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Digitalisierung im Schienenverkehr: Technologien sind da – kollaboratives Denken und Prozesse fehlen noch

Die Digitalisierung des Schienenverkehrs steckt noch in den Kinderschuhen. Der Sektor sieht die Digitalisierung zwar als klare Notwendigkeit für die Zukunft, ist aber unterschiedlich weit bei der Umsetzung. Auch die Vorstellungen davon, was, wie und mit wem genau digitalisiert werden soll, gehen unter den Beteiligten teils stark auseinander.

Quelle: BearingPoint

Das ist das Ergebnis einer internationalen Studie der Management- und Technologieberatung BearingPoint.“Der Bahnsektor steht angesichts der Klimadebatte weltweit unter immensem Erwartungsdruck. Nur wer jetzt echtes Change Management betreibt, kann die Bahn ins digitale Zeitalter führen“, kommentiert Alexander Schmid von Bearingpoint.

BearingPoint hat untersucht, wie und wo die Digitalisierung die Schieneninfrastruktur effizienter machen kann. Dabei wurden die Studienteilnehmer aus zehn europäischen Ländern sowohl nach Optimierungspotenzial bei Planung und Bau als auch in der Anlageninstandhaltung befragt.

Lange Prozesse und ineffektives Arbeiten behindern Digitalisierung

Quelle: BearingPoint

73 Prozent der Befragten geben demnach in der Umfrage an, dass in Planungsprozessen geeignete Datenmodelle und Planungswerkzeuge eingesetzt werden. Als hinderlich schätzen die Befragten jedoch ineffektives Arbeiten und Doppelarbeiten (89 %) sowie zu lange Planungsprozesse (81 %) ein. 62 Prozent geben darüber hinaus an, dass Planungsunterlagen oft nicht aktuell seien oder gar nicht zur Verfügung stünden. Danach gefragt, ob aktuelle Trends und Technologien bereits in den Planungs- und Bauprozessen verankert seien, ergeben sich starke Unterschiede zwischen den Beteiligten: Während Vertreter von Bauunternehmen (60 %) und IT- sowie Software-Anbietern (57 %) überdurchschnittlich zustimmen, fallen die Eisenbahninfrastrukturunternehmen mit 26 Prozent deutlich zurück.

Nach den wichtigsten Maßnahmen und Faktoren für die Verankerung digitaler Lösungen und Prozesse befragt, geben 100 Prozent der Umfrageteilnehmer an, dass eine Offenheit für digitale Lösungen sowie eine positive Fehlerkultur essenziell seien. 95 Prozent glauben, dass die Strategie, das Management und die Geschäftskultur auf die digitale Transformation ausgerichtet sein sollten.

Als größte Hürden bei der Implementierung digitaler Lösungen werden hingegen der Mangel an digitalem Fachwissen und Fachkräften (89 %) oder die fehlende partnerschaftliche Kultur zwischen einzelnen Geschäftspartnern (64 %) wahrgenommen.

Instandhaltung: viel Papier statt neuer Technologien

Quelle: BearingPoint

Bei der Instandhaltung des bestehenden Schienennetzes sehen die Umfrageteilnehmer vor allem den hohen Anteil an Papierarbeit kritisch (86 %). Innovative Technologien zur Überwachung der Infrastruktur stehen noch am Anfang. So geben 36 Prozent an, bereits mit automatisierter Datenvisualisierung, zum Beispiel bei Weichen, zu arbeiten. 32 Prozent nutzen jeweils Algorithmen für vorausschauende Fehleranalysen oder sensorbasierte Ferndiagnosen zur Früherkennung von Störungen.

Zusammenfassend belegt die Studie, dass der Wunsch nach einer schnellen Digitalisierung des Bahnsektors in der Branche zwar groß ist, die regionale und divisionsübergreifende Skalierung und Vernetzung jedoch noch bevorsteht. Hauptgrund für die Verzögerung in der Umsetzung ist unter anderem die unterschiedliche digitale Reife der einzelnen Stakeholder im Eisenbahninfrastruktur-Management.

Fazit von Schmid: „Digitalisierung des Schienenverkehrs? Im Fußball würde man sagen: Der Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt und das Tor ist leer. Sicherer Erfolg. Übertragen auf die Bahn: Feststehendes Streckennetz und überschaubares Digitalisierungsfeld, klare Zielvorgaben unter nachvollziehbaren verkehrs-, wirtschafts- und umweltpolitischen Erwartungen und hohe, verfügbare Investitionsmittel. Es muss nur jemand gegen den Ball treten und das Tor machen. Und genau daran scheint es bei der Bahn zu fehlen. Die Antworten unserer Studie weisen auf Fachkräftemangel und Führungskräftemangel mit Digitalverständnis. Auf dem Platz muss das Runde ins Eckige. Auf der Schiene muss das Digitale zum mittleren Management. Wer kann zukünftig die sicheren Tore schießen, wenn vielleicht zu wenige etatmäßige Digitalstürmer im Team sind? Klare Taktikanweisung: Dann müssen mit absehbar hohem Change-Aufwand die vielen Analogverteidiger trainiert werden.“

Methodik: Für die Studie „Digitalization in rail infrastructure management“ wurden relevante Teilnehmer entlang der Wertschöpfungskette im Schieneninfrastruktur-Management befragt: Eisenbahninfrastrukturunternehmen, Bauunternehmen, Planungs- und Ingenieurbüros, IT- und Softwareanbieter, Instandhaltungsunternehmen, sowie Hersteller und Eisenbahnbehörden. Insgesamt nahmen 58 Stakeholder aus zehn europäischen Ländern teil.

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