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Digitalisierungsschub in der deutschen Wirtschaft wird Pandemie überdauern

Der durch die Corona-Pandemie in der deutschen Wirtschaft ausgelöste Digitalisierungsschub ist von Dauer. Eingeleitete Maßnahmen wie Videokonferenzen oder Kollaborationstools, aber auch die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle werden mehrheitlich beibehalten oder sogar noch ausgeweitet. Zugleich setzen sich die Unternehmen verstärkt mit der Nutzung wichtiger digitaler Technologien wie Datenanalysen oder Künstlicher Intelligenz auseinander. Von der künftigen Bundesregierung wird mit weit überwiegender Mehrheit gefordert, dass die lange Liste an überfälligen Digitalisierungs-Maßnahmen jetzt umgesetzt wird.

Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter 602 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. „Die Pandemie hat zu einem nachhaltigen Digitalisierungsschub in der deutschen Wirtschaft geführt. Die wegen Corona aus der Not heraus eingeleiteten Digitalisierungsmaßnahmen haben sich vielerorts bewährt und werden auch in einem künftigen Normal-Betrieb vorangetrieben. Diese digitale Aufbruchstimmung müssen wir nutzen“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. „Die Politik sollte die Entwicklung unterstützen und darf keine neuen Hürden errichten. Und auch die Unternehmen müssen ihre Digitalprojekte jetzt ganz konsequent umsetzen. Digitalisierung ist kein Problem, das es zu lösen gilt. Digitalisierung ist ein dauerhafter Prozess und vor allem ist sie der Schlüssel, um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern – vom Klimaschutz bis zur Sicherung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze und unseres Wohlstands.“

Corona hat Digitalisierung beschleunigt

9 von 10 Unternehmen geben an, dass durch die Corona-Pandemie die Digitalisierung im eigenen Unternehmen an Bedeutung gewonnen hat, vor einem Jahr lag der Anteil bei 84 Prozent. Und sogar 94 Prozent sehen einen Bedeutungszuwachs der Digitalisierung für die deutsche Wirtschaft insgesamt (2020: 86 %). Mit 34 Prozent sehen sich verglichen mit dem Vorjahr (27 %) wieder mehr Unternehmen als Vorreiter bei der Digitalisierung. Zwei Drittel (65 %) sehen sich eher als Nachzügler (2020: 71 %), aber keines (2020: 1 %) meint, den Anschluss verpasst zu haben.

Das spiegelt sich auch einer Vielzahl konkreter Digitalisierungsmaßnahmen wider, die aufgrund der Corona-Pandemie angegangen oder intensiviert wurden. So haben 92 Prozent Videokonferenzen statt persönlicher Treffen neu eingeführt oder ausgeweitet, drei Viertel (74 %) Tools zur digitalen Zusammenarbeit und rund zwei Drittel (63 %) haben zusätzliche Hardware angeschafft.

Prozesse wurden häufig digitalisiert, etwa indem digitale Dokumente statt Papier (66 %) oder digitale Signaturen statt der handschriftlichen Unterschrift (60 %) genutzt werden. 60 Prozent entwickeln digitale Geschäftsmodelle und 41 Prozent haben Beratungen zur Digitalisierung genutzt.

Im Personalbereich haben 8 von 10 (81 %) Homeoffice ausgeweitet oder neu eingeführt, 61 Prozent setzen auf die Weiterbildung der Beschäftigten zu Digitalthemen, rund jedes Zweite (48 %) hat Recruiting und Onboarding digitalisiert und 17 Prozent Digitalisierungs-Experten eingestellt.

„Viele Unternehmen haben sich während der Pandemie vom Papier verabschiedet. Das zeigt: Digitalisierung im Unternehmen ist nichts Abstraktes, Digitalisierung besteht aus einer Vielzahl von konkreten Maßnahmen gepaart mit einem neuen Denken“, so Berg.

Wer Digital-Projekte gestartet hat, hält zumeist an ihnen fest

Die große Mehrheit der Unternehmen will auch künftig an ihren durch Corona angestoßenen Projekten zur Digitalisierung festhalten oder diese ausweiten. So wollen fast alle Unternehmen (97  %), die in der Pandemie digitale Signaturen verwendet haben, diese weiter oder sogar verstärkt nutzen.

Beim Einsatz digitaler Dokumente statt Papier beträgt der Anteil 95 Prozent, ebenso bei der Weiterbildung der Beschäftigten zu Digitalthemen. 87 Prozent bleiben Kollaborationstools treu, 82 Prozent der Neueinstellung von Digital-Expertinnen und -Experten und 80 Prozent setzen weiter auf Beratungen zur Digitalisierung.

Jeweils drei Viertel entwickeln ihre digitalen Geschäftsmodelle weiter (75 %) oder nutzen digitale Tools für das Recruiting (74 %), zwei Drittel sind es bei der Anschaffung neuer Hardware (69 %) und dem Einsatz von Videokonferenzen statt persönlicher Treffen (68 %).

Allein beim Homeoffice zeigt sich ein anderer Trend: Hier wollen nur 27 Prozent an den Corona-Regelungen festhalten oder diese ausweiten, aber 71 Prozent wollen sie ganz oder teilweise wieder zurücknehmen. „Digitale Technologien leisten weiterhin einen wichtigen Beitrag, dass während der Pandemie die Arbeit in den Unternehmen aufrechterhalten werden kann. Die Erfahrungen waren dabei überwiegend so positiv, dass die Unternehmen ihren Weg in die digitale Wirtschaft weitergehen wollen“, so Berg.

Unternehmen beschäftigen sich mit Big Data, IoT und KI

Der coronabedingte Digitalisierungsschub sorgt zudem für eine stärkere Beschäftigung mit entscheidenden digitalen Technologien in der deutschen Wirtschaft. So geben inzwischen drei Viertel (73 %) an, Big Data zu nutzen oder den Einsatz zu planen oder zu diskutieren. Vor zwei Jahren waren es erst 59 Prozent.

Das Internet of Things, das insbesondere bei der vernetzten Produktion wichtig ist, beschäftigt zwei Drittel (65 %) gegenüber 44 Prozent 2019. Für jeweils rund die Hälfte sind 3D-Druck (54 %, 2019: 43 %), der neue Mobilfunkstandard 5G (53 %, 2019: 32 %) und Virtual bzw. Augmented Reality (50 %, 2019: 32 %) ein Thema.

Jedes dritte Unternehmen (34 %) setzt sich mit Künstlicher Intelligenz auseinander oder nutzt KI-Technologien – verglichen mit 12 Prozent 2019 ist das der deutlichste Anstieg. Autonome Fahrzeuge spielen in 30 Prozent der Unternehmen eine Rolle (2019: 17 %).

Dagegen stagniert die Beschäftigung mit der Blockchain (4 %, 2019: 6 %). Berg: „Die Auseinandersetzung mit wichtigen digitalen Technologien kommt in den Unternehmen in aller Breite an.“

Angst vor Digitalisierung schwindet – Probleme bleiben

Nur noch 6 Prozent geben an, die Digitalisierung gefährde die Existenz ihres Unternehmens. Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 10 Prozent, 2017 sogar noch bei 25 Prozent. Gleichzeitig wachsen aber die Probleme, die Digitalisierung zu bewältigen: Inzwischen geben dies 40 Prozent der Unternehmen an, nach 34 Prozent im vergangenen Jahr und 30 Prozent 2017. Dabei reagieren die Unternehmen auf diese zunehmend digitale Welt. Drei Viertel (78 %) passen als Folge der Digitalisierung bereits bestehende Produkte oder Dienstleistungen an, 59 Prozent nehmen bestimmte Produkte oder Dienstleistungen vom Markt und 56 Prozent bieten neue Produkte oder Dienstleistungen an.

„Die Unternehmen stellen sich der Digitalisierung. Dabei wird nicht nur auf Veränderungen reagiert, indem Produkte vom Markt genommen werden. Die Entwicklung wird vielmehr ganz bewusst gestaltet, mit Anpassungen an bestehenden und auch mit der Entwicklung neuer Produkte“, sagte Berg.

Digitalisierung verschärft Wettbewerb

Zugleich führt die Digitalisierung zu einem immer schärferen Wettbewerb. Jedes zweite Unternehmen (51 %) stellt fest, dass Wettbewerber aus der eigenen Branche, die frühzeitig auf die Digitalisierung gesetzt haben, ihm nun voraus sind. 2017 haben dies nur 36 Prozent angegeben.

Und aktuell sagt mehr als die Hälfte (54 %), dass durch die Digitalisierung Wettbewerber aus anderen Branchen in den eigenen Markt drängen. 7 von 10 Unternehmen merken, dass Unternehmen aus der Internet- und IT-Branche in ihren angestammten Märkten auftauchen. 2017 waren es mit 57 Prozent noch deutlich weniger.

Berg: „An der Schwelle zum Jahr 2022 kann sich im Wettbewerb nur durchsetzen, wer auf die digitale Karte setzt.“

Auf dem Digital-Zeugnis steht eine Drei

Dabei zeigen sich die Unternehmen durchaus selbstkritisch und geben sich auf einer Schulnoten-Skala für den Stand der eigenen Digitalisierung nur ein „befriedigend“ (3,2). Damit fällt die Einschätzung aber etwas besser aus als im Vorjahr. 2020 stand unter dem Strich eine 3,4. Am besten schätzen sich Großunternehmen mit 2.000 und mehr Beschäftigten ein, die sich im Schnitt mit 2,7 beurteilen. Unternehmen zwischen 100 und 499 sowie 500 und 1.999 Beschäftigten kommen auf eine 3,1. Und kleinere Unternehmen zwischen 20 und 99 Beschäftigen geben sich eine 3,2 als Digitalisierungs-Note.

Digitalisierungs-Hemmnisse: Datenschutz, Fachkräftemangel, Zeit

Deutliche Veränderungen zum Vorjahr gibt es bei den Gründen, die Unternehmen bei ihren Digitalisierungs-Bemühungen bremsen. So beklagen 8 von 10 (79 %) die Datenschutz-Anforderungen. Das ist ein Anstieg um 10 Prozentpunkte verglichen mit dem Vorjahr. Ebenfalls um 10 Prozentpunkte zugelegt hat der Fachkräftemangel, den zwei Drittel (65 %) der Unternehmen als Digitalisierungs-Bremse benennen. Und fast jedes Zweite (46 %) sagt, es fehle an der Zeit im Alltagsgeschäft, um die Digitalisierung voranzubringen (2020: 37 %).

Langwierige Entscheidungsprozesse, die die Digitalisierung bremsen, beklagen 30 Prozent und damit deutlich mehr als im Vorjahr mit 19 Prozent. Seltener genannte Digitalisierungs-Hemmnisse sind dagegen Anforderungen an die technische Sicherheit (42 %), zu geringe finanzielle Mittel (34 %) und die fehlende Verfügbarkeit marktfähiger Lösungen (23 %).

„Datenschutz entwickelt sich immer mehr zur Digitalisierungs-Bremse Nummer eins. Dabei geht es nicht nur um die gesetzlichen Vorgaben. In Deutschland besteht eine riesige Verunsicherung, befeuert durch ein weltweit einmaliges Auslegungswirrwarr mit 17 Datenschutzaufsichten in den Ländern und einer im Bund“, so Berg.

Investitionen in Digitalisierung könnten zurückgehen

Im laufenden, von der Pandemie geprägten Jahr hat jedes dritte Unternehmen (34 %) mehr in die Digitalisierung investiert als 2020, aber fast genauso viele (31 %) haben weniger investiert. Rund ein Viertel (27 %) hat die Investitionen nicht verändert. Für das kommende Jahr planen nur noch 12 Prozent steigende Digitalisierungs-Ausgaben, aber 37 Prozent wollen ihre Investitionen zurückfahren. Rund die Hälfte (45 %) will ebenso viel ausgeben wie in diesem Jahr.

„Digitalisierung gibt es nicht zum Nulltarif. Konsequente Digitalisierung geht nur mit entsprechenden Investitionen. Als Return gibt es Wettbewerbsstärke, Krisenresilienz und Zukunftsfähigkeit“, so Berg.

Politik muss Digitalisierung zur Top-Priorität machen

Die große Mehrheit der Unternehmen (88 %) meint, dass Deutschland bei der Digitalisierung den Anschluss an Länder wie die USA oder China verloren habe. Im weltweiten Vergleich halten nur 1 Prozent die Bundesrepublik für weltweit führend bei der Digitalisierung, 30 Prozent sehen sie zumindest in der Spitzengruppe. Ebenso viele (30 %) verorten Deutschland im Digital-Mittelfeld, 29 Prozent unter den Nachzüglern und 6 Prozent sagen: Deutschland ist bei der Digitalisierung weltweit abgeschlagen.

„Lange Liste von Digitalisierungs-Aufgaben“

Von der kommenden Bundesregierung wünschen sich die Unternehmen, dass seit Jahren angekündigte Digitalmaßnahmen nunmehr umgesetzt werden. So wollen 99 Prozent, dass Ämter und Behörden alle Leistungen auch digital anbieten, 96 Prozent befürworten den massiven Ausbau von Polizeieinheiten, die auf Internet-Kriminalität spezialisiert sind, und 95 Prozent wünschen sich, dass Daten der Bundesverwaltung grundsätzlich veröffentlich werden sollten.

Im Bildungsbereich sprechen sich 87 Prozent für mehr Kompetenzen des Bundes aus, damit die Digitalisierung der Schulen vorangetrieben wird, 82 Prozent sind für ein Pflichtfach Informatik ab Klasse 5 und 76 Prozent für ein gesetzlich garantiertes Recht auf digitale Bildung für jedermann. 8 von 10 Unternehmen (78 %) halten ein eigenständiges und starkes Digitalministerium für notwendig.

Drei Viertel (75 %) unterstützen die Forderung, dass es an jedem Verkaufspunkt die Möglichkeit geben muss, digital zu bezahlen. Und 72 Prozent würden es begrüßen, wenn die Landesdatenschutzbeauftragten durch eine zentrale Behörde ersetzt werden würden.

„Die nächste Bundesregierung hat eine lange Liste von Digitalisierungs-Aufgaben, die wir teilweise schon seit Jahren vor uns herschieben. In den ersten Sondierungsgesprächen haben die Ampel-Parteien der Digitalisierung zu Recht einen sehr hohen Stellenwert eingeräumt“, sagte Berg. „Entscheidend ist aber nicht, was man in der ersten Runde verspricht. Entscheidend ist, was am Ende vereinbart ist und dann auch umgesetzt wird.“

 

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