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Digitalisierung im Mittelstand: Es droht die digitale Zwei-Klassengesellschaft

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Bildquelle: BMWI

Der Einzug digitaler Technologien in den deutschen Mittelstand ist nicht mehr aufzuhalten. Bei mehr als jedem zweiten Unternehmen spielen digitale Technologien bereits jetzt eine große beziehungsweise mittelgroße Rolle für das eigene Geschäftsmodell. Allerdings gibt immerhin noch jedes fünfte Unternehmen an, dass sie gar keine Rolle spielen.

Das dürfte sich ändern. Denn egal in welcher Form – ob Onlinebezahlung, digitale Kundenbetreuung oder automatisierte Produktion – die Bedeutung digitaler Technologien wird künftig eher noch zunehmen: Mehr als jedes dritte (35 %) Unternehmen geht davon aus, dass sie in den nächsten fünf Jahren deutlich zunehmen wird und 39 Prozent erwarten immerhin noch eine leichte Zunahme.

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Quelle: EY

Allerdings gibt es laut einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) auch Faktoren, die bei gut jedem dritten Unternehmen verhindern, verstärkt digitale Technologien zu nutzen. Jedes achte klagt über begrenzte finanzielle Möglichkeiten, jedes neunte über fehlendes Personal und jedes elfte hat nach eigenen Angaben nicht das nötige Know-how.

EY-Partner Peter Englisch sieht den Mittelstand insgesamt auf einem guten Weg, warnt aber vor einer Zweiklassengesellschaft. „Deutschland ist ein Hochtechnologie-Standort, der von der Innovation lebt. Der deutsche Mittelstand hat sich schon immer dadurch ausgezeichnet, dass er schnell und flexibel auf Veränderungen reagieren und sich anpassen konnte. Die große Bedeutung, die digitale Technologien heute schon in vielen Betrieben einnehmen, zeigt, wie weit vorne viele Mittelständler bei der technologischen Innovation sind. Allerdings drohen manche den Anschluss zu verlieren. Fehlendes Geld oder fehlendes Personal dürfen nicht die Ausrede sein, um nötige Weichenstellungen für die Zukunft zu verschlafen. Die Unternehmen müssen sich schnell Lösungen einfallen lassen, um sich zukunftsfest zu machen.“

Die Unternehmen, die heute schon digitale Technologien für ihr Geschäftsmodell nutzen, setzen sie vor allem in der Kundenbeziehung ein. 39 Prozent pflegen ihre Kundenbeziehungen ganz oder teilweise auf digitalem Weg. 33 Prozent haben mobile Endgeräte wie Smartphone oder Tablet in ihre tägliche Arbeit integriert, und 23 Prozent wickeln Verkauf und Bezahlung online ab.

Große Mittelständler setzen stärker auf Digitalisierung

Gerade bei den kleineren Mittelständlern bleibe das Potenzial ungenutzt. Dabei könnten auch sie etwa durch flexible Produktion oder Vernetzung ihrer Produkte stark profitieren. Dennoch spielen digitale Technologien nur bei 43 Prozent der Unternehmen mit einem Umsatz bis zu 30 Millionen Euro eine sehr große oder mittelgroße Rolle. In der Umsatzklasse zwischen 30 und 100 Millionen Euro liege der Anteil bereits bei 59 Prozent und in der Umsatzklasse über 100 Millionen Euro sogar bei 63 Prozent.

Und auch in Zukunft soll sich an der unterschiedlichen Nutzung digitaler Technologien nicht viel ändern. Während lediglich 29 Prozent der kleineren Mittelständler von einer deutlich größeren Bedeutung in den kommenden fünf Jahren ausgehe, seien es bei den großen Unternehmen 46 Prozent.

„Sich für die Zukunft aufzustellen, darf keine Frage der Größe sein“, warnt Englisch. „Digitale Technologien werden künftig noch mehr als heute integraler Bestandteil von Unternehmensstrategien sein. Händler können ihren Kunden beispielsweise passende Produktvorschläge machen. Autos oder Waschmaschinen diagnostizieren Fehler selbst und machen Reparaturen somit einfacher. Diese Entwicklung wird nicht aufzuhalten sein. Und für Unternehmen, die die Weichen richtig stellen, ergeben sich mehr Chancen als Risiken.“

Unternehmen in schwieriger Lage drohen Anschluss zu verpassen

Unternehmen, die sich aktuell in einer schwierigen Lage befinden, setzen deutlich seltener auf eine weitere Digitalisierung ihres Geschäftsmodells als Unternehmen mit guter Geschäftslage. So erwarten laut EY etwa nur 57 Prozent der Unternehmen mit schlechter Geschäftslage, dass die Bedeutung digitaler Technologien in den kommenden Jahren für sie zunehmen wird. Auf der anderen Seite sehen drei von vier Unternehmen mit guter Geschäftslage eine zunehmende Bedeutung für sich.

Noch scheine es zwar kaum einen Zusammenhang zwischen Digitalisierung und aktuellem Geschäftserfolg zu geben. So sagen etwas mehr als 20 Prozent der Unternehmen mit guter oder eher guter Geschäftslage, dass digitale Technologien eine sehr große Rolle spielen – bei Unternehmen mit eher schlechter oder schlechter Geschäftslage liege der Anteil mit jeweils 17 Prozent nur geringfügig darunter. Allerdings sei die Konjunktur aktuell insgesamt sehr gut, das täusche über manche Versäumnisse hinweg, sagt Englisch. „Die Unternehmen sollten sich besser in guten Zeiten für die Digitalisierung rüsten. Wenn die Zeiten schlechter werden, wird sich die Spreu vom Weizen trennen und Unternehmen mit konsequenter Digitalisierungsstrategie werden einen Vorteil im Wettbewerb haben.“

Dienstleistung und Handel setzen am stärksten auf Digitalisierung

In den einzelnen Branchen ist die Nutzung höchst unterschiedlich. Für Unternehmen aus Dienstleistung und Handel haben digitale Technologien heute schon eine sehr große Bedeutung, und sie wird auch in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. 30 Prozent der Dienstleistungsunternehmen und 21 Prozent der Handelsunternehmen geben an, dass digitale Technologien für sie eine große Rolle spielen. Für 46 Prozent der Dienstleistungsunternehmen und 36 Prozent der Handelsunternehmen wird die Bedeutung noch deutlich zunehmen.

Überraschend zurückhaltend sind der Studie zufolge hingegen die Industrieunternehmen: In den Branchen Industrie/Verarbeitendes Gewerbe und Bau/Energie ist die Bedeutung digitaler Technologien nur für 16 Prozent beziehungsweise 14 Prozent der Unternehmen sehr groß. Und sie wird auch nur für 28 Prozent der Unternehmen aus Industrie und Verarbeitendem Gewerbe und 26 Prozent der Bau- und Energieunternehmen deutlich zunehmen.

„Der Handel und die Dienstleister mussten sich bereits mit deutlichen Veränderungen ihrer Geschäftsmodelle durch die verstärkte Nutzung von Internet und Smartphones auseinandersetzen. Sie haben sich in den vergangenen Jahren am stärksten gewandelt, neue Formen der Kundenansprache und des Verkaufs entwickelt und etwa die Kommunikation mit den Kunden auf die digitale Ebene verlagert.“

In der klassischen Produktion hingegen stehe man teilweise erst am Beginn größerer Umwälzungen, betont Englisch: „In der Industrie halten digitale Technologien erst noch Einzug, obwohl auch hier die Vorteile auf der Hand liegen – beispielsweise in der Lieferkette. Wenn jedes Teil zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, spart das enorme Kosten.“

Besonders schwer habe es derzeit die Energiebranche, die sich nach dem Ausstieg aus der Atomenergie und dem Rückbau von Kraftwerken neu sortieren musste. Durch die Restrukturierungen fehle vielerorts das Geld für Investitionen in neue Technologien, sagt Englisch abschließend.

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