Autonom fahrende Taxis und Shuttle-Fahrzeuge könnten bis 2035 zu einem massiven Anstieg des innerstädtischen Autoverkehrs führen. Das ist ein Ergebnis der Studie „Urbane Mobilität und autonomes Fahren im Jahr 2035“ aus der Reihe „Datenland Deutschland“ von Deloitte.
Die Autoren der Studie nehmen an, dass im Jahr 2035 Autos zuverlässig voll autonom fahren können und sich autonome Fahrzeuge im Markt etabliert haben. Neben autonomen Pkw im Privatbesitz eröffne dies ein Geschäftsfeld für Dienstleister, die Fahrten gegen Gebühr abrechnen. Dabei könnten zwei sich Fahrzeugtypen durchsetzen: autonome Taxis für ein bis zwei und autonome Shuttles (Sammeltaxis) für maximal vier Passagiere.
Grundlage der Studie ist ein quantitatives Mobilitätsmodell, in das unter anderem Bewegungsmuster, Bevölkerungsstruktur und Pendlerverflechtungen in 109 deutschen Städten sowie ein repräsentatives Online-Experiment mit über 2.000 potenziellen Nutzern zu Akzeptanz und Zahlungsbereitschaft für autonome Fahrdienste einflossen. Das Ergebnis der Berechnungen ist überraschend: „Unser Mobilitätsmodell prognostiziert, dass zwei wesentliche Effekte zu erwarten sind: Die Anzahl der Fahrzeuge, die zeitgleich auf unseren Straßen fahren, nimmt zu. Damit sinkt der Verkehrsfluss und das Staurisiko wird deutlich erhöht“, sagt Dr. Thomas Schiller, Partner und Leiter Automotive bei Deloitte.
Autonome Taxis und Shuttles deutlich günstiger
Denn autonome Fahrdienste könnten in den Städten nicht nur den privaten Pkw, sondern auch den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) verdrängen. Weil die Auslastung beim Robotertaxi höher und die Nutzung effizienter ist, sind Fahrten 25 Prozent günstiger als mit dem eigenen Auto. Nutzer autonomer Shuttles zahlen die Hälfte des Preises eines ÖPNV-Tickets – bei deutlich mehr Komfort. Nach den Berechnungen von Deloitte kosten autonome Taxis 34 Cent pro Kilometer, autonome Shuttles 15 Cent.
Hauptverkehrsmittel Robotaxi
Ließe man den Marktkräften freien Lauf, wären im Jahr 2035 740.000 autonome Fahrzeuge in den Städten unterwegs, das Zwölffache der heutigen Taxiflotte. Jeder dritte Weg würde somit in autonomen Fahrdiensten zurückgelegt werden. Der Preiswettbewerb verdränge dann nicht nur das private Auto, dessen Anteil an den täglich gefahrenen Strecken sich von heute 49 auf 32 Prozent im Jahr 2035 reduziert. Auch die Nutzung des ÖPNV sinkt von 20 auf 14 Prozent. Sogar die Nutzung von Fahrrad und Fußweg geht von 31 auf 21 Prozent zurück. Besondere Anziehungskraft haben die autonomen Fahrdienste für Schüler, die noch keinen Führerschein haben, und Rentner, die nicht mehr selbst fahren wollen oder den Komfort der Tür-zu-Tür-Services autonomer Fahrdienste dem ÖPNV vorziehen.
Drohender Verkehrskollaps
Dabei nimmt der Fahrzeugbestand in urbanen Regionen um 20 Prozent ab, wodurch vor allem der Parkraum entlastet wird. Da jedoch autonome Fahrzeuge häufiger genutzt werden, steigere sich der Verkehr in den Städten in Spitzenzeiten um bis zu 40 Prozent. Staus sind die Folge. Die Durchschnittsgeschwindigkeit auf den Straßen sinke dann um 10 Prozent, die morgendliche Fahrtzeit zur Arbeit verlängere sich im Schnitt um 2,5 Minuten – und zwar für alle Verkehrsteilnehmer. Zumindest die Umwelt werde durch den zunehmenden Verkehr kaum belastet: Die autonomen Fahrzeuge dürften durchgängig elektrisch angetrieben werden und sind damit lokal emissionsfrei.
Smarte Regulierung ist eine Lösung
„Wenn sich der Markt frei ohne Regulierung entwickeln würde, wäre das Potenzial enorm. Die Nutzungsbereitschaft und die Nachfrage sind hoch. Die potenziellen Nutzer würden bereitstehen – die Hersteller müssen mit der entsprechenden Technologie nachziehen und die Politik die richtigen Weichen stellen, damit eine erhöhte Verkehrsbelastung verhindert wird“, fasst Deloitte-Chefökonom Dr. Alexander Börsch zusammen. Denn grundsätzlich könnte eine smarte Regulierung eine Lösung sein, um Mobilität in geordnete Bahnen zu lenken und einen Verkehrskollaps zu vermeiden.
Großes Marktpotenzial
Für die Automobilindustrie und Dienstleister ergeben die autonomen Fahrzeuge neue Geschäftsmodelle, sagt Schiller: „Der Betrieb autonomer Fahrdienstflotten kann pro Jahr ein Umsatzvolumen von bis zu 16,7 Milliarden Euro erreichen – das ist ein Sechstel des Umsatzes, den Fahrzeughersteller heute mit dem Verkauf von Neuwagen in Deutschland erwirtschaften. Für OEMs würde sich hier ein zweiter Markt eröffnen, bei dem es um Kilometer- und nicht um den Autoverkauf geht.“
Die Studie gibt es hier zum Download.