Vernetzte Technologien, die Bosch auf der IAA 2016 Nutzfahrzeuge zeigt, sollen Lkw-Fahrer in ihrem Arbeitsalltag entlasten. Die Konzeptstudie des Bosch VisionX gibt einen Ausblick auf die Zukunft hinter dem Lkw-Steuer: Vernetzung in Kombination mit modernen Anzeige- und Bedieninstrumenten ist die Basis für intelligentes Ladungs- und Routenmanagement ebenso wie für automatisiertes Fahren. Sogenanntes Platooning wird in Zukunft die Fahrer auf langen Strecken entlasten.
Die Entlastung beginne bereits im Fahrerhaus: „Der Arbeitsplatz von Lkw-Fahrern ist heute geprägt von einem Meer an Schaltern und Hebeln“, sagt Dr. Markus Heyn, in der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH verantwortlich für das Nutzfahrzeug-Geschäft. „Das ist weit weg von einer intuitiven Bedienung.“
Intelligente Displays schaffen besseren Überblick
Damit steige in der Fahrerkabine, dem Hauptarbeitsplatz von Fernfahrern, die Gefahr von Fehlgriffen. Das Cockpit der Zukunft soll sich radikal verändern. „Wir wollen eine Bedienoberfläche schaffen, die so einfach ist wie ein modernes Smartphone“, skizziert Heyn die Vision. Klare hierarchische Bedienstrukturen für seltener genutzte Funktionen sowie situativ angepasste Darstellungen – etwa für das Fahren im Platoon – verbessern die Arbeitsbedingungen.
Dafür arbeite im Hintergrund ein elektronischer Ressourcen-Manager. Dieser soll Anzeigen und Informationen auf ein sinnvolles Mindestmaß reduzieren, um den Fahrer so wenig wie möglich vom Blick auf die Straße abzulenken. Ergänzt werde Arbeitsplatz der Zukunft um ein System aus Displays und Kameras, die den rückwärtigen Verkehr beobachten und die Außenspiegel ersetzen. Das sorgt nicht nur für eine bessere Übersicht bei Spurwechseln, sondern löst auch das Problem des toten Winkels. Ein Nachtmodus verbessert außerdem die Sicht bei Dunkelheit.
Platooning entlastet den Fahrer künftig auf langen Strecken
Im Segment der Nutzfahrzeuge legt Bosch den Fokus momentan auf das automatisierte Fahren auf der Autobahn. „Wir konzentrieren uns auf die realen Anwendungsfälle, bei denen automatisiertes Fahren den größten Nutzen bringt.“ Dazu gehört auch das sogenannte Platooning: Im Abstand von 10 bis 15 Metern folgen dabei mehrere Lkw einem vorausfahren-den Fahrzeug, mit dem sie entlang einer virtuellen Längsachse elektronisch vernetzt und gekoppelt sind. Gas-, Brems- und Lenkeingriffe erfolgen synchron. Das automatisierte Windschattenfahren reduziert in erster Linie den Kraftstoffverbrauch um bis zu 10 Prozent. Zudem erleichtert es auch dem Fahrer die Fahraufgabe und erhöht die Sicherheit.
Bis der Lastzug nach Auffahrt auf die Autobahn per Datenaustausch einen geeigneten Konvoi gefunden hat, wird er vom Fahrer gesteuert. Das gilt auch, wenn der Lkw aus dem „Platoon“ genannten Konvoi ausschert, um etwa bei einer Ausfahrt die Autobahn zu verlassen.
Bis Platooning serienreif ist, vergehen je nach Ausbaustufe noch mindestens fünf bis zehn Jahre. Bis dahin helfen künftig Assistenzsysteme von Bosch Lkw-Fahrer im immer dichter werdenden Verkehr etwa beim Staufahren, beim Halten und Wechseln der Spur sowie beim Abbiegen. So können nach Einschätzung der Bosch-Unfallforscher in Zukunft 90 Prozent aller von Trucks verursachten Unfälle mit Personenschaden verhindert werden.
Vernetzung unterstützt den Fahrer bei der Parkplatzsuche
Nicht nur das hohe Verkehrsaufkommen, sondern auch der Mangel an geeignetem Parkraum entlang der Fernstraßen trägt zum Stress für die Fahrer bei. Alleine in Deutschland fehlen etwa 21 000 Lkw-Parkplätze. Der vorhandene Parkraum wird überdies bislang nicht effizient genutzt. Auch hier soll Technologie helfen: „Mit Secure Truck Parking nutzt Bosch die Möglichkeiten der Vernetzung im Kampf gegen die Parkplatznot“, erläutert Dr. Johannes-Jörg Rüger, Vorsitzender des Bereichs Commercial Vehicle and Off-Road bei Bosch. „Ab Herbst ist dieser Service verfügbar.“ Die Fahrer werden aus der Bosch IoT Cloud mit Informationen über freie Parkplätze versorgt und können bereits vorab einen Stellplatz an Autohöfen oder ausgewiesenen Parkarealen reservieren. Dank Schranke, Kameraüberwachung und Einfahrkontrolle bieten die Standorte während Nacht- und Ruhezeiten des Fahrers Sicherheit vor Diebstahl und Sachbeschädigungen.
Logistikprozesse werden endgültig digital
Klemmbretter mit Frachtpapieren, die in vielen Speditionen noch immer zum Alltag gehören, haben bald ausgedient. Denn auch hier ist die Zukunft digital. Dank der Vernetzung erfolgt im Truck das Ladungsmanagement künftig einfach und vollelektronisch per App dank gesichertem Datenaustausch ausschließlich unter beteiligten Personen. Spedition, Kunde und Fahrer soll damit viel Papierkram erspart bleben: Service-Center haben die Ladung des vernetzten Fahrzeugs immer im Blick – das schützt vor Diebstählen und damit auch den Fahrer vor Überfällen.
Predictive Maintenance verhindert ungeplante Standzeiten
Entlastung für den Fahrer bedeutet auch, dass er sich weniger Gedanken um die Wartung seines Lkws machen muss. Dieses Stück Sorgenfreiheit schaffe künftig Predictive Maintenance. Dazu überträgt der Lkw verschlüsselt alle für Inspektions- und Reparaturarbeiten relevanten Daten an ein Rechenzentrum, das wiederum den ausgewerteten Fahrzeugzustand an den Spediteur übermittelt. Er könne daraufhin die Fahrzeuge entsprechend der Werkstatttermine disponieren. Der Vorteil für den Fahrer: In seine Lenkzeit fallen keine Wartungsarbeiten, sodass er sich ganz auf seine Tour konzentrieren kann. „Predictive Maintenance ist ein wunderbares Beispiel, wie Fahrer und Spediteur gleichermaßen von der neuen Bosch-Technik profitieren“, so Rüger.