Blockchain ist vor allem als Trägertechnologie für die virtuelle Währung Bitcoin bekannt. Doch die Querschnittstechnologie beginnt über dieses „Proof of Concept“ hinaus, bestehende Prozesse und Geschäftsmodelle auf den Kopf zu stellen, zu vereinfachen oder in Gänze abzulösen.
„Die Blockchain wird die Gesellschaft ein Stück weit verändern“, sagt Prof. Dr. Roman Beck, Forscher von der IT University of Copenhagen, im aktuellen eco audiomagazin. „Sie ermöglicht, die Kontrolle über all ihre Daten zurück zu erhalten.“ Stephan Zimprich, Leiter der eco Kompetenzgruppe Blockchain, ergänzt: „Die Freiheitsgrade, die durch die Blockchain-Technologie vermittelt werden – im Vergleich zu herkömmlichen Transaktionsprozessen – sind enorm.“
Disruptive Wirkung in vielen Branchen
Mit diesen Eigenschaften und der Fähigkeit, das ihr jeweils zugrunde liegende Regelwerk selbst zu überwachen, bietet die Querschnittstechnologie eine bisher nicht absehbare Vielfalt von Anwendungsmöglichkeiten. „Blockchain hat die Labore verlassen und wird in Unternehmen genutzt“, kommentiert Beck die Entwicklung. Neben Bitcoin gibt es bereits diverse Beispiele, wo Blockchain erfolgreich zum Einsatz kommt: sei es als digitale Bürgeridentität im E-Government oder zur revisionssicheren Wartungsdokumentation bei Flugzeugen. In Kopenhagen wird zudem an einem Blockchain-basierten Modell geforscht, um Schäden durch so genannte „Cum-Ex-Geschäfte“ zu verhindern.
In einem Punkt sind sich die Fachleute einig: Blockchain zeigt schon heute eine disruptive Wirkung, denn mit dieser Technologie entfällt bei Transaktionen der Intermediär. So werden vor allem signifikante Veränderungen im Finanzdienstleistungssektor erwartet, und selbst junge Zweige wie die Sharing Economy geraten unter Druck. Nicht nur Zentral- und Privatbanken arbeiten bereits intensiv an der Erforschung von Blockchain-Anwendungen. Die Deutsche Börse AG beschäftigt sich schon seit etwa 18 Monaten mit dem Thema, prüft Einsatzgebiete und orientiert sich dabei entlang der eigenen Wertschöpfungskette, berichtet Dr. Stefan Teis von der Deutsche Börse AG .
Technische und juristische Herausforderungen
Aber die Nutzung von Blockchain wird auch von einigen Hürden begleitet. So ist der heutige „Proof of Work“-Mechanismus noch sehr energieintensiv. In Kopenhagen werde derzeit an der Blockchain der dritten Generation geforscht, die für die Industrie besser nutzbar sein soll. Zimprich weist zudem auf juristische Hindernisse speziell in hoch regulierten Sektoren hin, die häufig im Widerspruch zum zentralen Konzept der Technologie stehen.
Nicht zuletzt beim Nutzer selbst erwartet Beck durch Blockchain eine deutlich Veränderung: „Die Möglichkeit, die digitale Repräsentation im Netz kontrollieren können, wird sicherlich grundlegend das Verständnis und die Interaktion im Internet, und wie wir dort agieren, verändern.“
Das komplette eco audiomagazin mit dem Titel „Blockchain – die neue Schlüsseltechnologie?“ ist hier hörbar.
Wie profitiert der deutsche Mittelstand von der Blockchain?
Nach einer aktuellen YouGov-Umfrage im Auftrag von eco ist auch der Mittelstand davon überzeugt, dass Blockchain in den nächsten zehn Jahren die deutsche Wirtschaft grundlegend verändern wird. Zwar sei erst 34 Prozent der Mittelständler, und damit nur rund jedem dritten Befragten, die Blockchain überhaupt ein Begriff. „Aber von allen Umfrage-Teilnehmern, die die Blockchain kennen und sich damit beschäftigt haben oder bereits nutzen, erwarten sogar 65 Prozent grundlegende wirtschaftliche Veränderungen“, sagt Zimprich.
„In Deutschland entdecken immer mehr mittelständische Unternehmen diese Technologien für sich und wollen sie als Plattform für digitale Innovationen nutzen“, so Zimprich. Fälschungssicherheit (30 %) und eine dezentrale Speicherung der Daten (27 %) sind dabei für die befragten Mitarbeiter aus dem mittleren und höheren Management die beiden bekanntesten Charakteristika einer Blockchain.
Informationsdefizit im Mittelstand
Noch fühlt sich der Mittelstand allerdings eher unzureichend hinsichtlich der Möglichkeiten der neuen Technologie informiert. Fast jeder Zweite (47 %) gibt an, keinen ausreichenden Zugang zu Informationsquellen zu haben, um sich über konkrete Einsatzmöglichkeiten einer Blockchain im eigenen Unternehmen zu informieren. Diese Personen wünschen sich vor allem Informationen aus Fachpublikationen (32 %), Informations- und Beratungsangebote von Bundesregierung, Ministerien und Behörden (26 %) und durch externe Beratungen (23 %).
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