In Ländern wie Dänemark, Österreich oder Estland gibt es sie bereits – die digitale Verwaltung, die den Bürgern eine Vielzahl mühevoller Behördengänge erspart. Auch in Deutschland würde sich die große Mehrheit der Menschen diesen Service wünschen. So zeigen sich 91 Prozent offen für die Idee, zum Beispiel den Antrag auf Kindergeld oder die Ausstellung eines Reisepasses in Zukunft komplett online zu erledigen. Das Alter der Befragten spielt dabei erstaunlicherweise kaum eine Rolle: Selbst bei den Über-64-Jährigen liegt die Zustimmung bei rund 83 Prozent.
Acht von zehn Befragten können sich laut einer repräsentativen Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC zudem vorstellen, sämtliche Verwaltungsvorgänge über ein digitales Bürgerkonto abzuwickeln. Damit ist ein Tool gemeint, über das die komplette Interaktion zwischen Bürger und Verwaltung zentral und transparent abgewickelt werden kann. „Ein solches Bürgerkonto hätte beispielsweise zur Folge, dass sich der frischgebackene Vater nicht nur online die Geburtsurkunde ausstellen lassen kann, sondern auch weitere Schritte wie der Antrag auf Elterngeld ausgelöst werden können. Momentan ist die Geburt eines Kindes mit einem halben Dutzend Behördengängen verbunden. Durch das Bürgerkonto ließe sich das Procedere mit einem gesamten Zeitaufwand von vielleicht 15 bis 30 Minuten online erledigen“, sagt Borries Hauke-Thiemian, Experte für Public Management Consulting bei PwC in Deutschland.
Tablet statt Wartemarke – das sollte die Vision sein
„Digitale Technologien sind heutzutage selbstverständlicher Bestandteil unseres täglichen Lebens. Immer mehr Menschen betreiben Online-Banking, shoppen im Internet oder nutzen Dienstleistungen wie Car-Sharing. Vor diesem Hintergrund ist den Menschen nur noch schwer begreiflich zu machen, warum sie sich für einfache Urkunden oder Dokumente einen halben Vormittag ins Amt setzen sollen“, so Hauke-Thiemian.
Wo es schon digitale Services gibt, werden diese auch genutzt
Dabei ist es natürlich nicht so, dass die deutschen Verwaltungen noch komplett in der Offline-Welt leben. Bei vielen Stadtverwaltungen können die Bürger inzwischen online Termine ausmachen. Dadurch reduzieren sich mögliche Wartezeiten. Zudem wird die Gefahr gebannt, dass sich Menschen sogar umsonst auf den Weg zum Amt machen. Bemerkenswerterweise nutzen die Deutschen solche Angebote der PwC-Umfrage zufolge bereits relativ intensiv. So gaben 67 Prozent der Befragten an, digitale Dienstleistungen ihrer Verwaltung in Anspruch zu nehmen.
„Die Politik sollte darin einen Ansporn sehen, nicht auf halber Strecke stehen zu bleiben“, sagt Alfred Höhn, Leiter Öffentlicher Sektor bei PwC. „Denn einerseits ist es zwar erfreulich, dass die Online-Absprache von Verwaltungsterminen allmählich zum Standard wird. Andererseits kann dies gemessen an Ländern wie Dänemark allerdings nur ein Anfang sein. Denn dort können die Bürger von Steuerangelegenheit über Wohnkostenzuschüsse bis hin zur Scheidung nahezu alles online regeln. Ein solcher digitaler Rundum-Service sollte auch für Deutschland die Vision sein.“
Viel Vertrauen in die Stadtverwaltung – wenig in die Arbeitsagentur
Aus Sicht der potenziellen Nutzer gehört zu den großen Vorteilen des digitalen Bürgerkontos, dass sie damit Zeit sparen (68 % Zustimmung) und Kosten reduzieren (64 % Zustimmung). Darüber hinaus werden „Bequemlichkeit“, „Zuverlässigkeit“ und „Umweltverträglichkeit“ als positive Faktoren genannt.
Auf der anderen Seite hegen viele Menschen allerdings datenschutzrechtliche Bedenken. So fürchten 60 Prozent, beim digitalen Bürgerkonto könnten personenbezogene Informationen in falsche Hände geraten. Entsprechend differenzieren viele Teilnehmer bei der Frage, welche Behörden Zugriff auf das Bürgerkonto erhalten sollen. Bei der Stadtverwaltung haben 82 Prozent der potenziellen Nutzer kein Problem damit. Den Sozialversicherungsträgern bringen immerhin 74 Prozent das nötige Vertrauen entgegen. Dagegen wäre nur eine Minderheit bereit, das Finanzamt (46 %), die Justiz (41 %) oder die Bundesagentur für Arbeit (28 %) Zugang zum digitalen Nutzerprofil zu gewähren.
„Unterm Strich lässt sich sagen: Die meisten Deutschen sind eindeutig für das digitale Bürgerkonto – allerdings nur, wenn die zu findende Lösung sicher ist und der Bürger die Hoheit über seine persönlichen Daten behält“, so Borries Hauke-Thiemian.
„E-Partizipation“ ist kaum bekannt
Zurückhaltender zeigen sich die Deutschen bei einem weiteren Thema, das das Verhältnis zwischen Bürger und öffentlicher Hand im Online-Zeitalter betrifft – nämlich bei der sogenannten E-Partizipation. Mit dem Stichwort wird eine Steigerung der demokratischen Teilhabe durch die Nutzung digitaler Tools beschrieben; das wohl bekannteste Instrument in dieser Hinsicht ist bislang die Online-Petition. Nur 17 Prozent der Befragten zeigten in der Umfrage ein klares Verständnis, was mit E-Partizipation und Online-Beteiligung genau gemeint ist.
49 Prozent gaben an, die Begriffe zwar schon einmal gehört zu haben, sich ihrer Bedeutung allerdings nicht sicher zu sein. Immerhin: Nachdem sie aufgeklärt wurden, gaben 57 Prozent der Befragten an, sie würden mehr Möglichkeiten von Online-Beteiligungen grundsätzlich begrüßen. Dazu Hauke-Thiemian meint: „Die Digitalisierung eröffnet ganz neue Möglichkeiten für die Einbindung von Bürgern in demokratische Prozesse. Dabei können breitere Zielgruppen erreicht, Prozesse beschleunigt, Meinungstendenzen einfacher erfasst und Informationen besser vermittelt werden.“