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China: Innovationszentrum in der Weltwirtschaft – und auf dem Vormarsch zum Taktgeber im Handel

Die USA galten lange Jahre als Vorreiter und Taktgeber für Innovationen, insbesondere im Einzelhandel. Nun ist China im Begriff, den USA diese Rolle streitig zu machen und zum globalen Teilnehmer der Handelswelt von morgen zu werden. Die Rolle, die China in der Weltwirtschaft einnimmt, hat sich dabei in den vergangenen Jahren drastisch gewandelt. Galt das Land noch vor fünf Jahren primär als Erfüllungsgehilfe westlicher Unternehmen, die aufgrund der günstigen Produktionsbedingungen ihre Produkte in China fertigen ließen, hat sich das Land heute zu einem zentralen Absatzmarkt für Unternehmen aus den USA und Europa sowie zu einem bedeutenden Innovationszentrum in der Weltwirtschaft entwickelt.

Die rasante Entwicklung Chinas wird laut einer Publikation von BearingPoint und IIHD Institut durch sechs Megatrends befeuert, die gleichermaßen einen Wachstumsmotor für die chinesische Wirtschaft darstellen:

  1. Größenvorteile der Unternehmen durch rasanten Anstieg der Produktionskapazitäten
  2. Hocheffizientes Banken- und Finanzsystem sowie eine hohe Liquidität und niedrige Zinsen befördern die Investitionsbereitschaft der Unternehmen
  3. Schnell voranschreitende Urbanisierung führt zur Steigerung des Wohlstandes des Landes und seiner Bevölkerung und etabliert den größten Absatzmarkt der Welt
  4. Hohes Bildungsniveau forciert die Entwicklung des Landes hin zu einem Technologieland und initiiert gleichzeitig steigende Einkünfte und höhere private Konsumausgaben
  5. Hohe Intensität der (mobilen) Internetnutzung – mehr als 71 Prozent der insgesamt 802 Millionen aktiven Internet-User nutzen Online-Bezahldienste und E-Commerce-Angebote, was China zu dem mit Abstand größten E-Commerce-Markt weltweit macht
  6. Verändertes Konsumentenverhalten gleicht sich mehr und mehr dem Lifestyle westlicher Industriestaaten an

China = E-Commerce

Diese Megatrends verhelfen China nicht zuletzt zu einem überdurchschnittlichen E-Commerce-Wachstum. Demnach verzeichneten die Umsätze im E-Commerce in China in den Jahren 2016 bis 2018 einen überproportionalen jährlichen Anstieg um 31,3 Prozent auf 1,5 Billionen US-Dollar. Auch für die kommenden Jahre bis 2021 werden durchschnittliche Wachstumsraten von 22,1 Prozent pro Jahr prognostiziert. China hat sich damit mit weitem Vorsprung zum weltweit größten E-Commerce-Markt entwickelt.

Die zentralen Spieler im chinesischen E-Commerce-Markt, allen voran Tencent, Alibaba und JD.com, erzielen dabei überdurchschnittliche Wachstumsraten. Im Zeitraum von 2010 bis 2018 konnte beispielsweise Alibaba durchschnittlich um 57 Prozent pro Jahr wachsen. JD.com konnte dieses enorme Wachstum sogar noch deutlich übertreffen. Der einstige rein stationäre Elektronikhändler und heutige Online-Riese wuchs im Vergleichszeitraum jährlich durchschnittlich um 65 Prozent.

Bedrohung oder Chance für deutsche Handelsunternehmen?

Kay Manke

Diese Entwicklungen werfen laut der Publikation zwei Fragen auf:

  • Erstens, müssen sich europäische und insbesondere auch deutsche Handelsunternehmen vor den neuen Big-Playern aus China fürchten?
  • Und zweitens, wie gelingt es diesen Unternehmen, so schnell so stark zu wachsen?

„Bis sich Unternehmen wie Tencent, JD.com und Alibaba im europäischen beziehungsweise und deutschen Markt etablieren, bleibt nur eine Frage der Zeit. Erste Bestrebungen der Unternehmen, hierzulande Fuß zu fassen, sind schon seit einigen Jahren erkennbar. Dennoch sollten sich Handelsunternehmen weniger vor den Riesen aus China fürchten, als vielmehr die Entwicklung dieser Handelsgiganten zum Vorbild nehmen und aus deren Historie lernen“, sagt Kay Manke, Partner und Retail-Experte bei BearingPoint.

Dabei stehen drei Erfolgsfaktoren im Fokus, die Tencent, JD.com und Alibaba zu deren heutiger Wettbewerbsstärke und Marktbedeutung verholfen haben und die auch europäischen Unternehmen als Vorbild für künftigen Wettbewerbserfolg in einer sich verändernden Handelslandschaft dienen können:

Erfolgsfaktor #1: Kundenzentrierung

Im Kern der Entwicklung von Services und Dienstleistungen steht der Kunde sowie dessen Interessen und Bedürfnisse. Eine konsequente Kundenzentrierung darf nicht nur Lippenbekenntnis sein, sondern muss vielmehr zu einem elementaren Bestandteil der Unternehmensstrategie werden. Die Verbesserung der Lebensqualität der Nutzer durch die Bereitstellung von integrierten Services und Dienstleistungen, die wie beispielsweise bei Tencent sämtliche Bereiche des täglichen Lebens der Konsumenten miteinander verbinden, muss im Fokus stehen.

Erfolgsfaktor #2: Technologieeinsatz

Der zielgerichtete Einsatz neuster Technologien sowie die anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung sollten den zentralen Investitionsschwerpunkt darstellen. Dabei verfolgt der Technologieeinsatz keinen Selbstzweck, sondern klar definierte Ziele, wie zum Beispiel im Falle von JD.com die Effizienzsteigerung in der gesamten Supply Chain durch eine vollautomatisierte Warenlogistik und die Steigerung der Customer Experience durch die Entwicklung neuer End-to-End-Lösungen hin zu einem übergangslosen Kauferlebnis.

Erfolgsfaktor #3: Ecosystem & Plattformstrategie

Um einen Nukleus – so zum Beispiel die B2B-Plattform Alibaba – werden nach und nach weitere Unternehmen, ebenfalls als Online-Plattformen, hinzugenommen, die das Leistungsspektrum kontinuierlich ergänzen. Die Schnittstelle der Unternehmen in diesem sogenannten Ecosystem bildet im Falle von Alibaba zum Beispiel die Zahlungsplattform Alipay. Alipay übernimmt die Zahlungsabwicklung aller Transaktionen auf den Plattformen und generiert dabei wertvolle Konsumentendaten, die Alibaba wiederum für die faktenbasierte Optimierung und Weiterentwicklung seiner Geschäftsmodelle zur Verfügung stehen.

Jörg Funder

„Europäische und insbesondere auch deutsche Handelsunternehmen sind gut beraten, sich die Erfolgsfaktoren der Handelsriesen aus China zunutze zu machen, um dem zunehmenden Wettbewerbsdruck langfristig standhalten zu können. Eine stringente Kundenzentrierung, der zielgerichtete Einsatz von Technologie und die Nutzung der Vorteile eines Ecosystems werden in einer sich rasant verändernden Handelslandschaft von morgen von zentraler Bedeutung sein“, kommentiert Prof. Dr. Jörg Funder, Geschäftsführender Direktor IIHD Institut.

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