Das Gesamtbudget für IT-Investitionen steigt in 2020 bei fast der Hälfte der DSAG-Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Gleiches gilt für die Investitionen in SAP-IT. Nach vier Jahren sind nun erstmals die Investitionen in S/4HANA höher als in die Business Suite. Hier hat sich eine Wachablösung vollzogen. Bei den Cloud-Lösungen ist noch Luft nach oben und bei den Applikations-Plattformen liegt Microsoft Azure deutlich vor der SAP Cloud Platform. Unabhängig von SAP kommt die Digitalisierung immer noch nur langsam voran.
Das hat der Investitionsreport 2020 der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) ergeben. Laut dem Bericht steigt das Budget für allgemeine Investitionen in die IT 2020 in 46 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH). Bei 19 Prozent der Befragten sinkt es, bei 35 Prozent bleibt es gleich. Über alle Unternehmen hinweg steigt das Budget um durchschnittlich 4 Prozent.
In Bezug auf die SAP-Investitionen wollen 49 Prozent der Befragten mehr investieren. Gleichzeitig sinken die Budgets für SAP aber auch bei 19 Prozent der Befragten, bei 32 Prozent bleiben sie gleich. „Die generell hohe Investitionsbereitschaft ist in der allgemein angespannten wirtschaftlichen Gesamtsituation ein bemerkenswertes Zeichen.
Dies gilt aber offensichtlich nicht für alle Bereiche. 24 Prozent der Befragten aus Produzierenden Unternehmen gaben an, dass ihr Budget sinkt. „Das könnte damit zusammenhängen, dass aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung Unternehmen z. B. aus der Automobilindustrie trotz Digitalisierung noch etwas vorsichtiger in die Zukunft schauen“, schätzt Dr. Marco Lenck, Vorstandsvorsitzender der DSAG die Zahlen ein.
Wendepunkt überschritten
Die Relevanz der Business Suite habe weiter abgenommen und den Wendepunkt klar überschritten. Erstmals in den letzten vier Jahren überwiegen die „hohen und mittleren“ Investitionen in S/4HANA On-Premise und Public Cloud (52 %) diejenigen in die Business Suite (35 %).
Und auch bezüglich des konkreten Umstiegs auf S/4HANA lasse sich eine positive Tendenz erkennen. Über die letzten drei Jahre gesehen, zeichnet sich erstmals ein massiver Anstieg von 3 auf 10 Prozent bei den Unternehmen ab, die S/4HANA bereits einsetzen. Zudem stieg die Quote derer, die in diesem Jahr noch umsteigen wollten, von 5 Prozent in den Jahren 2018 und 2019 auf 9 Prozent.
„Viele, die einen Umstieg planten, haben diesen nun offensichtlich umgesetzt oder sind gerade dabei“, erläutert Marco Lenck. Das zeigt deutlich: S/4HANA ist 2019 endgültig im Markt angekommen. Diese Quote wird auf die kommenden drei Jahre gesehen weiter steigen. Planen doch stattliche 40 Prozent, in diesem Zeitraum ebenfalls umzusteigen. „Das dürfte auch deutliche Implikationen auf den Beratermarkt mit sich bringen“, ergänzt Marco Lenck.
Die Zahl derer, die weiterhin auf SAP ERP setzen, liegt im Vergleich zum Vorjahr konstant bei 6 Prozent. Noch keine Entscheidung haben 13 Prozent getroffen, das sind drei Prozent weniger als im letzten Jahr. „Das heißt, knapp 20 Prozent sind noch ohne S/4HANA-Strategie. Da sind sowohl wir als DSAG als auch SAP gefordert, diese Unternehmen abzuholen und beim Umstieg zu unterstützen“, so Lenck.
Der deutliche Schub in Richtung S/4HANA ist das eine. Andererseits lasse sich aber auch klar konstatieren: Bei der S/4HANA-Public-Cloud stagniert die Entwicklung nach wie vor im mittleren einstelligen Bereich. „Daraus schließen wir als DSAG, dass die bestehende Kundschaft von SAP noch deutlich besser abgeholt werden muss, was die Funktionalitäten der Cloud-Lösungen generell betrifft. Die Public Cloud ist zurzeit nicht die ‚To-go-Lösung‘, auf die die Kunden setzen. So gibt es z. B. in der Öffentlichen Verwaltung, der Gesundheitsbranche und in der Fertigungsindustrie noch Bedenken“, fasst Lenck zusammen.
Systemkonversion bei S/4HANA favorisiert
Bei der Umstellung auf S/4HANA schlagen die Unternehmen unterschiedliche Wege ein. S/4HANA als Neuimplementierung (Greenfield) haben 20 Prozent umgesetzt bzw. geplant. Eine Systemkonversion (Brownfield) ist bei 39 Prozent der favorisierte Ansatz. Gemischte Szenarien wie z. B. hybride Lösungen bevorzugen 7 Prozent. 34 Prozent sind in ihrer Entscheidung noch offen. „Hier braucht es dringend adäquate Entscheidungshilfen, um letztlich auch die abzuholen, die noch keine Entscheidung getroffen bzw. noch kein konkretes S/4HANA-Projekt geplant haben“, ist Lenck überzeugt.
Aufwärtstrend bei SAP Analytics
Bei den SAP-Cloud-Lösungen generell planen 14 Prozent „hohe und mittlere“ Investitionen in SuccessFactors, 13 Prozent in die SAP Analytics Cloud und 11 Prozent in C/4HANA. Ariba, Integrated Business Planning und Concur bleiben im einstelligen Bereich. Nur bei der SAP Analytics Cloud hält der Aufwärtstrend an. War es im letzten Jahr noch ein Plus von 6 Prozentpunkten auf damals 9 Prozent, ist die Investitionsbereitschaft noch einmal um 4 Prozent auf nun 13 Prozent für „hohe und mittlere“ Investitionen gestiegen.
„Die SAP-Anwenderunternehmen investieren weiterhin in die Cloud-Lösungen der SAP, um ihre Prozesse auch außerhalb des eigentlichen Cores herum zu erweitern. Die Anforderung besteht, dass das standardisiert als einheitlicher Prozess, ohne Modifikationen durchgeführt werden kann. Hier müssen wir als DSAG in weiteren Diskussionen mit SAP für die Weiterführung der Out-of-the-Box-Integration und harmonisierte Datenmodelle sorgen. Das erleichtert dann auch den Einsatz eines stark wachsenden Produktes wie SAP Analytics Cloud“, erläutert Lenck.
Bei der Relevanz der Applikations-Plattformen (Platform-as-a-Service, nicht Infrastruktur) liegt Microsoft Azure mit 24 Prozent bei „hohen und mittleren“ Investitionen klar vorn. Auf dem zweiten Platz folgt die SAP Cloud Platform mit 14 Prozent. „Diese Konstellation könnte darauf zurückzuführen sein, dass Microsoft vorrangig als generelle Digitalisierungsplattform in den Unternehmen eingesetzt wird und die SAP Cloud Platform eher als Plattform für Lösungen der SAP die erste Wahl ist“, kommentiert Lenck das Ergebnis.
Leichte Trendwende bei der Digitalisierung
Neben einzelnen Produktbereichen, erfasst die Umfrage auch den Status quo der Unternehmen bei der digitalen Transformation, unabhängig von und ohne direkten Bezug zu SAP. „Weit“ und „sehr weit“ sind dabei 35 Prozent der Unternehmen, eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr (31 %), aber noch weit von den 45 Prozent aus 2018 entfernt.
Für Lenck eine interessante Entwicklung: „Anfangs war die digitale Euphorie groß, dann hat sich gezeigt, dass der Aufwand in manchen Bereichen doch größer ist, als angenommen. Aber die Trendwende ist zu erkennen“. Dennoch hinke die digitale Transformation aktuell noch klar hinter den allgemeinen Erwartungen hinterher. Als „nicht sehr weit“ sehen sich aktuell noch 63 Prozent und damit 3 Prozent weniger als noch im letzten Jahr.
Bessere Unterstützung – weniger Zurückhaltung
Die Gründe für die „digitale Zurückhaltung“ wurden auch in diesem Jahr abgefragt. Als „wichtig“ und „sehr wichtig“ stehen fehlende Ressourcen wie Mitarbeiter und Berater mit 77 Prozent und die aufwendige Integration mit 68 Prozent ganz vorn.
„Die Unternehmen haben erkannt, dass es komplex werden kann, wenn ein entsprechendes Projekt gestartet und die Integration vollzogen wird. Das heißt aber auch, dass SAP massiv daran arbeiten muss, die Unternehmen bei ihren Integrationsaufgaben noch besser zu unterstützen. Je standardisierter die Lösungen, desto einfacher die Integration und desto weniger Baustellen“, fasst Lenck zusammen.
An Technologie fehlt es nicht
An dritter Stelle steht das fehlende Know-how mit 60 Prozent. „Wenn die Unternehmen die technischen Möglichkeiten der Lösungen nicht kennen, sinkt die Bereitschaft, sich damit auseinander zu setzen. Darum ist es wichtig, die entsprechenden Abteilungen gezielt zu aktivieren“, ist Lenck überzeugt.
Interessant sei auch der fehlende Business-Case bei 47 Prozent der Befragten. „Vielleicht sind die notwendigen Investitionen zu hoch oder der konkrete Nutzen des Projekts lässt sich nicht klar festlegen. Oder es fehlt am Know-how, was mit der Software konkret verbessert werden könnte“, interpretiert Lenck das Ergebnis. Denn wie die Umfrage weiter zeige: An fehlender Funktionalität der Lösungen oder fehlender Technologie kann es nicht liegen. Die beiden Argumente stehen mit 45 Prozent bzw. 29 Prozent am Ende der Liste.
Fazit: Weitere Aufklärungsarbeit ist nötig
Viele Unternehmen scheinen aktuell noch in einer Zwickmühle gefangen. Die Zukunft liege klar in der Digitalisierung, das aktuelle wirtschaftliche Umfeld scheine dafür aber in vielen Bereichen noch nicht bereit zu sein. Dennoch komme Bewegung in die Sache, denn S/4HANA ist aus dem langen Schatten der Business Suite herausgetreten. Nichtsdestotrotz seien noch zu viele ohne konkrete S/4HANA-Strategie unterwegs. Oder es fehle noch die klare Linie, welchen Ansatz sie für den Umstieg wählen sollen. Das bedeute, SAP und DSAG müssen auch in diesem Jahr die Aufklärungsarbeit zum Nutzen der Anwender weiter intensivieren. Gleiches gelte für die Cloud-Ansätze und die Unterstützung von SAP-Projekten im Zusammenhang mit der Digitalisierung.
Methodik: Die DSAG hat vom November 2019 bis Januar 2020 eine Online-Umfrage zu geplanten Investitionen für 2020 ausschließlich bei Anwenderunternehmen im deutschsprachigen Raum durchgeführt. Pro Unternehmen wurde nur eine Person befragt. 288 CIOs, Leiter von Competence Centern (CC) und Vertreter von DSAG-Mitgliedsunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz nahmen an der Umfrage teil. Knapp die Hälfte der Teilnehmer kommt aus Unternehmen mit einer Größe zwischen 500 bis 2.500 Mitarbeitern.