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Digitales Bankgeschäft in Deutschland wächst schneller als gedacht

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In Deutschland gibt es immer mehr digitale Bankkunden: 33 Prozent aller neuen Konten wurden 2018 bei Digital- oder Direkt­banken eröffnet. Die Offenheit der Kunden für Banking ohne Filialen ist groß: Deutschland liegt bei der Nutzung digitaler Services mit 58 Prozent auf Platz drei unter den untersuchten elf Ländern, knapp hinter Belgien mit 63 Prozent aus­schließlichen Online-Nutzern und den Niederlanden mit 77 Prozent online-affinen Bankkunden.

„Die Zahl der Deutschen, die für Bankservices ausschließlich digitale Kanäle nutzen, nimmt immer rascher zu. Um im Wettbewerb um Kunden zu bestehen, müssen Banken an ihrem digitalen Angebot massiv arbeiten“, kommentiert Holger Sachse, BCG-Partner und Leiter der Retail-Banking-Beratung in Deutschland und Österreich, die Ergebnisse des Global Retail Banking Report 2019 der Boston Consulting Group (BCG). „Mit einem Basisset an digitalen Produkten haben Retail-Banken in Deutschland zwar keine schlechte Ausgangsposition – wenn es aber darum geht, ein einfaches und intuitiv nutzbares Angebot zu definieren, sind sie den digitalen Lösungen von Neo­banken und Fintechs häufig unterlegen“, ergänzt Sachse.

Betrachte man die digitale Affinität deutscher Bankkunden, werde klar, wie wichtig es für Banken hierzulande sei, sich durch Digitalisierung und Personalisierung zu positionieren. BCG-Partner und Koautor der Studie Thorsten Brackert sieht hier zwei wesentliche Treiber: „Auf der einen Seite wachsen Generationen nach, die digitale Services gewohnt sind und sie auch von ihrer Bank erwarten. Auf der anderen Seite finden digitale Lösungen immer mehr Zustimmung bei langjährigen Bank­kunden, denn sie kennen sich mit vielen Produkten bereits aus und wissen die Einfachheit des Zugangs zu ihrer Bank zu schätzen.“ Er erklärt weiter: „Die Heraus­forderung etablierter Banken besteht darin, die Idee der persönlichen Kunden­beziehung für die digitale Welt neu zu erfinden und auch hier Vertrauen und Loyalität aufzubauen.“

Filialstruktur rückt in den Hintergrund

Weltweit ist der Anteil von Bankkunden, die ausschließlich die Bankfiliale für ihre Geschäfte nutzen, seit 2015 von 35 auf zwölf Prozent gesunken. Der Anteil ausschließ­licher Online-Kunden ist im selben Zeitraum von 28 auf 40 Prozent gewachsen. 48 Prozent nutzen 2019 sowohl digitale Bankservices als auch die Filiale vor Ort.

Ein ähnliches Verhalten zeichne sich im deutschen Markt ab: Nur noch 13 Prozent der Deutschen nutzen die Bankfiliale als einzige Anlaufstelle bei Finanzangelegen­heiten. „Kunden in Deutschland erwarten von ihrem Geldhaus zwar innovative digitale Lösungen, Produkte und Services. Wenn es aber um komplexe oder emotio­nal bedeutsame finanzielle Entscheidungen geht, schätzen viele durchaus den per­sönlichen Kontakt in einer Filiale“, sagt Sachse. „Die Rolle der Filiale und der Mitar­beiter in den Filialen wird sich dadurch noch fundamentaler verändern, als wir es heute schon beobachten.“

Quelle: BCG

Weltweite Erträge von 2,9 Billionen US-Dollar erwartet

Die Erträge aus dem Privatkundengeschäft in Deutschland erreichten 2018 rund 53 Milliarden US-Dollar. Bis 2025 prognostiziert BCG für Deutschland ein leichtes Wachstum von 1,3 Prozent.

Auch weltweit sind die Prognosen für die nächsten Jahre positiv: Die Erlöse im Retail-Banking erreichten 2018 ein Gesamtvolumen von 2,1 Billionen US-Dollar. BCG er­wartet bis zum Jahr 2025 eine Steigerung auf 2,9 Billionen US-Dollar, also ein Plus von weltweit fast eine Billion US-Dollar, wovon mehr als eine Billion US-Dollar allein aus dem asiatischen Markt generiert wird. Für Europa rechnet BCG mit einem Erlös von 485 Milliarden US-Dollar.

Massive Investitionen sind notwendig

Ein Blick auf deutsche Retail-Banken zeige, dass die Höhe der Investitionen in digitale Lösungen weit hinter – in dieser Hinsicht – global führenden Banken zurückbleibt. Diese investieren rund sieben Prozent ihres Verwaltungsaufwands in digitale Themen. So entstand im deutschen Retail-Banken-Markt allein in den vergangenen fünf Jahren eine Investitionslücke von mehr als zehn Milliarden Euro.

Digitale Produkte und Lösungen in Verbindung mit maximaler Kundenreichweite sind die wesentlichen Eckpfeiler zukünftigen Geschäftserfolgs. Dafür hat die Studie vier mögliche Strategieoptionen formuliert:

  • Digitalisierte Universalbank: Das Kerngeschäft wird mit Hilfe von Technologie, Analytics und einer Datenplattform grundlegend digitalisiert.
  • Open Banks: Einfache Anbindung von Partnern im Vertrieb mit auf diese Zielgruppe zugeschnittenen Lösungen und Standardschnittstellen. Einbindung von Services und Produkten von Fintech-Partnern in die eigene Wertschöpfungskette.
  • Vernetztes Ökosystem: Besetzen attraktiver Bedarfsfelder wie Wohnen oder Mobilität durch Schaffung von Angebotsplattformen über Banking hinaus.
  • Produktfabrik: Banken fokussieren sich auf erfolgreiche Produkte und Services ihres Kerngeschäfts, vertreiben diese über Drittanbieter und bieten neuen Wettbewerbern einfachen Zugang zu Bankprodukten.

„Sicher ist, das Wettbewerbsumfeld von Banken wird sich fundamental ändern. Um hier nicht den Anschluss zu verlieren, brauchen Banken eine entschlossene und vorausschauende Strategie sowie eine zielorientierte Priorisierung der Budgets“, sagt Brackert.

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