Der digitale Wandel wird vom Maschinenbau erfolgreich vorangetrieben – bisher vor allem in der Produktion, künftig auch mit neuen Geschäftsmodellen. Digitale Plattformen und die damit verbundene Plattformökonomie werden eine immer größere Rolle einnehmen, die Wertschöpfung in der Maschinenbauindustrie erfolgt immer stärker durch digitale Services.
„Anders als im Consumer-Bereich lassen sich die häufig komplexen Prozesse von der gemeinsamen Entwicklung und der individuellen kundenspezifischen Konfigurierung einer Maschine über die Inbetriebnahme bis zu den After-Sales-Services aber nicht radikal vereinfachen. Das Know-how, um die Anforderungen eines Kunden zu erfüllen, haben die Unternehmen. Damit kann der Maschinenbau auch in der Plattformökonomie der Treiber des Geschehens sein“, erläutert Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA.
Plattform-Ökonomie ist Chefsache
Zwingende Voraussetzung für diese führende Position sei allerdings, dass auch kleinere und mittlere Unternehmen den digitalen Wandel weiter vorantreiben. „Das Thema Plattform-Ökonomie gehört zwingend auf Vorstands- und Geschäftsführungsebene verankert. Unternehmen müssen sich für die Plattformökonomie eine klare Strategie erarbeiten“, sagt Rauen.
Im Vorfeld der Hannover Messe 2018 hat der VDMA zusammen mit der Unternehmensberatung Roland Berger und der Deutschen Messe AG die Studie „Plattformökonomie im Maschinenbau“ erarbeitet, in der erstmals die Strukturen für digitale Geschäftsmodelle über die gesamte Breite einer Industriebranche im B2B-Segment hinweg analysiert werden. Die Studie listet auch die größten Herausforderungen sowie Handlungsempfehlungen für den mittelständischen Maschinenbau auf.
Dr. Michael Zollenkop von Roland Berger erläutert dazu: „Die großen Hürden für Maschinenbauunternehmen bestehen darin, sich der Relevanz von Plattformen für das eigene Geschäft sowie der bisherigen – aber auch neuer – Kundengruppen bewusst zu werden. Zusätzliche Hardware-Umsätze, gesteigerte Kundenbindung oder Differenzierung im Wettbewerb durch neuartige digitale Services – je nach Zielstellung kommen unterschiedliche Plattformarten für das Unternehmen in Frage.“
Zu den weiteren Herausforderungen zählen:
- Die Plattformökonomie bringt völlig neuartige Know-how-Anforderungen im Vergleich zum Kerngeschäft mit sich,
- die Komplexität der B2B-Landschaft erzeugt derzeit eine Vielzahl von Plattformen. Diese sind jedoch aufgrund des Netzwerkeffektes unter einem Konsolidierungsdruck
- der Wettbewerbsdruck und die Chancenpotentiale im Maschinen- und Anlagenbau werden aufgrund neuer Differenzierungsmöglichkeiten zunehmen.
„Für den Einstieg in das Thema Plattformen sollten Maschinenbau-Unternehmen eine objektive Bestandsaufnahme durchführen, um sich realistische Ziele und Zeitpläne beim Aufbau eines Plattformgeschäfts zu geben. Wie steht es um die ,digitale Reife‘ des Unternehmens? Auf welchen existierenden Initiativen und auf welcher Wissensbasis im Unternehmen kann aufgesetzt werden? Und schließlich: Welche Know-how-Träger und Budgets stehen für eine Beschäftigung mit Plattformen zur Verfügung?“, sagt Martin Lüers von Roland Berger.
Die Studie empfiehlt dazu:
- Entwicklung von Optionen – welche Positionierung im Umgang mit Plattformen passt zum Unternehmen, welche Anpassungen von Geschäftsmodell und Services sind erforderlich?
- Kontrolle über die Kundenschnittstelle – Erweiterung des Angebots um digitale Services/Apps und Geschäftsmodelle als Schlüssel an der Kundenschnittstelle,
- Eingehen von Kooperationen – manche Elemente der digitalen Geschäftsmodelle sollten in Eigenregie aufgebaut werden, manche erfolgen besser in Partnerschaften.
Plattformökonomie im Maschinenbau
Die Maschinenbauindustrie wird geprägt durch ihre hohe Komplexität. Viele Marktteilnehmer fertigen Spezialmaschinen nach ganz speziellen Kundenwünschen, und eine Vielzahl von kleinen Märkten wird von Mittelständlern bedient. Damit unterscheide der Maschinenbau sich maßgeblich von anderen Industriezweigen oder dem Consumer-Geschäft. Die Plattformökonomie stelle nun eine neue Möglichkeit zur Abwicklung von Geschäftsvorgängen dar.
Zwei Ausprägungen gibt es insbesondere:
- Digitale Marktplätze für industrielle Güter und Services,
- Industrielle Internet of Things (IoT)-Plattformen.
Das Erfolgspotenzial von digitalen Plattformen beruhe auf drei Charakteristika: Sie reduzieren Transaktionskosten, ermöglichen neue Services und Geschäftsmodelle und der Netzwerkeffekt erhöht den Nutzen der Plattformen exponentiell mit steigender Anzahl von Teilnehmern.
Im Bereich der Marktplätze entstehen derzeit vor allem vertikal strukturierte Plattformen, welche in Wettbewerb zueinander treten. Dabei bietet ein Unternehmen seine Produkte, das Zubehör, die Ersatzteile und Services und eventuell auch Gebrauchtmaschinen über die Plattform an. Ergänzt wird dieses Angebot von Anbietern von Rohmaterialien, Logistikdienstleistern, Finanzierungsdienstleistern oder Softwarehäusern. Der Kunde kann sich so rund um das Kernprodukt mit allen relevanten Gütern und Leistungen auf der gleichen Plattform bedienen.
Die Erfolgsfaktoren für Plattformen lauten:
- niedrige Einstiegshürden,
- ein breites Angebot von Produkten und Services,
- ein schnelles Wachstum der Plattform,
- der sukzessive Ausbau mit kostenpflichtigen Premiumservices
Die Plattformökonomie werde ähnlich zum B2C-Umfeld auch im Maschinenbau eine neue Epoche einläuten. In Zukunft werde ein wichtiges Element der Differenzierung von Maschinenbauern der Mehrwert sein, der über digitale Services und Geschäftsmodelle zur Verfügung gestellt wird. Eine Positionierung in der Plattformökonomie müsse deshalb essentieller Bestandteil eines jeden Maschinen- und Anlagenbauers werden.
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