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Wird Amazon bald zum neuen Google?

Welches Unternehmen schafft es, eine gut 40prozentige Preissteigerung im Markt durchzusetzen, und das, ohne großen Kundenverlust zu erleiden? In diesem Punkt setzt der E-Commerce-Gigant Amazon neue Maßstäbe. Dabei sei dies nur Ausdruck einer fortwährend intensivierten Kundenbindung, die Amazon u.a. mit dem Programm Prime betreibt. In der Ausbaustufe ziele der Internethändler möglicherweise auf den Kern der Geschäftsmodelle von Google und Facebook: Die Werbeumsätze.

„Google ist sich bewusst, dass die hohe Rentabilität des eigenen Geschäftsmodells gefährdet wird, wenn die Akzeptanz von Amazon nicht nur als Kauf- und Such-, sondern auch als Interaktionsplattform steigt“, betont Prof. Dr. Andreas Krämer als Autor der Studie Pricing Lab 2017. Die Studie untersucht u.a. die Verbraucherbewertung von Amazon und Amazon Prime, insbesondere vor dem Hintergrund der auf 69 Euro erhöhten Abo-Preise für Amazon Prime.

Fortgesetztes Kundenwachstum bei Amazon Prime

Gegenüber 2016 ist in der aktuellen Erhebung ein Wachstum bei Amazon-Prime-Kunden zu verzeichnen. Insgesamt baut Amazon seine Kundenbasis aus. Im Alterssegment unter 30 Jahren erreicht Amazon erstens die höchste Kundenquote und zweitens die höchste Amazon Prime-Abo-Quote. 33 Prozent der Amazon-Kunden in Deutschland sind auch Prime-Kunden – bei einem Viertel startete die Mitgliedschaft vor weniger als 1 Jahr.

Für Deutschland scheine sich die Preiserhöhung für Prime auszuzahlen – ähnlich wie in den USA (der Preis wurde dort 2014 von 79 $ auf 99 $ erhöht). Zwei Drittel der Prime-Kunden geben an, dass sich nach Abschluss des Prime-Abonnements die Kundenbeziehung zu Amazon verbessert habe. 57 Prozent sind der Meinung, sie haben mehr Bestellungen bei Amazon gemacht als vor der Prime-Mitgliedschaft.

Dass es sich dabei nicht um zusätzlichen Konsum, sondern um eine Verlagerung von Umsätzen zu Lasten der Konkurrenz handle, werde daraus deutlich, dass knapp 60 Prozent der Amazon Prime-Kunden nach eigenen Angaben Käufe getätigt haben, die sie sonst nicht bei Amazon gemacht hätten. Dieses Niveau sei gegenüber der Vormessung aus Juli 2016 nahezu unverändert und erkläre die positiven Impulse des Amazon Prime-Abonnements für die Konsumausgaben der Verbraucher.

Hohe Kundenbindung durch breites Leistungsportfolio

In den letzten Jahren hatte Amazon das Leistungsspektrum bei Amazon Prime deutlich ausgeweitet, ohne dass der Preis erhöht worden ist. Top-Nutzungen betreffen die Angebote „Gratis-Premiumversand“ (74 %), „kostenloser Zugang zu Amazon Prime Instant Video“ (62 %) bzw. „Amazon Prime Instant Music“ (54 %). Die Leistungen innerhalb des Amazon Prime-Dienstes sind weitestgehend bekannt: So erreicht jeder der sieben Servicebestandteile bei den Prime-Abonnenten einen Bekanntheitsgrad von mindestens 60 Prozent, beim „Gratis-Premiumversand“ sind dies sogar 99 Prozent. Trotzdem werden nicht alle Services in Anspruch genommen. Von den sieben Leistungsbestandteilen des Abos werden im Mittel 2,6 genutzt.

Trotz mehr als 40 Prozent Preissteigerung nur geringe Abwanderungsgefahr

In Deutschland kostete Prime bei der Einführung 2007 mit lediglich kostenlosem Versand 29 Euro jährlich und verteuerte sich mit dem Ausbau des Angebots auf 49 Euro. Die Erhöhung auf 69 Euro gilt für Neukunden ab dem 1.2.2017 und für aktuelle Nutzer bei der Verlängerung vom 1.7.2017 an.

Diese massive Preissteigerung von mehr als 40 Prozent habe sich mittlerweile bei den Kunden herumgesprochen. Etwa zwei Drittel der Prime-Abo-Kunden stimmen dem Statement „Ich habe gehört oder gelesen, dass der Preis für Amazon Prime dieses Jahr auf 69 Euro steigt“ zu (17 % Ablehnung). Gleichzeigt leiten nur vergleichsweise wenige Kunden aus der Preissteigerung die Konsequenz einer Abo-Kündigung ab. Die Zustimmung zum Statement „Ich werde mein Prime Abo wahrscheinlich kündigen“ ist mit 15 Prozent vergleichsweise gering. Aufgrund von Trägheitseffekten dürfte die reale Kundenabwanderung bedingt durch die Preissteigerung bei 10 Prozent oder weniger liegen.

Amazon wird zur ernsthaften Konkurrenz für Google

Durch eine fortwährende Kundenzentrierung und den zusätzlichen Service von Amazon Prime werde das Evoked Set der Verbraucher eingeschränkt: d.h. die wahrgenommenen Optionen zur Suche nach Angeboten werde begrenzt. Folglich steige die Wahrscheinlichkeit, dass über die Plattform gekauft wird. Zusätzlich führe die Prime-Mitgliedschaft durch das Angebot von Leistungen wie Abruf von Videos und Musik zu einer stärkeren Inanspruchnahme der Plattform. Habe sich der Amazon-Kunde für Prime entschieden, finde eine Intensivierung der Kundenbeziehung statt. Die betreffe nicht nur die Anzahl der Transaktionen, sondern die Interaktion mit Amazon insgesamt.

In der Konsequenz werde Amazon zu einer immer stärker werdenden Konkurrenz für die Internet-Giganten Google und Facebook, die ihr Geschäftsmodell auf Kundeninformationen und zielgruppengenaue Schaltung von Werbung ausgerichtet haben. Mit Werbung erschließe sich Amazon in den kommenden Jahren eine weitere Erlösquelle, die zu einem profitablen Wachstum beitragen könnte.

„Lange Zeit hat Amazon die ganze Kraft in Umsatzwachstum gesteckt, während die Gewinne und damit die Dividende für die Anteilseigner auf der Strecke geblieben sind. Durch das Potenzial, im weltweiten Werbemarkt eine zunehmende Rolle zu spielen und die Werbeeinnahmen deutlich zu erhöhen, ergeben sich für Amazon gute Aussichten für ein Wachstum, das von hoher Profitabilität begleitet ist“, resümiert Johannes Hercher, Vorstand der Rogator AG und Co-Autor der Studie.

Hintergrund der Studie: Pricing Lab 2017 ist eine Studie zur Ermittlung und Bewertung von Trends im Preismanagement. Sie wird jährlich mehrmals in Kooperation von der exeo Strategic Consulting AG und der Rogator AG durchgeführt. Grundlage der Untersuchung ist eine repräsentative Befragung von ca. 500 Personen ab 18 Jahren.

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