Das IoT verhilft Unternehmen – auch kleinen und mittelständischen – zu neuen Geschäftsmodellen und macht sie zu „Meistern der Nische“. Denn mit Datenauswertungen lassen sich frühzeitig neue digitale Trends und Entwicklungen identifizieren – sowohl in bestehenden als auch in neuen Geschäftsfeldern. Die CeBIT 2017 zeigt neben einzelnen Bausteinen komplexer IoT-Ökosysteme auch vollständige End-to-End-Lösungen anhand spannender Use-Cases – auch dort, wo man sie nicht erwartet: in der Toilette.
Schon in diesem Jahr wird es mehr vernetzte IoT-Dinge geben als Menschen auf unserem Planeten. Und für 2017 rechnen die Marktforscher mit 8,4 Milliarden vernetzten Dingen. Diesen Boom machen sich gerade mittelständische Unternehmen zunutze, denn die technologische Basis ist erschwinglich geworden. So eignet sich das IoT beispielsweise auch für die digitale Erweiterung der Geschäftsmodelle im Handwerk mit angeschlossenem Handel – wenn beispielsweise Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen nicht mehr verkauft, sondern gegen Monatsgebühr vermietet werden – inklusive Vollservice bei Störungen und Austausch nach Ablauf der vereinbarten Nutzungsdauer.
Oder für Dienstleister im Bereich Lieferung, Installation und Betrieb von Smart-Home-Elementen – alles digital im IoT überwacht und gesteuert. Fehler werden so vor dem Schadensfall erkannt und gemeldet. Das bedeutet kalkulierbaren Wartungsaufwand statt teurer Reparaturen – und „nebenbei“ zufriedenere Kunden.
Fix und fertige IoT-Plattformen
Immer mehr kleine und mittelständische deutsche Unternehmen setzen bei der Vernetzung von Produkten, Maschinen und Anlagen dabei auf fix und fertige IoT-Plattformen. „IoT-Plattformen werden unersetzlich für den Mittelstand“, sagt Dr. Bettina Horster, Vorstand der Vivai Software AG und Direktorin IoT im eco Verband. „Unternehmen profitieren von den umfangreichen Lösungen und von deren höheren Sicherheitsstandards als bei selbstgebauten Lösungen. Die Umsetzung gelingt schneller und sie nehmen eine Menge Komplexität aus der Lösung. Die Abrechnungen über Lizenzmodelle machen die Kosten kalkulierbar.“
Dass standardisierte IoT-Produkte inzwischen die individuellen Lösungen der Anfangsjahre ersetzen, das denken rund 84 Prozent der Teilnehmer einer Experten-Umfrage des eco – Verbands der Internetwirtschaft e. V. Die deutsche Wirtschaft profitiere mit IoT-Plattformen schneller vom Internet der Dinge. Internet-Unternehmen hierzulande könnten damit sogar wieder den Anschluss an große US-Internet-Konzerne bekommen, finden rund 73 Prozent der befragten Experten. Laut 80 Prozent der Befragten gehören zu den Gewinnern insbesondere auch Start-ups, denen der Markt gute Erfolgschancen im B2B-Bereich bietet.
Anwendungsgebiete für zahlreiche Branchen
Horster rät Unternehmen, die auf der Suche nach einer IoT-Plattform sind, unterschiedliche Punkte zu beachten:
- Welche Marktposition hat welche IoT-Plattform,
- welche Referenzkunden nutzen sie?
- Welche Standards werden unterstützt und wo sind meine Daten gespeichert?
„Mit der richtigen IoT-Plattform realisieren Unternehmen Kosten- und Effizienzvorteile, schaffen mehr Kundennähe und verbessern die Produktivität“, sagt Dr. Horster.
Digitaler Schutz vor Nagern
Ein konkretes Beispiel: Rentokil Initial setzt in Deutschland und elf weiteren Ländern auf digitale Geräte zum Schutz vor Nagern. Die bei deren Einsatz anfallenden Daten wertet das Unternehmen mithilfe der Analytics-Plattform Qlik Sense aus. Das Ziel des Dienstleisters ist es, Kunden vorausschauend zu Schädlingsbefall zu beraten und ihnen vernetzte Lösungen zu bieten. Das Einsatzszenario ist weniger kurios, als es auf den ersten Blick scheint. Auch Predictive Analytics für die Landwirtschaft arbeiten in ähnlicher Weise mit Bio- und Wetterdaten – und dieses Segment wird bereits als maßgeblicher IoT-Markt gehandelt.
Bei Rentokil werden im digitalen Risikomanagement zum Beispiel Wetterdaten analysiert, die in Bezug gesetzt werden zu Bewegungsmustern von Nagetieren oder Insektenschwärmen. Bislang werden bereits über 20.000 digitale Rentokil-Geräte eingesetzt, allein um Nager in Schach zu halten.
Die IoT-Geräte haben dazu bereits mehr als 3 Millionen Datensätze generiert. Sobald ein Nagetier gefangen wird, alarmieren die Apparate umgehend einen technischen Mitarbeiter und informieren auch den Kunden über das myRentokil-Onlineportal bezüglich des aktuellen Standes.
Skuril, aber mit Spaßfaktor: Das IoT auf der Toilette
Auf der CeBIT wird deutlich, dass es für das IoT grenzenlose Einsatzmöglichkeiten gibt. Beispiel: pee.win, eine IoT- Gamification Plattform, bestehend aus einem Sensor im Urinal, einer Internet Community und mobilen Apps. Teilnehmer müssen so lange wie möglich auf den pee.win- Sensor urinieren, um Preise zu gewinnen. Betreiber erwirtschaften mehr Umsatz und die Toilettenhygiene steigt. Sponsoren finden an unseren PoS eine ideale Werbeplattform mit garantierten 30 Sek. Aufmerksamkeit. Nach dem Motto „With fun to health“ strebt pee.win den Ausbau in die Bereiche Quantified Self & Urin- Diagnostik an.
Die Digitalisierung des Hotels: Conichi auf der SCALE11
Das Berliner Startup Conichi digitalisiert Abläufe im Hotelalltag, zum Beispiel den Check-In oder die Bezahlung. Das funktioniert über die Beacon-Technologie. Die kleinen Bluetooth-Sender werden im Hotel installiert und kommunizieren mit der von Conichi entwickelten Smartphone-App. So hinterlegen Gäste ganz automatisch ihre Daten im Hotelsystem, begleichen offenstehende Rechnungen oder schließen per Fingerdruck auf das Display ihr Hotelzimmer ab.
Die Gründer von Conichi stellen ihr Produkt auch auf der SCALE11 2017 vor. Der Startup-Bereich der CeBIT bietet Gründern die Möglichkeit, interessierten Messebesuchern ihre Geschäftsidee zu präsentieren und Feedback von erfahrenen Branchenveteranen einzuholen. Entrepreneure treten hier mit Investoren und potenziellen Partnern in Kontakt und präsentieren Innovationen aus den verschiedensten Bereichen – eben auch aus der IoT-Welt.
Wenn Luft krank macht
Jacques Touillon ist CEO des 2013 gegründeten Startups Airboxlab. Und er ist der geistige Vater von Foobot. Auch dieses Unternehmen arbeitet mit dem Internet of Things (IoT). Es zeichnet sich durch eine Besonderheit aus: Das Startup aus Luxemburg und den USA verlässt sich nicht auf eine virtuelle App, sondern zeigt auf der SCALE 11 ein Produkt zum Anfassen.
Foobot ist ein eher unscheinbares Gerät. Doch im Innern überwachen Sensoren permanent die Luftqualität, und bei den ersten Anzeichen von Verunreinigungen schickt Foobot eine Nachricht an das Smartphone des Nutzers. Foobot kann sich auch mit anderen IoT-Geräten verbinden und damit zum Beispiel Luftfilter aktivieren, um unreiner Luft vorzubeugen.
Als Touillon bei seinem Kind eine Asthma-Erkrankung feststellte, entstand die Idee für Foobot. Allerdings hatte er Probleme damit, seine Mitmenschen von der Gefahr verschmutzter Luft zu überzeugen. „Menschen verwerfen diesen Gedanken schnell, einfach nur, weil die Effekte dieser Bedrohung nicht direkt ersichtlich sind“, erklärt er.
Skepsis und Ignoranz waren nicht die einzigen Hindernisse, die dem Erfolg von Foobot anfangs im Weg standen. Auch die Entwicklung der Technologie war knifflig. Doch die harte Arbeit zahlte sich am Ende für Airboxlab aus: Die speziell gefertigte Hardware hob das Unternehmen vom Wettbewerb ab – und etablierte die Entwickler so als Experten auf ihrem Gebiet. Mittlerweile wird Foobot sogar in den Konferenzräumen von Microsoft genutzt.
Smarte Haarbürste erkennt, warum die Frisur nicht sitzt
Der Hair Coach misst beim Bürsten das Tempo und den auf die Kopfhaut ausgeübten Druck. Ist beides zu stark, signalisieren haptische Rückmeldungen, man möge doch mehr Vorsicht walten lassen. Die schlaue Bürste identifiziert zusätzlich die Haarstruktur: Mit ihrem eingebauten Mikrofon, das die Geräusche während des Bürstens empfängt , erkennt sie, wenn das Haar widerspenstig ist, verknotet oder gar Spliss und Haarbruch aufweist. Spezielle Leitfähigkeitssensoren ermöglichen es der Hair-Coach-Bürste auch, zu bestimmen, ob das Haar trocken ist oder nass. Die zugehörige Smartphone-App liefert weitere Einblicke und empfiehlt passende Haarpflegeprodukte, die dabei helfen sollen, die Gesundheit des Haares zu verbessern. Die Bürste soll im Herbst 2017 auf den Markt kommen, der Preis soll unter 200 Euro liegen.
Die Hair-Coach-Entwicklung ist eine Zusammenarbeit von Withings , dem französischen Hersteller verschiedener Gesundheitstracker, Kérastase (Nokia) und dem L’Oréal Technology Incubator . L’Oréal hat zuletzt sein Engagement in Richtung Digital- und Technologie-Startups deutlich erweitert, unter anderem durch die Beteiligung am Risikokapitalgeber Partech Ventures , bei dem auch Nokia mit im Boot ist. Ein erstes Ergebnis des Incubators war 2016 My UV Patch , ein vernetzter Hautsensor zum Aufkleben, der vor übermäßiger Sonneneinstrahlung warnt.
Einsatzgrenzen setzt nur die eigene Fantasie
Fazit: Der allgegenwärtige digitale Spirit erfordert es, bestehende Geschäftsmodelle mit digitalen Eigenschaften und Services auszustatten, um sich vom Wettbewerb abzuheben. Gänzlich neue, rein digitale Geschäftsmodelle können aufgrund der umfassenden Bereitschaft, diese anzunehmen, und der Verfügbarkeit aller dafür nötigen Werkzeuge heute einfach entwickelt werden. Grenzen sind nur durch die eigene Fantasie gesetzt.
Die CeBIT stellt nicht nur eine große Palette an IoT-Lösungen aus verschiedenen Branchen vor, sondern bietet auch die Gelegenheit, wertvolle Kontakte zu potenziellen Partnern und künftigen Kunden zu knüpfen. Wichtigster Anlaufpunkt für Fachbesucher ist die Halle 12 mit dem großen M2M/IoT Pavillon, wo zukunftsweisende IoT-Lösungen für die unterschiedlichsten Branchen vorgestellt werden, die auf offenen und industriellen Standards aufbauen. Im Fokus steht dabei die nachhaltige Verbesserung von Prozessen und die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle.
Für einen intensiven Wissensaustausch sorgt die IoT Expert Conference in unmittelbarer Nähe zum Ausstellungsbereich. Technologieführer aus dem CeBIT Partnerland Japan sind in Halle 12 (und Halle 4) ebenso mit IoT-Lösungen vertreten wie die M2M Alliance, Soracom und der E-Mobility-Pionier Tesla. Darüber hinaus greifen zahlreiche weitere prominente Aussteller den Megatrend auf, darunter Huawei, IBM, Vodafone oder die Deutsche Telekom.