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Ende der Flitterwochen: Konzerne profitieren von Partnerschaften mit Start-ups mehr als umgekehrt

Kooperationen zwischen großen Konzernen und Start-ups treten derzeit in eine neue Reifephase ein. Die Euphorie der vergangenen Jahre geht zu Ende, zugleich steigen die Anforderungen an Professionalisierung.

Zu diesem Ergebnis kommt die Studie After the Honeymoon Ends: Making Corporate-Startup Relationships Work, die über Branchen hinweg Partner­schaften zwischen Großkonzernen und Start-ups im deutschsprachigen Raum analysiert. Erstellt wurde die Studie von der Strategieberatung Boston Consul­ting Group (BCG) und ihrer Business-Building-Einheit BCG Digital Ventures (BCG DV). Danach fällt die Bilanz durchwachsen aus: Gerade einmal die Hälfte (55 % der Konzerne sowie 45 % der Start-ups) sind zufrieden mit den Kooperationen.

„Momentan herrscht bei Kooperationen häufig Frust. Dennoch beobachten wir gerade jetzt den Beginn einer neuen Phase der Zusammenarbeit, in der beide Seiten aus ihren Erfahrungen lernen und ihre Partnerschaften mit klareren, realistischeren Erwartungen gestalten“, sagt Stefan Gross-Selbeck, globaler Geschäftsführer von BCG Digital Ventures. „Angesichts immer kürzerer Innovationszyklen liegt in solchen Kooperationen auch weiterhin großes Potenzial.“

DAX-30-Unternehmen setzen auf Know-how von Start-ups

Kooperationen erscheinen sowohl Großunternehmen als auch Gründern aus einer Reihe von Aspekten attraktiv: „Große Unternehmen versprechen sich davon derzeit etwa, das eigene Geschäftsmodell schneller und besser zu digitalisieren. Start-ups erhoffen sich wichtige Marktzugänge. Vor allem die DAX-30-Unternehmen haben das Potenzial mittlerweile erkannt. Sie verfügen über große Ressourcen und können mehrere Projekte in diesem Bereich parallel vorantreiben. Zudem stehen sie gegen­über ihren Aktionären in der Pflicht, innovativ sowie disruptiv zu sein“, sagt Michael Brigl, Partner und Corporate-Venturing-Experte bei BCG.

In Deutschland setzen 29 der DAX-30-Unternehmen auf mindestens ein Innovations­vehikel, zeigt die Studie. Am beliebtesten sind bei ihnen Innovations- oder Digital­labore. Im Durchschnitt verfügen die Firmen über drei der externen Vehikel, ein Fünftel der Dax-Konzerne setzt sogar auf alle fünf Formen. Anders sieht es bei Familienunternehmen aus: Hier nutzt nur etwas mehr als die Hälfte ein Innovations­vehikel, und nur 2 Prozent greifen auf die gesamte Palette zurück.

Die Analyse nach Branchen zeigt große Unterschiede. In Deutschland sind vor allem die Finanzindustrie, die Automobilbranche sowie der Chemie- und Pharmasektor Vorreiter auf dem Gebiet und gehen die meisten Partnerschaften mit Start-ups ein. „In einer schnelllebigen Welt ist es gerade für Konzerne unerlässlich, auf Partner­schaften mit Start-ups zu setzen. Kleinere und mittlere Unternehmen müssen hier noch aktiver werden, damit sie auch weiterhin Hidden Champions und für digitale Talente attraktiv bleiben können“, erklärt Brigl.

Start-ups vermissen sichtbare Umsatzzuwächse 

Kooperationen zwischen großen Unternehmen und Start-ups kennzeichnet, dass die Erwartungen in der Regel sehr hoch sind. Dementsprechend sei das Risiko der Ent­täuschung ebenfalls hoch. 40 Prozent der großen Unternehmen kritisieren, dass während der Kooperation zu wenige Pilotprojekte gestartet und keine neuen Ge­schäftsmodelle entwickelt wurden.

Ebenfalls über 40 Prozent der Gründer sind – trotz Anfangseuphorie – enttäuscht, dass ihre Ziele nicht erfüllt werden, sie also keinen sichtbaren Umsatzzuwachs durch besseren Marktzugang oder neue Vertriebskanäle erzielen konnten. Das Frustpotenzial ist auf beiden Seiten hoch, wenn Entscheidun­gen nicht schnell und vor allem intransparent getroffen werden oder das Gefühl einer ungleichen Partnerschaft besteht, zeigt die Analyse.

Potenzial bei Kooperationen ist nicht ausgeschöpft

Noch scheitern vergleichsweise viele Kooperationen an unterschiedlichen Vorstellun­gen der Partner. „Große Unternehmen müssen lernen, wie ein Investor zu denken, und pro Partnerschaft eine klare Investmentstrategie entwickeln. Dies beinhaltet die Umsetzung einer aktiven Governance, Zugang zu wertschaffenden Ressourcen sicherzustellen und das gemeinsame Definieren von Pilotprojekten mit dem Start-up“, so Brigl.

„Auf der anderen Seite müssen Start-ups deutlich machen, welchen konkreten Mehrwert sie in eine Kooperation einbringen. Zudem sollten sie zeigen, wie ihre Beiträge dem Partner helfen, seine Ziele zu erreichen. Dies ist eine Grundvorausset­zung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, in der das volle Potenzial ausgeschöpft werden kann“, ergänzt Gross-Selbeck. „Partnerschaften leisten einen wesentlichen Beitrag, Innovationen zu beschleunigen, und sind im Hinblick auf die Wettbewerbs­fähigkeit des Standorts Deutschland unverzichtbar.“

Methodik: Für die Studie haben BCG und BCG DV knapp 190 große Unternehmen sowie rund 90 Start-ups in Deutschland, Österreich und der Schweiz nach ihren Erfahrungen mit Kooperationen miteinander befragt. Zudem wurden mehr als 30 Interviews mit Experten aus der Venture-Capital-Szene geführt und 570 große Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hinsichtlich des Einsatzes externer Inno­vationsvehikel untersucht (Digital- und Innovationslabore, Corporate-Venture-Capital, Inkubatoren, Beschleuniger oder Kooperationseinheiten).

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