Die öffentliche Verwaltung in Deutschland verpasst den Anschluss an die Erwartungen der „Digital Natives“, so die Berater von Accenture. Erwartet würden Funktionen, wie man sie auch von kommerziellen Online-Anbietern gewohnt ist. Doch weit gefehlt. Die Vision: Ein „Servicekonto“ als zentraler Ort für die lebenslagenbezogenen Angelegenheiten der Bürger nach dem ‚one-stop-shop‘-Prinzip.
Laut der Accenture-Umfrage sind insgesamt 77 Prozent der Deutschen unzufrieden mit dem derzeitigen Angebot an digitalen Verwaltungsservices. Dieser Trend verschärft sich noch bei den Digital Natives: unter den 18- bis 29-jährigen nutzt bereits eine große Mehrheit von 90 Prozent digitale Verwaltungsangebote. Doch nur einer von zehn Befragen (11 Prozent) in dieser Altersklasse ist mit den vorhandenen Leistungen auch zufrieden.
Deutschland ist Schlusslicht
Accenture befragte über 6.600 Bürger in Australien, Deutschland, Frankreich, Singapur, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Gefragt wurde nach dem aktuellen digitalen Serviceangebot der Behörden, dem Nutzungsgrad in der Bevölkerung sowie dem Interesse an zusätzlichen Angeboten. In Deutschland nahmen über 1.000 Bürger an der Befragung teil.
Unter den betrachteten Ländern bildet Deutschland das Schlusslicht bei der digitalen Interaktion zwischen Bürger und Staat. So gaben 55 Prozent der deutschen Befragten an, dass sie nur zehn Prozent oder noch weniger ihrer Behördengänge auf digitalem Wege erledigen. Nur bei 12 Prozent der Befragten war es mehr als die Hälfte aller Behördengänge.
„Diese Ergebnisse sind aus zwei Gründen alarmierend“, sagt Catrin Hinkel, Geschäftsführerin des Bereichs Öffentliche Verwaltung und Gesundheitswesen bei Accenture. „Trotz zahlreicher Bemühungen ist Deutschland noch immer nicht so erfolgreich wie andere Länder darin, eine digitale Revolution in der Verwaltung anzustoßen. Zudem klafft gerade bei der jüngeren Generation eine erhebliche Lücke zwischen den Erwartungen und dem Ist-Zustand. Staat und Verwaltung drohen sich damit künftig weiter von der Gesellschaft zu entfremden. Denn von der digitalen Generation wird nur ernsthaft wahrgenommen, wer online und vernetzt ist.“
Hohe Qualitätsansprüche
Die Deutschen stellen dabei hohe Ansprüche an die Qualität öffentlicher digitaler Dienstleistungen: 84 Prozent der Befragten haben dieselben (50 Prozent) oder sogar höhere (34 Prozent) Erwartungen an die Qualität digitaler Angebote von Behörden verglichen mit denen kommerzieller Anbieter. Dabei stehen sie einer digitalen Verwaltung durchaus offen gegenüber: Fast alle (98 Prozent) der Befragten wollen ihren derzeitigen Nutzungsgrad digitaler Services im kommenden Jahr beibehalten oder ausweiten. Vor allem unter den jüngeren Bürgerinnen und Bürgern (18 bis 44 Jahre) will eine Mehrheit von 57 Prozent künftig verstärkt davon Gebrauch machen.
Ein wesentliches Problem digitaler Verwaltungsservices in Deutschland ist ihre nach wie vor geringe Bekanntheit und Verfügbarkeit. Fast die Hälfte (45 Prozent) aller Befragten – und 58 Prozent der 18- bis 29-jährigen – wissen laut eigener Aussage nicht, welche Dienste von den Ämtern überhaupt online angeboten werden. Zudem hat die Hälfte (49 Prozent) der 18- bis 29-jährigen schon erlebt, dass sie Verwaltungsservices online nutzen wollten, diese aber schlichtweg nicht zur Verfügung standen.
Behörden müssen vom Bürger her denken
Rund drei Viertel (78 Prozent) der befragten Deutschen legen bei einer digitalen Verwaltung gerade auf solche Funktionen Wert, die sie auch von kommerziellen Online-Anbietern gewohnt sind. Insbesondere erwarten sie, dass ihre Fragen abschließend beantwortet werden (91 Prozent), dass verfügbare Informationen auf ihre spezifische Situationen und Lebenslagen zugeschnitten sind (78 Prozent) und dass sie den aktuellen Status ihrer Anfragen einsehen zu können (75 Prozent). Außerdem wünschen sich rund zwei Drittel der Befragen (67 Prozent), erforderliche Informationen nur einmal eingeben zu müssen.
Das größte Interesse zeigen die Deutschen daran, auf digitalem Wege Ausweise, Registrierungen und Genehmigungen beantragen oder erneuern zu können. Außerdem möchten sie online Informationen über Verwaltungsdienstleistungen einholen können sowie nicht notfallbezogene Meldungen machen.
„Um die digitale Kluft zu überwinden, muss die Verwaltung noch stärker vom Bürger her denken und ihre Angebote an ihnen ausrichten“, so Hinkel. „Damit rückt das Servicekonto in den Blick als zentraler Ort für die lebenslagenbezogenen Angelegenheiten der Bürger nach dem ‚one-stop-shop‘-Prinzip.“