„Kultur ist entweder das größte Hindernis oder aber der stärkste Beschleuniger digitaler Transformation wie auch Innovation. Viele Manager glauben, dass ihre Unternehmenskultur bereits digital sei. Aber wenn man ihre Mitarbeiter fragt, dann sehen die das völlig anders. Diese Lücke zeigt ein Fehlen von digitaler Vision, Strategie und taktscher Umsetzung von oben her“, so der Digitalanalyst Brian Solis in einer Studie von Capgemini.
Kulturprobleme sehen 62 Prozent der Teilnehmer an der Studie „The Digital Culture Challenge: Closing the Employee-Leadership Gap“ als eine der größten Hindernisse auf dem Weg zu einer digitalen Organisation. In Deutschland liegt der Wert mit 72 Prozent sogar leicht darüber. Damit riskieren die Unternehmen, im derzeitigen Digitalisierungsumfeld gegenüber ihren Wettbewerbern zurückzufallen.
Insbesondere zwischen der Gruppe der Top-Management-Vertreter und der weiteren Mitarbeiterschaft bestehe eine deutliche Kluft in der kulturellen Digital-Affinität: Während 40 Prozent auf Top-Management-Level von einer bereits existierenden digitalen Unternehmenskultur sprechen, sind es bei den restlichen Mitarbeitern nur 27 Prozent. In Deutschland sei der Abstand noch deutlicher.
Attribute, die eine digitale Unternehmenskultur beschreiben
Insgesamt kamen sieben Attribute zum Tragen, die in der Studie eine digitale Unternehmenskultur beschreiben:
- die Art der Zusammenarbeit,
- Innovation,
- offene Kultur,
- Digital-First-Vorgehen,
- Agilität und Flexibilität
- Kundenzentrierung
- datengetriebener Ansatz.
Aus den Daten zusammen mit Fokusinterviews ließen sich Gründe für diese Lücke in der Wahrnehmung einer digitalen Kultur ausmachen: Dazu gehören die Unfähigkeit von Führungskräften, eine klare digitale Vision zu vermitteln, das Fehlen von beispielgebenden Mitarbeitern sowie fehlende Kennziffern für die Ziele der digitalen Transformation.
Claudia Crummenerl, Leiterin Executive Leadership & Change bei Capgemini Consulting DACH: „Die Digitalisierung kann einen signifikanten Wertbeitrag erzeugen, aber es braucht dazu die passende Unternehmenskultur. Unternehmen müssen alle Mitarbeiter in Sachen Digitalisierung mitnehmen, sie befähigen und inspirieren. Diejenigen Firmen, die eine digitale Kultur zum Eckpfeiler ihrer Strategie machen, werden bessere Beziehungen zu ihren Kunden aufbauen können, ziehen die besten Mitarbeiter an und wappnen sich für Erfolg in der digitalen Welt.“
Diskrepanz zwischen Führungskräften und Mitarbeitern
Innovation ist für viele Organisationen immer noch keine Realität. Die Vertreter von nur sieben Prozent der Unternehmen aus der Studie sehen ihre Organisation in der Lage, neue Ideen zu testen und schnell umzusetzen. Mit dem einhergehend sagen lediglich 37 Prozent der Mitarbeiter, ihre Organisation habe eine Innovationskultur und sei experimentier- als auch risikofreudig. Auf Seiten des Top-Managements liegt der Wert bei 75 Prozent.
Die Kluft bei der Wahrnehmung von Zusammenarbeit im Unternehmen ist groß: Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass 85 Prozent des Top-Managements ihrem Unternehmen zugestehen, die interne Zusammenarbeit zu fördern. Im Kontrast dazu empfinden das lediglich 41 Prozent der weiteren Mitarbeiter so.
Das Management glaubt, es habe eine Digitalvision; die Mitarbeiter widersprechen. Es gibt eine bemerkenswerte Kluft in Sachen „digitale“ Vision: 62 Prozent der Führungskräfte sehen ihr Unternehmen mit einer gut definierten Strategie hinsichtlich der zu erreichenden digitalen Ziele ausgestattet. Derselben Aussage stimmen allerdings nur 37 Prozent der Mitarbeiter unterhalb der Führungsriege zu.
„Unternehmen sind offensichtlich nicht in der Lage, ihre Mitarbeiter an der kulturellen Weiterentwicklung zu beteiligen“, schlussfolgert Crummenerl. Doch genau dies sei notwendig für eine effektive Digitalkultur wie auch die gesamte digitale Transformation einer Organisation. Die Führungskräfte auf Top- wie auch mittlerer Ebene seien es, die aus der allgemein gültigen Digitalvision greifbare Ergebnisse ableiten und entsprechendes beispielhaftes Verhalten auch honorieren müssten. „Der große Moment für ein Unternehmen kommt, wenn es entdeckt, dass die digitale Transformation keine Frage der Technik ist, sondern ein Wandel der Kultur“, so Ian Rogers, Chief Digital Officer bei LVHM.
Kulturelle Digitalvordenker setzen sich ab
Die Studie identifiziert sogenannte kulturelle Digitalvordenker – jede Dritte (34 %) untersuchte Organisation gehört dazu. Sie schneiden über alle sieben Dimensionen von Digitalkultur hinweg gut ab und deren Management hat das gesamte Unternehmen erfolgreich auf die Zielkultur eingeschworen. Diese Gruppe ist besonders stark in Großbritannien (63 %), Schweden (60 %) und den USA (56 %) vertreten.
7 Empfehlungen zum Aufbau einer digitalen Unternehmenskultur
Der Aufbau einer Digitalkultur und der damit verbundene Wandel benötigt Geduld, Beharrlichkeit und kontinuierliche Wachsamkeit. Einige zentrale Elemente sind allen Unternehmen beim Wechsel hin zu einer Digitalkultur gemein:
- Ausbildung von Change Agenten und Befähigung der Mitarbeiter, selbst zur digitalen Kultur beizutragen
- Entwicklung neuer Kennziffern, die auf das Verhalten abzielen
- Greifbarmachen des digitalen Kulturwandels
- Investitionen in Fähigkeiten, die tatsächlich gebraucht werden
- Klare Kommunikation der Digital Vision und sichtbare Unterstützung durch das Management
- Einsatz von digitalen Kollaborations-Tools, um Transparenz sicherzustellen und den engen Kontakt zu den Mitarbeitern herzustellen
- Ein systemischer Denkansatz, um kulturellen Wandel anzugehen
Studienmethode: Der Report umfasst die Antworten von 1.700 Personen aus 340 unterschiedlichen Organisationen. Darunter sind 20 Prozent Management-Vertreter, 40 Prozent können dem Mittleren Management zugeordnet werden und die restlichen 40 Prozent der weiteren Mitarbeiterschaft. Die Unternehmen stammen aus den Branchen Automobil, Banken/Versicherungen, Konsumgüter, Handel und Telekommunikation. Auf Länderebene wurden Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Schweden, Spanien und die USA einbezogen. Über die Befragung hinaus führte Capgemini eine Reihe von Fokusinterviews mit Wissenschaftlern, Top-Management-Vertretern sowie Mitarbeitern. Der Untersuchungszeitraum ist März bis April 2017.