch eine Strategie zum Ausbau digitaler Aktivitäten und 33 Prozent bieten noch nicht einmal eine Online-Bestellung ihrer Produkte an.
B2B-Vertrieb bietet großes Potenzial
„Unter dem Schlagwort Digitalisierung verstehen viele Firmen lediglich den Wandel bei Produkten und Produktionsprozessen“, sagt Stefan Hentschel, Industry Leader Technology & B2B von Google. „Dabei umfasst die Digitalisierung alle Unternehmensbereiche. Und gerade der B2B-Vertrieb, also die Schnittstelle zum Kunden, wird bis jetzt vernachlässigt, obwohl hier sehr viel Potenzial steckt.“
Wie viel, zeigt ein Beispiel aus der Praxis: Ein Telekommunikationsausrüster stattete seine Vertriebsmitarbeiter mit einem Tablet und einer speziellen Verkaufs-App aus, mit der sie Produkte direkt mit dem Kunden konfigurieren konnten. Nach nur sechs Monaten erzielten die Verkäufer pro Kontakt 5 bis 10 Prozent mehr Vertragsabschlüsse. Gleichzeitig sank der Zeitbedarf pro Kunde und der Gesamtwert der Verkäufe stieg um knapp 70 Prozent. Für Hentschel ist klar: „Ein digitalisierter Vertrieb erleichtert den Zugang zum Kunden. Bei optimaler Anwendung der neuen Kanäle können mit wenig Aufwand hunderte Einkäufer gleichzeitig erreicht werden.“
Der traditionelle Vertrieb muss sich neu erfinden
Bisher steuerte der Vertrieb den Fluss von Informationen, verschickte Marketingmaterial an Kunden und organisierte Treffen mit ihnen. „Heute ist es anders herum“, sagt Hentschel: „Im Zeitalter des Onlinehandels – egal ob B2C oder B2B – gibt der Kunde den Impuls: Er entscheidet, wann, wo und in welcher Form er mit seinem Gegenüber im Vertrieb interagieren möchte.“ Deshalb sollte die Vertriebsstrategie die Kontaktpunkte mit den Kunden und deren Bedürfnisse ins Zentrum rücken. „Das reicht von der intelligenten Aufbereitung von Informationen, so dass sie online leicht gefunden werden können, bis hin zum Online-Chat mit einem Berater.“
Zudem sollten alle Vertriebskanäle digital aufgerüstet und vernetzt werden. „Die heutigen Entscheider wollen Daten und Fakten jederzeit auf allen Kanälen abrufen, sich mit Experten austauschen, bestellen und umtauschen können“, sagt Lässig. „Es muss daher sichergestellt sein, dass potenzielle Einkäufer nahtlos zwischen den Kanälen wechseln können.“ Das verlangt auch eine gewisse Zentralisierung, etwa eine zentrale IT-Abteilung und ein zentrales Customer Relationship Management-System.
Vier Schritte zur erfolgreichen Digitalisierung des B2B-Vertriebs
Die Experten von Roland Berger und Google empfehlen deshalb vier Schritte zur erfolgreichen Transformation des B2B-Vertriebs ins Digitalzeitalter:
- Wahl der richtigen Methoden für die Umsetzung. Die Umsetzungsmethoden müssen der Geschwindigkeit des digitalen Wandels standhalten. „Wir setzen dabei auf eine Inseltaktik, bei der zunächst geeignete Leuchtturmprojekte identifiziert und ausgeführt werden“, so Ralph Lässig von Roland Berger.
- Bestimmung eines Verantwortlichen, der sich der Digitalisierung annimmt – am besten im Vorstand. Dieser sollte das gesamte Unternehmen für das Thema sensibilisieren und den Umbau Schritt für Schritt vorantreiben. Klassisches Projektmanagement scheitert dagegen oft an den volatilen Rahmenbedingungen der digitalen Welt.
- Einschwören des gesamten Unternehmens auf eine neue „digitale Mentalität“, in der der Impuls zum Verkaufsprozess vom Kunden ausgeht. Mitarbeiter sollten entsprechend geschult werden, um die neue digitale Denkweise zu fördern.
- Die Kooperation mit externen Partnern. So können zum Beispiel Firmen aus dem B2C-Bereich oder Internetunternehmen ihre jeweiligen Erfahrungen beisteuern.