Verstärkt beschäftigen sich Maschinenbauer mit der Frage, wie sie ihre Produktionsleitsysteme miteinander vernetzen können. Ein Schlagwort ist dabei der Begriff „Dark Data“, also ungenutzte Daten, die zwar erfasst, aber nicht genutzt werden. Dabei könnten sich in ihnen wichtige Hinweise für das Verhalten einer Maschine wiederfinden. Ein weiterer Trend ist die digitale Werksplanung mittels Virtual- und besonders Augmented-Reality-Technologien, zum Beispiel mithilfe einer Microsoft HoloLens. Dr. Patrick-Benjamin Bök, Vice President Global Factory Digitalization & Intelligence bei Weidmüller, erklärt in einem Interview, was den Maschinenbau derzeit umtreibt.
Was sind derzeit die Trends bei der vernetzten Produktion?
Bök: Das Tempo der Neuentwicklungen steigt zurzeit stark an. Vor einiger Zeit ging es lediglich um die Vernetzung der Maschinen untereinander, dann spielte das Thema Daten zusehends eine Rolle. Dies intensiviert sich im Moment, weil die Interne-Schlagzahl das Tempo drastisch erhöht. Dabei spielen moderne Manufacturing Execution Systeme (MES, Produktionsleitsysteme) eine zentrale Rolle, denn diese Datendrehscheiben sind das eigentliche Herzstück der vernetzten Produktion. Derzeit beschäftigen sich viele Unternehmen mit der Frage, wie diese Produktionsleitsysteme miteinander vernetzt sind und was man damit machen kann. Stichworte auf dem Weg dahin sind Prozessoptimierung, Stammdatenbereinigung, Informationsdurchgängigkeit und natürlich über welche Datenmengen wir sprechen.
Was ist den Kunden dabei besonders wichtig?
Die Kunden interessieren sich derzeit sehr stark für das Thema „Dark Data“, also ungenutzte Daten, die zwar erfasst aber nicht nutzt werden, weil man sie für das Prozessmanagement nicht benötigt. In diesen Daten können sich aber wichtige Hinweise auf das Verhalten einer Maschine wiederfinden. Viele Kunden interessieren sich daher zunehmend dafür, welche zusätzlichen Einstellungen und Parameter sie damit an den Maschinen erfassen können – und fordern die in ihren Produktionsprozessen gesammelten Daten bereits an. Hier entwickeln sich derzeit verschiedenste Geschäftsmodelle für Ansätze mit Dark Data.
Was sind weitere Trends im Bereich digitale Werksplanung?
Es lässt sich aktuell beobachten, dass die digitale Werksplanung wie auch die digitale Anwendungsplanung zunehmend in den Fokus rückt. Dabei findet derzeit ein Wechsel von der 2D- auf die 3D-Planung statt. Schon heute kann man mittels einer HoloLens nach der digitalen Planung am Computer mit der Brille durch die Halle navigieren. Augmented Reality liefert dabei nicht nur eine Visualisierung, sondern erlaubt über Infos und Fotos auch eine viel lebendigere Darstellung der Fertigungsstätte – bevor diese gebaut wurde. Das ist ein Bereich, in dem auch wir viele neue Projekte gestartet haben und aktuell schauen, wo wir Verbesserungen und Mehrwerte erzielen können.
Und eine langfristige Vision? Welche Entwicklungen sehen Sie in ein paar Jahren?
Die langfristige Vision ist, digitale Durchgängigkeit zum Kunden zu schaffen und den Prozessbetrieb komplett zu planen bzw. zu simulieren. Schon heute kann man den Prozess und einzelne Prozessschritte digital im System abbilden. Diese Schnittstellen sind derzeit noch eine Herausforderung. Denn selbst im Zeitalter der vernetzten Produktion gibt es Stellen, die insofern einen Bruch darstellen, als an diesen Punkten beispielsweise Zustandsinformationen zu Halberzeugnissen erst noch von Hand eingescannt oder für den Produktionsprozess digitalisiert werden müssen. Zwar existieren über beispielsweise RFID Möglichkeiten der Nachverfolgung, aber für manche Bereiche sind diese nach wie vor zu teuer oder sie müssen durch mechanische Abnutzung permanent erneuert werden. Daher ist es hier das erklärte Ziel, analoge Prozesse so weit wie möglich auf null zu reduzieren.
Der Maschinenbau zählt zu den Pionierbranchen all dieser Entwicklungen. Was sind derzeit die Trends?
Nach wie vor sind Neumaschinen auf lange Laufzeiten ausgelegt. Der Maschinenbau kommt noch aus einer Zeit, in der man lange sehr standardisiert vorgegangen ist. Doch Maschinen werden billiger und haben kürzere Laufzeiten und in Zukunft wird größtmögliche Flexibilität gefragt sein. Denn die Kunden selbst müssen künftig noch flexibler sein. Wenn die Maschine günstiger ist, kann das Unternehmen je nach sich verändernden Anforderungen häufiger eine besser passende, neue Maschine anschaffen.
In welchen Ländern passiert derzeit im Bereich Digitalisierung im Manufacturing am meisten?
Natürlich ist China aufgrund der steigenden Lohnkosten ganz vorne mit dabei und mittlerweile neben den USA der am weitesten entwickelte Markt für Informationstechnologien weltweit. Gleichzeitig werden in der Automatisierung große Fortschritte erzielt, mit steigenden Lohnkosten als einem der Treiber. Daher investieren insbesondere die chinesischen Big Player viel in die Digitalisierung und stellen hohe Anforderungen an die Datendurchgängigkeit – sowohl an sich selber, aber auch an die Lieferanten. Für uns in Europa bedeutet das, dass wir uns entsprechend aufstellen müssen, um diesen Anforderungen zu begegnen.
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