Wie das Miteinander von Auto und Fahrer in Zukunft aussehen kann, zeigt Bosch mit einem Erprobungsfahrzeug auf dem Entwicklerkongress ITS World Congress vom 10. bis 14. Oktober 2016 in Melbourne, Australien. Zentraler Baustein ist ein HMI (Human Machine Interface) für die Fahrzeugbedienung. Das und die Vernetzung des Autos mit dem Internet sollen Autofahrern künftig mehr Sicherheit und ein neues Fahrerlebnis bieten.
Autofahren ist schon in wenigen Jahren nicht mehr das, was es einmal war. Bosch bringt zu Beginn des kommenden Jahrzehnts ein System auf den Markt, mit dem Pkw vollkommen selbstständig auf Autobahnen oder autobahnähnlichen Straßen fahren können. Dadurch verändern sich vor allem die Möglichkeiten für den Fahrer. „Automatisiert fahrende Autos sind nicht länger nur ein Gebrauchsgegenstand, sie werden zu einem persönlichen Begleiter“, sagt Dr. Dirk Hoheisel, Mitglied der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH.
Innenraumkamera behält Autofahrer im Blick
Nach dem Einsteigen Spiegel-, Sitz- und Fahreinstellung kontrollieren und gegebenenfalls verändern war gestern. Das Bosch-Erprobungsfahrzeug erkennt seinen Fahrer über eine neu entwickelte Innenraumkamera. Umgehend wird sein Nutzerprofil geladen mit allen bevorzugten Fahrzeugkonfigurationen sowie den am häufigsten angefahrenen Reisezielen. Der Fahrer muss nur noch seinen Zielort und die berechnete Verkehrsroute auswählen.
Dabei erhält er gleich die Information, welche Teilstücke seiner Strecke manuell gefahren werden und bei welchen er sich entspannt zurücklehnen kann. „Während Autobahnfahrten wird das Auto zum Chauffeur und der Fahrer zum Passagier“, sagt Hoheisel. Die Fahraufgabe wird dann komplett vom Fahrzeug übernommen. Damit der Fahrer jederzeit während der automatisierten Fahrt wieder sicher das Steuer übernehmen kann, achtet die Innenraumkamera darauf, dass der Fahrer nicht einschläft. Bei lange geschlossenen Augen erfolgt eine Warnung.
Ablenkung ist Ursache für viele Verkehrsunfälle
Ablenkung des Autofahrers ist in Deutschland Auslöser für jeden zehnten Verkehrsunfall. Laut einer aktuellen Umfrage des Digitalverbands Bitkom telefonieren 42 Prozent der Befragten beim Fahren mit dem Mobiltelefon am Ohr. 44 Prozent lesen, 23 Prozent schreiben sogar während der Fahrt Kurznachrichten. 25 Prozent gaben an, beim Fahren E-Mails zu lesen. Dabei steigt allein durchs Telefonieren am Steuer das Unfallrisiko um das Zwei- bis Fünffache. Wer bei Tempo 120 drei Sekunden lang aufs Smartphone starrt, legt 100 Meter im Blindflug zurück. Das zeigt, welches Plus an Sicherheit automatisiertes Fahren bringen kann. Ein selbstfahrendes Auto lässt sich nicht von Textnachrichten ablenken. Es behält das Verkehrsgeschehen mit seinen Sensoren pausenlos 360 Grad im Blick.
Im Bosch-Erprobungsfahrzeug meldet das HMI dem Fahrer, wenn automatisiertes Fahren auf einem Streckenabschnitt möglich ist. Über die hochgenaue Karte (HD-Karte) vom Bosch-Kooperationspartner TomTom weiß das Fahrzeug jederzeit, wo es sich auf der Straße befindet. In Echtzeit gleicht das Auto dazu seine Sensordaten mit den in der HD-Karte hinterlegten Informationen etwa zu Fahrbahnmarkierungen und Leitplanken ab.
Zur Übergabe der Fahraufgabe ans Auto muss der Fahrer dann gleichzeitig für mehrere Sekunden zwei Knöpfe am Lenkrad drücken. Auf dem zentralen Display erscheint die Straße in der HD-Karte nach dem Aktivieren des automatisierten Fahrmodus in blau. Zusätzlich bekommt der Fahrer angezeigt, was die Umfeldsensoren des Autos alles erkennen und wie viel Zeit noch verbleibt, bis er das Steuer wieder übernehmen muss.
Hände weg vom Steuer und Blick in den Kühlschrank
Während der automatisierten Fahrt stehen dem Fahrer über das zentrale Display im Testfahrzeug mehr Infotainment-Funktionalitäten zur Verfügung als wenn er selbst verantwortlich ist für die Fahraufgabe. Dank Internetverbindung kann er jetzt zum Beispiel seine bevorstehenden Termine checken oder Einkäufe planen. So ermöglicht es ihm die SmartHome-App von Bosch, einen Blick in seinen Kühlschrank daheim zu werfen. Reichen Getränke und Vorräte für den geplanten Grillabend mit Freunden oder muss noch ein Zwischenstopp eingelegt werden?
Inzwischen ist die Straßenfarbe in der Navigationskarte von blau auf orange gewechselt. Bedeutet: Die automatisierte Fahrt endet in fünf Kilometern. Der Fahrer muss sich nun auf die Übernahme des Steuers vorbereiten. Reagiert er nicht, ertönt ein Hinweiston, der rechtzeitig vor Ende der automatisierten Fahrt in einen permanenten Warnton mit optischen Warnhinweisen übergeht. Durch erneutes, gleichzeitiges Drücken der Lenkradknöpfe übernimmt der Fahrer wieder das Steuer.
Erprobungsfahrzeug und Motorrad sprechen miteinander
Auch im manuellen Fahrmodus sorgt das Bosch-Erprobungsfahrzeug für mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Alle seine Sensoren und Verkehrsinformationsysteme, die für das automatisierte Fahren benötigt werden, bleiben aktiv. Dank Vehicle-to-Vehicle-Communication ist das Testauto zudem über andere Verkehrsteilnehmer informiert, bevor sie in Sicht kommen.
Besonders Motorräder werden im Verkehr rasch übersehen, weil Lkw oder Busse sie oftmals verdecken. Auf der ITS zeigt Bosch eine prototypische Kommunikationsverbindung zwischen seinem Versuchsfahrzeug und einem Motorrad. Darüber tauschen beide Fahrzeuge permanent ihren Aufenthaltsort aus. Das senkt das Risiko einer Kollision und ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Technik in automatisiert fahrenden Autos Unfälle verhindern hilft.