IT-Rebellen sprach mit Susan Volkmann, bis vor kurzem Cloud Computing Leader der IBM in der DACH-Region, über IBMs Cloud-Strategie und darüber, warum Systems of Engagement den Zug in die Cloud erhöhen.
?: Was verstehen Sie unter einem System of Engagement?
Volkmann: Der Begriff geht auf den amerikanischen Autor Geoffry Moore zurück. Wir glauben, dass Systems of Engagement die sogenannten Systems of Records überlagern werden, mit denen zum Beispiel klassische ERP-Software gemeint sind. Sie fokussieren sich auf Kundenaktivitäten, treten direkt mit dem Kunden in Kontakt und stellen die Befriedigung seiner Bedürfnisse in den Vordergrund. Dazu nutzen sie alle digitalen Kanäle. Da sich Kundenwünsche sehr schnell verändern können, müssen Systems of Engagement sehr viel flexibler, skalierbarer und schneller zu entwickeln sein als Systems of Records. Allerdings werden diese nicht verschwinden.
?: Was hat das mit Cloud zu tun?
Volkmann: Die feste Überzeugung, das Cloud das Delivery-Modell der Zukunft ist, ist inzwischen fest in unserer Strategie verankert. IBMs Strategie basiert auf drei Säulen: Daten – als neue natürliche Ressource, Cloud – als das Computing Modell der Zukunft und als dritte Pfeiler das Thema Engagement, also die Interaktion zwischen IT und dem Nutzer. Cloud bildet die technologische Basis, um auch die anderen Aspekte umzusetzen. Dabei erschöpft sich für die IBM das Thema nicht in SoftLayer, sondern erstreckt sich auch auf hybride Themen, wo wir die On-Premise- und Cloud-Welten zusammenbringen. Für große Teile unserer Bestandskunden, zum Beispiel für Banken und Versicherungen behalten die eigenen Rechenzentren und Legacy-Systeme ihre Bedeutung. Sie werden nicht alles in die Cloud verlagern, sondern die Cloud dort nutzen, wo es für sie Sinn ergibt. Zum Beispiel bei Ihren Systems of Engagement, mit denen Sie ihre Kunden stärker zu binden suchen. Doch die Systems of Record – zum Beispiel Verträge, Kontendaten etc. werden die Banken in absehbarer Zeit nicht in die Cloud geben. Trotzdem müssen die Systems of Engagement und die Systems of Record eng verbunden werden, denn durch die Integration und die daraus gewonnenen Erkenntnisse ergibt sich die Basis für Entscheidungen. Deshalb sprechen wir dabei auch von System of Insights, quasi die integrierten Systeme, die die Erkenntnis bringen. Diese Integration übernimmt IBM ebenfalls.
?: Wie viele der Softlayer-Kunden sind IBM Bestandskunden? Und wie viele Kunden betreiben Systems of Engagement in der Cloud? Wenn ich Sie richtig verstanden habe, kommt ja zusätzliches Cloud-Geschäft vor allem aus diesem Bereich.
In den neuen Cloud-Services steckt sehr großes Potenzial
Volkmann: Ja und Nein. Die Zuwächse kommen nicht allein durch Systems of Engagement zustande. Nehmen Sie die IBM-SAP-Partnerschaft. Die Bereitstellung von SAP HANA Enterprise Cloud in der sicheren Cloud-Infrastruktur von IBM betrifft in erster Linie Systems of Record.
?: Aber wo sehen Sie die Zukunft? Bringt es nicht viel mehr Geschäft, wenn von IBM autorisierte oder mit IBM-Technologie wie Bluemix entwickelte Cloud Services aus dem IBM-Ökosystem sich in vielen Unternehmen verbreiten?
Volkmann: Natürlich steckt in den neuen Cloud-Services sehr großes Potenzial und auch das eigentlich neue Potential, aber die Übertragung bestehender Anwendungen in die Cloud spielt auf Jahre hinaus ebenfalls noch eine wichtige Rolle. Deshalb nehmen wir die Integration auch so ernst. Bereits länger tätige Unternehmen brauchen einen Übergang und eine Verbindung zwischen ihren klassischen Systemen und den neuen Cloud-Services. Für Startups stellt sich die Frage in der Regel gar nicht, sie bauen ihre Geschäftsmodelle Cloud-basiert auf, schon aus finanziellen Gründen. Und ja, sie haben recht, die Nutzung von Cloud Services, sprich ‚Pick & Choose‘ aus einem immer umfangreicheren Angebot, hat ganz viel mit einem Cloud-Ökosystem zu tun und deshalb bieten wir auch alle IBM Cloud Services und Partner Cloud-Services auf dem IBM Cloud Marketplace an. Dort können die Services direkt mit ‚Click & Buy‘ bezogen werden.
?: Noch einmal zurück zu der Frage nach den Systems of Engagement-Kunden. Wie viele haben IBM und ihre Tochter Softlayer davon im Verhältnis zu Systems of Record Kunden?
Klassische Kunden investieren ebenfalls in Systems of Engagement
Volkmann: Ich kann keine Zahlen nennen. Unsere klassischen Kunden, haben alle Systems of Records, die jetzt aber immer stärker in Systems of Engagement investieren. Wir bekommen aber auch ganz neue Kunden im Bereich Systems of Engagement, Startups zum Beispiel oder Töchterunternehmen großer Konzerne, Moovel von Daimler zum Beispiel.
?: Wie wollen Sie den Anteil der System of Engagement Kunden wie Diabetizer oder Preveniomed erhöhen?
Volkmann: Hierbei geht es ums zwei unterschiedliche Kundengruppen. Unsere Enterprise-Kunden begleiten wir als Partner auf ihrem Weg zu den Systems of Engagement. Hybride Lösungen ist das Stichwort, über das wir in diesem Zusammenhang mit unseren Kunden immer wieder reden. Also die Frage, wie sich die Vorteile einer Cloud-Lösung und traditionellen IT-Umgebung am besten verbinden und nutzen lassen.
Die zweite Kundengruppe sind neue Kunden, mit denen die IBM noch keine Geschäftsbeziehungen hat. Diesen können wir mit unseren Cloud Plattformen, sei es SoftLayer für IaaS oder Bluemix für PaaS einen signifikanten Mehrwert bieten.
?: Wie wichtig ist das Neugeschäft?
Cloud, Social, Mobile, Analytics befeuern die kundenorientierten Systeme
Volkmann: Es hat enorme Bedeutung, das sehen Sie schon an den strategischen Eckpfeilern, die ich am Anfang des Gesprächs genannt habe: Data, Cloud, Engagement. Das ist der Weg nach vorn. Cloud, Social, Mobile, Analytics befeuern die kundenorientierten Systeme, von denen wir reden. Und diese Schwerpunkte bearbeitet die IBM schon länger erfolgreich. Das werden wir konsequent weiterverfolgen ohne die klassischen Tugenden der IBM zu vernachlässigen.
?: Wie teilen sich die Umsätze der IBM und Softlayer auf Software as a Service, Infrastructure as a Service und Platform as a Service auf?
Volkmann: 2014 hat die IBM 7 Milliarden Dollar im Cloud-Bereich umgesetzt. 3 Milliarden davon sind as-a-Service-Geschäft. Das ist zwar nicht die Aufteilung, nach der Sie gefragt haben, zeigt aber die Größenordnung in der wir uns in Sachen Cloud bewegen.
?: Wie wichtig ist das Ökosystem. Sie haben gesagt, dass das Wachstum im Bereich Software as a Service in erster Linie von Drittanbietern kommt.
Volkmann: Ich habe gesagt, dass das Angebot an Funktionen durch das Ökosystem am schnellsten wächst. Sprich immer neue Cloud Services. Das macht natürlich auch unsere Plattformen, IBM Cloud Marketplace und IBM Bluemix, interessanter.
?: Was ist für Sie wichtiger – bestehende Geschäftsprozesse in die Cloud zu bringen oder neue Anwendungen direkt in der Cloud anzusiedeln?
Volkmann: Die neuen Anwendungen. Da ist der Zug Richtung Cloud stärker. Außerdem tun sich die Unternehmen mit neuen Dingen leichter, sie in die Cloud zu bringen. Die Freiheitsgrade sind bei neuen Anwendungen oder neuen Geschäftsmodellen sehr viel größer. Unternehmen machen das teilweise sehr bewusst, auch um ihre neuen Geschäfte nicht mit allzu viel Legacy zu belasten.