Der Boom in der deutschen Bauwirtschaft hält ungebrochen an und wird sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen. Allerdings drohen die sehr guten wirtschaftlichen Aussichten den Blick auf ein Kernproblem der Branche zu verdecken: Beim Thema Digitalisierung hinkt die Bauwirtschaft deutlich hinterher.
Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC nutzt nur knapp jedes zehnte deutsche Bauunternehmen Building Information Modeling (BIM), also die vollintegrierte digitale Planung, Visualisierung und das Management von Bauprojekten. Und das, obwohl die befragten Führungskräfte digitale Prozesse als durchaus vorteilhaft ansehen: Neben Zeit- und Kostenersparnis spricht insbesondere eine erhöhte Flexibilität für die Nutzung von BIM. Mehr noch: Würde das neue Verfahren auf breiter Flur eingesetzt, könnte die deutsche Baubranche laut Einschätzung der Befragten sogar mit einem zusätzlichen Wachstumsimpuls von rund drei Prozentpunkten pro Jahr rechnen.
„Obwohl die Vorteile von Building Information Modeling auf der Hand liegen, schrecken viele Unternehmen vor Investitionen in ihre digitalen Fähigkeiten zurück. Damit verzichten sie nicht nur auf ein erhebliches Wachstumspotenzial, sondern drohen mittelfristig auch ihre digitale Zukunft aufs Spiel zu setzten“, sagt Ralph Niederdrenk, Partner und Leiter der Deals Strategy Group bei PwC in Deutschland.
Der geringe Digitalisierungsgrad mache sich nicht nur bei den Wachstumserwartungen bemerkbar, sondern auch bei der Produktivität. Laut Zahlen des statistischen Bundesamtes konnte die deutsche Baubranche seit 2010 einen Produktivitätszuwachs von lediglich 2,8 Prozent verzeichnen, während beispielsweise die Informations- und Kommunikationsbranche ihre Produktivität im gleichen Zeitraum um knapp ein Viertel verbessern konnte.
„Wer digital nicht mitspielen kann, wird es schwer haben“
Die einzelnen Sektoren der deutschen Bauwirtschaft werden laut der Studie unterschiedlich stark von der Einführung digitaler Prozesse betroffen sein. So sollen etwa Unternehmen, die baunahe Dienstleistungen erbringen oder Gebäudetechnik bereitstellen, ihre Geschäftsmodelle deutlich stärker an neue, digitale Realitäten anpassen müssen als etwa die Baustoffbranche. Das heiße im Umkehrschluss aber nicht, dass sich einzelne Unternehmen der Digitalisierung gänzlich entziehen könnten.
„Building Information Modeling sorgt nicht nur für mehr Transparenz in immer komplexeren Bauprojekten, sondern reduziert auch die Reibungsverluste zwischen den Gewerken“, so Niederdrenk. „Wer in der digitalen Arena nicht mitspielen kann, wird es in Zukunft schwer haben – gerade bei öffentlichen Aufträgen. Denn mit der Initiative „planen-bauen-4.0“ drängt auch die Bundesregierung auf eine schnellere Digitalisierung der Branche.“