Deutschland hat bei der Digitalisierung weltweit die zweitbesten Rahmenbedingungen – bei der Umsetzung allerdings teilweise noch Luft nach oben. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Studie „Enabling Digitalization Index 2019“ (EDI) des Kreditversicherers Euler Hermes. Demnach sind einzig in den USA die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung noch besser als in der Bundesrepublik.
In den Top 10 befinden sich mit Dänemark (3), den Niederlanden (4), Großbritannien (5), der Schweiz (7) und Schweden (10) weitere europäische Staaten. Aber auch China (9) hat es erstmals unter die besten zehn geschafft (2018: Rang 17). Schlusslichter bei den 115 im EDI ausgewerteten Ländern sind Liberia, Burundi und Chad.
Die Digitalisierungs-Ampel steht auf Grün
„Die Digitalisierungs-Ampel in Deutschland steht definitiv auf grün“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in DACH. „Allerdings ist das Verhalten der Unternehmenslenker sehr unterschiedlich: Die einen sind mit quietschenden Reifen losgefahren und hervorragend unterwegs im digitalen Zeitalter. Anderen wiederum stehen immer noch an der Ampel und finden das Gaspedal nicht. Rahmenbedingungen und Umsetzung sind definitiv zweierlei Schuhe.“
Deutschland punkte vor allem mit dem besten „Ökosystem“ für Wissen und Bildung sowie einer hervorragenden Infrastruktur beim Handel. Sowohl in den Kategorien Wissen als auch Konnektivität hat die Bundesrepublik im Vergleich zum Vorjahr noch weiter zugelegt.
Konkurrenz schläft nicht: Skandinavische Länder schneiden stark ab
„Sechs der zehn Weltbesten sind westeuropäische Staaten. Dabei fällt auf, dass die skandinavischen Länder – insbesondere gemessen an der relativ geringen Größe der Länder – besonders stark abschneiden“, sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe und stellvertretender Chefvolkswirt der Allianz. „Sie kompensieren die fehlende Größe mit Top-Resultaten bei Wissen, Regulierung und Infrastruktur. Davon können sich viele Länder eine Scheibe abschneiden. Dänemark hat dabei den größten Sprung hingelegt und es von Rang zwölf direkt aufs Podium geschafft, mit nur noch knappen Abstand. Deutschland muss also Gas geben.“
Digitalisierung: Risiko von „digitalen Zombies“
Um zu analysieren, wer bei der Umsetzung die Nase vorne und wer noch Nachholbedarf hat, hat Euler Hermes die Ergebnisse aus dem EDI mit sieben bestehenden Indikatoren für die tatsächliche Umsetzung der Digitalisierung verglichen. In zahlreichen Ländern haben die Experten erhebliche Diskrepanzen entdeckt.
„Das zeigt sich, dass die Digitalisierung bei vielen Unternehmen nicht immer offene Türen einrennt“, sagt Van het Hof. „Viele Unternehmen lassen noch viel Potenzial ungenutzt auf der Straße liegen – allen voran in Deutschland, aber auch in Österreich, der Schweiz, Frankreich, Spanien oder Südkorea. Wenn sie nicht ins Hintertreffen geraten wollen, sollten die Unternehmen deutlich Gas geben bei der Digitalisierung – grüner wird die Ampel nicht mehr. Anderenfalls könnten vermehrt ‚digitale Zombies‘ entstehen. Insbesondere die schwächsten Unternehmen sind gefährdet, die nicht genug in die Digitalisierung investieren. Das könnte das Insolvenzrisiko bei diesen Firmen nach oben treiben, denn die Konkurrenz aus den USA oder auch zunehmend aus China schläft definitiv nicht.“
Nachholbedarf zeigen deutsche Unternehmen vor allem im Bereich Cloud Computing und bei Spezialisten für Informations- und Kommunikationstechnologie.
China: Riesensprung nach vorne
China habe seine Rahmenbedingungen im letzten Jahr erheblich verbessert und sich mit Rang neun erstmals in die Top Ten des EDI katapultiert. Zwar seien die Bedingungen in Singapur oder auch Japan nach wie vor noch besser – allerdings ist der Abstand rapide geschmolzen.
„China hat das klare Ziel, digitaler Weltmeister zu werden. Dafür tun sie viel“, sagt Subran. „Knackpunkt für den kräftigen Sprung nach vorne ist die deutliche Verbesserung beim Regulierungsindex in China. Es ist inzwischen sehr viel leichter und vor allem auch kürzer, ein Unternehmen zu gründen. Langwierige Prozesse wurden drastisch verschlankt: Mit durchschnittlich neun Tagen für eine Neugründung liegt China nun gleichauf mit den OECD-Ländern mit hohen Einkommen.“